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Zum Hassprediger wurde Akif Pirincci auf Facebook. Dort sammelte er schnell viele Freunde – seine radikalen Botschaften kamen sehr gut an.

© T. Rabsch/dpa

Wer ist Akif Pirincci?: Neues vom Hetzer

"Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“ Mit diesem Satz zog Akif Pirinçci Wut auf sich. Und bewarb gleichzeitig sein neues Buch. Spielt er den homophoben Muslimfeind nur? Über die Gedankenwelt eines Radikalen

Sein Traum: Pornodarsteller. Sagt es und schäkert dabei mit der Kamera. Sagt noch zwei Sätze: „Ich habe sehr viel Hunger. Ich kann immer mehr Frauen gebrauchen.“ Grinst, zieht an der Zigarette, sein Gesicht redet weiter: Es ist herrlich, Akif Pirinçci zu sein!

Fast zwei Stunden sitzt der Schriftsteller, der sich seit Montag den Ruf als größter Hassprediger Deutschlands erworben hat, im Hinterhof seiner Bonner Wohnung und gibt dem ehemaligen AfD-Funktionär Torsten Heinrich ein Interview, das der für seine Website nutzen möchte. Will man etwas lernen über die Gedankenwelt dieses Mannes, 56 Jahre alt, muss man sich dieses Gespräch vom Mai 2014 anschauen. Am Ende ist man erstaunt: Da ist niemand, der sich nur inszeniert und der eine Rolle spielt wie eine Romanfigur. Akif Pirinçci, homophob, muslimfeindlich, frauenverachtend, ist einfach nur er. Und das ist gefährlich genug. Die Frage ist, wie er, der mit neun Jahren aus Istanbul nach Deutschland kam, der sich mit Fleiß, Talent und Sturheit den Ruf eines angesehenen und sehr gut verdienenden Krimiautors erarbeitet hat, ein Demagoge werden konnte?

Am Montagabend steht ein nuschelnder und sichtlich erregter Pirinçci am Mikrofon der Pegida-Veranstalter in Dresden und hält eine Rede, die selbst Pegida-Anhängern die Sprache verschlägt. Er redet über „Moslemmüllhalden“, Flüchtlinge als „Invasoren“, Politiker als „Gauleiter“, schließlich fällt ein Satz, der ihm staatsanwaltliche Ermittlungen einbringt. Dieser Satz ist bezogen auf die Deutschen selbst, auf jene, die mit der Integrationspolitik nicht einverstanden seien. „Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb“, ruft Pirinçci und bekommt Applaus. Er legte damit polemisch nahe, dass die Regierung ihr eigenes Volk in KZs umbringen möge, statt ihm die Ausreise zu empfehlen.

Die Äußerungen sind Hetze. Die juristische Frage ist, ob sie den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Denn er hetzt damit nicht gegen „Teile der Bevölkerung“, die sich durch innere oder äußere Merkmale klar abgrenzen lassen, wie es der Tatbestand erfordert. Eine Volksverhetzung könnte dagegen eher in seiner Rede von der „Moslemmüllhalde“ liegen, da er sich damit gleichsam dafür ausspricht, dass Muslime in Deutschland wie Müll zu entsorgen seien.

Niemand hätte überrascht sein dürfen von Akif Pirincci

Wenig von dem, was Pirinçci sagt, ist von ihm neu - neu ist die Masse des Publikums. So viel Öffentlichkeit wie nach dieser Rede hatte er noch nie! Vermutlich waren jedes Wort der Rede und jede Reaktion auf sie kühl kalkuliert, denn er hatte sie vorher angekündigt; nicht den Wortlaut, aber die Intention: größtmögliche Aufmerksamkeit! Auch der Staatsanwalt sollte zuhören! Sein neues Buch würde zwei Tage nach seiner Rede erscheinen.

Niemand, schon gar nicht Pegida-Chef Lutz Bachmann, hätte überrascht sein dürfen.

Doch war Dresden nicht der Beginn des verbalen Amoklaufs von Akif Pirinçci. Der begann vor Jahren. Wann genau, lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Pirinçci sagt in dem Videointerview mit Torsten Heinrich einiges zu seiner Geburtsstunde als Hassprediger: Facebook war für ihn ein Fanal. Dort sammelte er zu seiner Überraschung sehr schnell sehr viele Freunde - und schulte sich zum Rattenfänger mit radikalen Botschaften. Aber das ist erst die halbe Wahrheit: Pirinçci ist seit Jahren auch mit den Multiplikatoren vernetzt, die in der Grauzone zwischen rechts und rechtsradikal agieren, schreibt in der „Jungen Freiheit“, auf Blogs wie „eigentümlich frei“, der „Achse des Guten“ oder „Sezession“, der Hauszeitschrift der Neuen Rechten.

Pirinccis Behauptungen hört man auch beim "besorgten Bürger"

Im April 2013, als die Mordserie des selbsternannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und das offensichtlich oft rassistische Verhalten der Behörden gegenüber den Angehörigen der Opfer schon sehr gut dokumentiert waren, veröffentlicht Pirinçci eine Art Manifest, der Titel: „Das Schlachten hat begonnen“. Zuvor wird in Niedersachsen ein deutscher Jugendlicher ermordet. Der Migrationshintergrund des Täters wird zuerst verschwiegen. Pirinçci konstruiert einen gesellschaftlichen Zustand - als schriebe er einen seiner blutigen Thriller. Diese Tonalität und die zahlreichen Behauptungen, die er aufstellt, ohne sie zu belegen, hört man heute immer häufiger, beispielsweise wenn man mit dem sächsischen Ausländerbeauftragten in den Kommunen seines Bundeslandes unterwegs ist, um „besorgte Bürger“ zu beruhigen.

Er redet gerne über Sex, seine Frau hat ihn mit dem Sohn verlassen

Im Dunkeln. Akif Pirinçci auf dem Theaterplatz in Dresden – als Redner vor rund 10 000 Anhängern von Pegida.
Im Dunkeln. Akif Pirinçci auf dem Theaterplatz in Dresden – als Redner vor rund 10 000 Anhängern von Pegida.

© DAVIDS

Pirinçci entwirft ein Bild, das an das Pamphlet des Massenmörders Anders Breivik erinnert, es ist scheinbar aus einer ähnlichen Geisteshaltung entstanden. Es gebe einen „schleichenden Genozid an einer bestimmten Gruppe von jungen Männern“, schreibt Pirinçci und meint deutsche Jugendliche. Unter den Opfern befänden sich nie Frauen, denn die „werden in der Regel vergewaltigt“. Liest man das Manifest, sieht man den Brandstifter vor sich, er schreibt über arabische und türkische Täter: „Die Zahl der auf solcherlei Weise ermordeten Deutschen wird von offiziellen Stellen geheim gehalten. Es ist aber wohl nicht übertrieben, wenn man taxiert, dass es sich um die Opferanzahl eines veritablen Bürgerkriegs handelt.“

Akif Pirinçci liefert auch eine Erklärung, und in dieser ist wiederum der Kern seines eigenen, offensichtlichen Hasses gegen alle anderen Migranten vergraben: Diese seien in den letzten 30 Jahren durch eine beispiellose und „pathologische Umkehrung der Werte im öffentlichen Diskurs das Objekt der Vergottung geworden“. Immer wieder gibt es diesen einen Subtext: Die anderen, die Migranten, die Flüchtlinge - sie alle seien „mehr wert als der Einheimische“.

Seine Inszenierung war immer: Akif Pirincci - das Wunderkind

Hat er, Akif Pirinçci, nicht alles getan, um ein guter Deutscher zu werden? War er nicht fleißig, hat sich hochgearbeitet, ist erfolgreich - und nun das. Andere „Gottheiten“ statt seiner.

Menschen, die Akif Pirinçci näher kennen, aber ihren Namen nicht in der Zeitung lesen wollen, sagen: „Eigentlich ist er schüchtern, zurückhaltend, introvertiert. Er lebt in Romanwelten, und er liebt Helden.“ Natürlich möchte auch er ein Held sein! Anfang 1992 sitzt Akif Pirinçci in seiner Bonner Altbauwohnung, er hat Besuch von der „Spiegel“-Redakteurin Barbara Supp, sie schreibt ein sehr aufschlussreiches Porträt. Sie skizziert einen Mann, der immer schon wusste, dass er mindestens ein großes Talent, vielleicht gar ein Genie sei und dass er „mit 40 der erfolgreichste Autor Europas wird“. Supp schreibt: „Seine Inszenierung heißt: Akif Pirinçci, Wunderkind.“

Schon damals trifft die Autorin auf einen Mann, der gelangweilt ist vom Leben. Pirinçci hat mit 19 Jahren seinen ersten Roman geschrieben, eine enttäuschte Liebe, autobiografisch, das Buch ist nicht sehr erfolgreich. Erst mit knapp 30 erfindet er den Kater Francis als Romanhelden und damit ein, aus seiner Sicht, ganz neues Krimi-Genre: den Tierkrimi. Er wird zum Star. Die Bücher werden internationale Bestseller, in 17 Sprachen übersetzt, sie bringen Pirinçci nach eigenen Angaben sieben Millionen Euro ein. Ein Roman wird auch verfilmt, ein anderer dient als Filmvorlage („Die Damalstür“).

Selbst einigen Pegida-Anhängern verschlug es die Sprache, als am Montagabend Akif Pirincci das Wort ergriff.
Selbst einigen Pegida-Anhängern verschlug es die Sprache, als am Montagabend Akif Pirincci das Wort ergriff.

© REUTERS

Er schreibt jetzt auch andere Krimis, immer mit klarer, brutaler Sprache, immer mit dem Furor, dass nur gut gemachte Fiktion als wahres Leben taugt. Barbara Supp findet: „Der Alltag kann nur fade sein für einen, der das Leben betrachtet, als wäre es ein Videoclip, der mit der Cannes-Rolle, Star Wars und MTV groß geworden ist und große Gefühle nur im Kino finden kann.“

Im Videointerview mit Torsten Heinrich verrät Pirinçci, dass er den deutschen Wald und Kirchenmusik liebe und „deutscher als die Deutschen“ sei. Er erzählt, wie er Deutsch gelernt habe: mit Fernsehen, Videoclips und Büchern. Er habe nichts anderes getan als Filme geschaut oder Bücher gelesen.

Am liebsten guckt er „Flipper“. Nach kurzen Episoden auf dem Gymnasium und der Realschule landet er auf der Hauptschule. Mit 14 dreht er Kurzfilme, zwei werden preisgekrönt und gut verkauft. Er kann sich später ein Filmstudium in Wien leisten, das er nach drei Jahren abbricht.

Einer seiner Romanhelden: Ein Krüppel als Mörder und Liebhaber

Der „Max“-Autor Willy Loderhose entdeckt 1994 im Gespräch mit Pirinçci viel von dessen Katzenromanhelden Francis, „einem selbstgefällig-arroganten Zyniker und Macho“. Immer geht es auch um Frauen, um unerfüllten Sex. Seine Frau, mit der er 17 Jahre zusammen ist, verlässt ihn gemeinsam mit dem Sohn. Pirinçcis Erfolg ist offensichtlich auch ein Fluch, seine Kunst wird immer brutaler, blutrünstiger, bizarrer. In „Der Rumpf“ mordet ein Krüppel ohne Arme und Beine und hat Sex mit der schönsten Frau der Erde. Loderhose ist wie Supp irritiert, dass Pirinçci offensichtlich „angewidert ist von einer phantasielosen Welt“, er hasse die Wirklichkeit. Pirinçci sagt über seinen behinderten Mörder: „Das bin natürlich auch ich. Manchmal fühle ich mich wie der einzig Bewegliche in einer Welt voller Unbeweglichkeit.“

Seine Romane, das sagt Akif Pirinçci selbst, könnten die Welt nicht bewegen und weder Politik noch Menschen besser machen. Mit Facebook und mit der Einsicht, dass Sachbücher womöglich eine andere Waffe seien als Fiktion im Kampf gegen die Langeweile, ändert sich Pirinçcis Bewegungsraum. Wird größer. Zwar schreibt er in seinem Manifest „Das Schlachten hat begonnen“ noch: „Man wird sich damit abfinden müssen, dass man allmählich übernommen wird.“ Aber er verhält sich nicht devot. Stattdessen versucht er, Thilo Sarrazins Thesen zur Integration und zur muslimischen Welt mit einem eigenen Buch zu toppen. „Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“ wird ein „Spiegel“-Bestseller, und Pirinçci darf landauf, landab im Fernsehen und in anderen Medien wüten.

Vom Boulevard bis zum seriösen Feuilleton wird er rezensiert, mal ist er „Megafon der schweigenden Mehrheit“ und wirkt wie „Sarrazin auf Speed“ („FAZ“), mal erinnert er an „Charles Bukowski mit viel Humor und einer guten Portion Poltergeist“ („Wirtschaftswoche“). „The European“ sieht in ihm einen „Clown im allerbesten Sinne“, „Spiegel-Online“ einen „Anarchisten“ im Stile einer „Schmäh- und Beleidigungstradition“. Im „ZDF-Morgenmagazin“ wird er freundlich begrüßt und darf dann gegen Migranten hetzen und verbal ausrasten, ohne dass das Interview abgebrochen wird: „Verschwulte Polizei“, „linksversiffte Presse“, „rot-grüne Wichser“, „grüne Kinderfickerpartei“. Dann aber sagt er noch einen Satz, der, im Vergleich zum Rest, so schlicht daherkommt, als könne er wieder nur inszeniert sein. In Wahrheit ist er eine indirekte Handlungsaufforderung und lautet: „Ich möchte mein altes Deutschland wiederhaben. Das war so toll. Und ich werde es auch bekommen.“

Diese Worte verraten Akif Pirinçcis an sich feige Logik. Er zündelt - sein „altes, geliebtes Deutschland“ sollen ihm andere zurückerobern. Genüsslich zitiert er schon bei der „Bogida“-Demonstration im Dezember 2014 als Redner in Bonn sein eigenes Buch: „Ihr seid Deutsche, keine feigen Ratten. Es lebe das heilige Deutschland.“ Das Abendland sei nur zu retten, wenn der „verweichlichte Mann“ nicht mehr „schwul“ zur Arbeit gehe, anstatt seine Heimat zu verteidigen, der gerade „eine muslimische Invasion droht“.

Am Mittwoch verteidigt sich Akif Pirinçci in der „Jungen Freiheit“, kein Wort der Entschuldigung, keine Einsicht, sondern ein weinerlicher Gegenangriff: „Der Pirinçci soll keine Stimme mehr haben. Es ist Bücherverbrennung, nur auf die intelligente Art. Man sieht keine Flammen.“

Natürlich ist es nur ein sehr, sehr großer Zufall: Gerade jetzt erscheint das neue Hetz-Buch des Akif Pirinçci im Manuscriptum-Verlag mit der These, man habe in Deutschland „den Männern die Aggression abtrainiert“. Nicht mal Pornostar wollen die noch werden. Mitarbeit: Jost Müller-Neuhof

Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel und schreibt vor allem für die Reportageseite "Die Dritte Seite". Folgen Sie Armin Lehmann auch auf Twitter.

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