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Wissenschaftler untersuchen, welche Mikroplastik-Mengen bei stärkerem Regen in die Gully rauschen.

© imago/ecomedia/Robert Fishmann

Mikroplastik in den Städten: Filter im Gully

Kunststoff wird von Reifen abgerieben und von den Straßen geschwemmt. TU-Forscher testen Filtersysteme, die Wasserverschmutzung verhindern.

Für die unzähligen Gullys in den Straßen Berlins interessieren sich Wissenschaftler eher selten. Es sei denn, sie untersuchen wie Matthias Barjenbruch und Daniel Venghaus vom Fachgebiet Siedlungswasserwirtschaft der TU Berlin das Schicksal winziger Kunststoffteilchen. Dieses Mikroplastik entsteht etwa, wenn Fragmente von Reifen oder Schuhsohlen abgerieben oder achtlos weggeworfene Einmalbecher unter Autos zermahlen werden. Werden solche Teilchen von der Straße in die Gewässer geschwemmt, werden sie kaum abgebaut und können die Organismen dort schädigen.

Soweit die Theorie. In der Praxis rätseln Behörden und Forscher gleichermaßen, welche Mikroplastik-Mengen bei stärkerem Regen tatsächlich in die Gully rauschen. Und wie man sie zurückhalten könnte. Grobe Schätzungen gehen von allein 110 000 Tonnen solcher Mini-Partikel aus, die jedes Jahr in Deutschland von Reifen abgerieben werden. „Wie viel Abrieb tatsächlich entsteht, ist bisher aber noch nicht untersucht worden“, sagt Daniel Venghaus. Das holt das Projekt „Reifenabrieb in der Umwelt“ (RAU) jetzt nach, das Matthias Barjenbruch leitet. Dazu untersuchen die Forscher mit Kollegen, Behörden und Herstellern zunächst, wie die Teilchen sich überhaupt vom Reifen lösen. Wie viel Abrieb entsteht beim scharfen Bremsen, wieviel beim sanften? Welchen Einfluss hat der Fahrstil?

Filter können bis zu 99 Prozent aller Feststoffe zurückhalten

Natürlich nehmen die Wissenschaftler auch den Alltag unter die Lupe – und kehren dabei schon mal Straßen. Oder sie untersuchen das Wasser, das von der Landebahn eines Flughafens oder einer Hauptverkehrsstraße geschwemmt wird. Wie sehen die Partikel von dort aus? Wo und wann fallen sie an? Welcher Anteil der Teilchen stammt überhaupt von Reifen? Gern greifen die Wissenschaftler dabei auf ein anderes Projekt namens OEMP zurück, in dem die Forscher um Matthias Barjenbruch Materialien und Verfahren verbessern, mit denen Mikroplastik aus dem Wasserkreislauf entfernt wird. „Wir haben zum Beispiel Filter entwickelt, die wir gerade in einigen Gullys der Berliner Clayallee untersuchen“, berichtet Venghaus. Darin hält ein Granulat Teilchen mit einer Größe von mindestens einem Zehntel Millimeter zurück.

Noch laufen die Analysen. Aber die Forscher sehen schon heute, dass ihr Filter unter definierten Bedingungen zwischen 60 und 99 Prozent aller Feststoffe zurückhält. Die Chancen stehen gut, dass die Filter in Zukunft auch routinemäßig Mikroplastik aus Gullys fischen. „Sehr wahrscheinlich wird man sie nicht in jedem Straßenabfluss, sondern nur an besonderen Brennpunkten installieren“, erklärt Venghaus. Wichtig wäre das etwa bei Gullys, von denen das Regenwasser direkt in Flüsse und Seen geleitet wird.

Das passiert bei den in weiten Teilen Berlins üblichen Mischwasseranlagen zum Beispiel bei Starkregen ohnehin. Während normalerweise das von den Straßen ablaufende Wasser gemeinsam mit den Abwässern aus Haushalten und Gewerbe in Kläranlagen gereinigt wird, läuft ein Teil des Mischwassers bei extremen Niederschlägen über und fließt direkt in die Gewässer. Auch für dieses Überlaufwasser haben die TU-Forscher ein Filtersystem entwickelt, das Teilchen zurückhält, die nicht einmal ein Hundertstelmillimeter groß sind; und das auch aus dem bereits gereinigten Wasser einer Kläranlage eventuell vorhandene Mikroplastik fischt.

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