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Ausstellungen: Ein bisschen Nervenkitzel ist immer dabei

Wird alles klappen? Kilian Seyfried und Ilka Schaumberg bereiten Ausstellungen vor.

In diesen Tagen hat Kilian Seyfried keine ruhige Minute mehr. Noch zieren nur ein paar kahle Stellwände die Eingangshalle der Universität der Künste (UdK Berlin) in der Hardenbergstraße. Keine Skulptur, kein Gemälde, keine Videowand versperrt den Blick in den Ruinengarten. Doch schon bald wird Seyfried Tausende Besucher durch das Foyer schleusen und ihnen den Blick hinter die Kulissen von Ateliers und Werkstätten ermöglichen. Sie alle wollen die Werke des Künstlernachwuchses der Hauptstadt sehen.

Seyfried ist so etwas wie der Wächter über die Hallen der UdK. Wer beim Rundgang ein Projekt ausstellen will, kommt an ihm nicht vorbei. Er vergibt die Ausstellungsplätze im Foyer, sorgt dafür, dass der Aufbau reibungslos funktioniert. Welche technische Ausrüstung wird gebraucht? Welche Konstruktion hält den Sicherheitsbestimmungen stand? Wie kommen Objekte, Installationen, Werke so zur Geltung, wie sich die Studierenden das vorgestellt haben? Seyfried ist derjenige, der aus der Idee Wirklichkeit werden lässt.

Aus den verschiedenen Fachklassen werden in diesem Jahr rund 40 Absolventen ihre Arbeiten in der Eingangshalle und in der Quergalerie ausstellen. Welche Werke genau gezeigt werden, entscheidet sich meist erst kurz vor Beginn des Rundgangs. "Alle haben einen Platz bekommen. Jetzt sind die Studierenden dran", sagt Kilian Seyfried. Videos sind geplant, eine Aktionsperformance soll es geben, zahlreiche Fotografien, überdimensional große Drucke werden an den Wänden hängen. Malerei und Skulpturen werden gezeigt. Eine Konstruktion bereitet Seyfried gleich zu Anfang Kopfzerbrechen. Von einer Studentin wird eine drei Mal drei Meter große geschwungene Holzwand geplant. Auf ihr soll ein Film projiziert werden. Noch weiß Seyfried nicht, ob es mit der Spezialanfertigung klappt.

Seit 15 Jahren organisiert er den Rundgang. "Routine kommt trotzdem nicht auf", sagt er. Jedes Jahr beteiligen sich andere Studierende, in jedem Jahr werden den Besuchern neue Projekte präsentiert und Seyfried neue Herausforderungen. "Die Studierenden beziehen heute viel stärker den Raum mit in ihre künstlerische Arbeit ein", sagt er. Der Ausstellungsort selbst wird zum Kunstobjekt, das künstlerische Werk wirkt nur in Bezug zur Umwelt.

Ilka Schaumberg
Ilka Schaumberg

© privat

"Der Rundgang ist eine Institution. Für viele Besucher hat er längst Tradition", sagt Ausstellungsdesignerin Ilka Schaumberg. Sie organisiert und gestaltet, was bei „designtransfer“ im Foyer der UdK am Einsteinufer gezeigt wird. Seit mehr als 25 Jahren steht das Projekt für die Schnittstelle zwischen Hochschule und Öffentlichkeit, zwischen Lehre und Wirtschaft. Der Rundgang gehört für Schaumberg zu den Höhepunkten des Jahres. In diesem Jahr wird die Ausstellung „wild, connected, printed & additional THINGS“ zu sehen sein. Studierende der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation sowie des Studienganges Industrial Design zeigen dort, welche Bedeutung unterschiedlichste Gegenstände für Menschen haben.

Kombination von Information und Umwelt: Recycelte Regale, Prothesen und Grabbeigaben

"Dabei entsteht eine ungewöhnliche Perspektive", sagt Schaumberg. In der Regel werden diese Studiengänge selten zusammen ausgestellt. Die Objekte scheinen einerseits vertraut. Zugleich verblüffen sie den Betrachter. Die Studierenden haben beispielsweise recycelte Regalelemente in ungewöhnlichen Formaten gestaltet, kreierten Prothesen, und sogar Grabbeigaben sind zu sehen. Im Mittelpunkt steht der Einfluss der Informatik auf die Umwelt. "Die Technik verändert die Art und Weise, wie Dinge produziert werden", sagt Schaumberg. So wurden Kugelschreiber oder Eierstecher am Computer entworfen und per 3D-Druck hergestellt. Bekannte Formen verschwinden, die neue Technik setzt der Fantasie keine Grenzen.

Kilian Seyfried
Kilian Seyfried

© privat

Bei der Ausstellung allein soll es beim Rundgang jedoch nicht bleiben. Den Besuchern werden Filme von Studierenden gezeigt, die sich am Projekt "Fixperts" beteiligt haben. Die Idee kommt aus Großbritannien: Designer erfinden Gegenstände im direkten Kontakt zum Nutzer, um Probleme zu lösen und diese Lösungen online zu teilen, zum Beispiel für Behinderte, alte Menschen, Bedürftige, um ihnen den Alltag zu erleichtern. Das kann der bequeme Griff am Rollstuhl sein oder Hilfen und Kniffe für den Haushalt.

Zurück in der Hardenbergstraße führt Rundgang-Koordinator Seyfried durch die Werkstätten der Universität. Die Lithographen, Siebdrucker, Maler oder Bildhauer arbeiten hier. Es riecht nach Druckerschwärze, feine Papierspäne wirbeln durch die Luft. An kaum einem Raum kommt Seyfried vorbei, ohne eine Frage von Studierenden oder Professoren zu beantworten.

Beim Drucken zuschauen und selbst Hand anlegen

An den drei Tagen im Juli wollen sie alle Einblicke in ihr "Handwerk" gewähren. Und auch kleine Ausstellungen werden in den Werkstätten zu sehen sein. Der Graphiker und Leiter der Lithographie-Werkstatt, Helmut Müller, lässt sich gern beim Drucken über die Schulter schauen. "Gedruckt wird das ganze Wochenende in Schichten", sagt Müller. Hin und wieder dürfen die Besucher sogar selbst Hand anlegen. Manchmal entdeckt so einer sein Talent für den Druck, sagt Müller.

Seyfried kann sich auf den Einsatz der Professoren und der Studierenden verlassen. Vor allem auch dann, wenn sich in den letzten Stunden, bevor die UdK ihre Türen öffnet, Hektik breit macht. "Es kommt schon vor, dass der eine oder andere ein Projekt komplett umwirft", sagt Seyfried. Dafür hat er Verständnis. Schließlich hat er selbst Malerei studiert und weiß, dass die beste Idee oft unverhofft kommt. Außerdem gehören für ihn Dauerstress, Überstunden und ein bisschen Nervenkitzel zu jeder Rundgang-Vorbereitung dazu.

Seyfried versucht, alles möglich zu machen. Selbst als ein Student in einem der vergangenen Jahre vor dem Eingang eine überdimensionale Leuchtstoffröhre aufhängen wollte, tüftelte Seyfried an einer Lösung.

Damals musste er passen: Die Sicherheit der Besucher steht an erster Stelle. Er konnte nicht garantieren, dass die Röhre bei einer unbedachten Bewegung nicht doch in die Menschenmenge knallt. Schließlich fand er gemeinsam mit dem Künstler eine Lösung, die alle zufriedenstellte. "Irgendwie geht es immer", sagt er. Dass das auch für diesen Rundgang zutrifft, davon ist Seyfried überzeugt. Noch bevor er den Satz beendet hat, wartet schon die nächste Anfrage auf ihn.

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