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Wahlplakate von Horst Seehofer und Christian Ude

© dpa

Die Wahlkampfbeobachter (12): Bloß das Wort halten

Ironie findet sich im Wahlkampf eher selten. Und wenn, dann meist unfreiwillig. Vor allem Splitterparteien setzen darauf. Davon gibt es in Bayern abseits der CSU einige, die SPD zum Beispiel. Und die dachte sich, Worthalten ist eine gute Idee.

Ironie, das weiß jeder Journalist, ist gefährlich. Weil es immer einen gibt, der sie falsch versteht. Den Hintersinn nicht begreift. Oder sich veralbert vorkommt. Deshalb kommen die Wahlplakate der großen Parteien in der Regel ironiefrei daher. Die Kanzlerin propagiert „sichere Arbeit“, ohne sich dazu einen Bauhelm aufzusetzen. Die Christsozialen versprechen „ein Herz für die Heimat“, ohne dies als Reaktion auf den Transplantationsskandal zu verkaufen. Und bei der SPD entscheidet jetzt „das Wir“ – ohne jeden Hinweis auf einen Basta-Kanzler, der das für sich noch ganz anders praktizierte.

Wie Wortwitz den Wahlkampf vermasseln kann, lässt sich an den Grünen studieren. Um auf Klimaerwärmung und sauren Regen aufmerksam zu machen, schrieben sie nach dem Mauerfall auf ihre Plakate: „Alle reden von Deutschland. Wir reden vom Wetter.“ Sie scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde.

Auf Ironie setzen vor allem die Kleinen

Andererseits ist Witz und Ironie für Splitterparteien oft die einzige Möglichkeit, sich auch mal bekannt zu machen. Damit sind wir in Bayern, wo neben der CSU bekanntlich kaum was hochkommt. Und wo es Regierende wie der dortige Innenminister schon für ausreichend halten, ihren Wählern „schöne Sommerferien“ zu wünschen, um wieder eine absolute Mehrheit einzufahren. Da stechen die Plakate des SPD-Kandidaten dann doch heraus. Auf ihnen ist ein lächelnder Christian Ude zu sehen, der das Wort „Wort“ in den Händen hält. Vier Buchstaben aus rotem Styropor, nichts weiter. „Ein Ministerpräsident, der Wort hält“, steht darüber. Ein Politikerversprechen, ganz wörtlich genommen. Genauso dargestellt. Und auf diese Weise auch gleich eingelöst.

Für die einen genial, für die andern ein Ärgernis

Ist das nun genial oder ist es Wählerverarschung? Nicht wenige SPD-Sympathisanten zeigten sich erbost. Was dieser Blödsinn solle, schimpften Anhänger auf Facebook. Sie wähle den Ude „trotzdem“, gab eine Dame zu verstehen. Und ein anderer unterstellte den Plakatmachern hinterhältige Strategie. Auf diese Weise, so schrieb er, könne Ude ja „später immer behaupten, Wort gehalten zu haben“.

Auch an Spott hatte der Münchner Oberbürgermeister einiges auszuhalten. Er solle doch „lieber mal die Klappe halten“, bekam er zu hören. Und unter dem Titel „Ude holding things“ präsentierte das Jugendmagazin der „Süddeutschen“ eine Bildersammlung, auf denen der Kandidat noch ganz andere Sachen „hält“. Ein Schläfchen zum Beispiel. Den Ball flach. Sich vor Lachen den Bauch. Oder tatsächlich „das Maul“ – in diesem Fall das weit aufgerissene eines Nilpferds.
Ude selber nimmt das alles mit Humor. „Selten so gelacht“, postete er auf seiner Facebook-Seite. Er finde es „fabelhaft, wie mein Plakat vom Ministerpräsidenten, der Wort hält, durch den Kakao gezogen wird“. Bekanntermaßen ist der Kandidat ja selber ein Spötter. Neben seinem Job im Münchner Rathaus tummelt er sich auch in der Kabarettszene der Stadt. Das Plakat passt also zu ihm. Gleichzeitig transportiert es eine doppelte Botschaft. Die des verlässlichen Politikers. Und die eines unzuverlässigen Gegenübers, der seine politischen Positionen ständig wechselt. Und nichts „gehalten“ hat.

Mit Wortwitz zum Kult

Egal, wie viel davon beim Wähler verfängt: Ihr wichtigstes Ziel haben die Profis der Salzburger Werbeagentur PlatzlZwei erreicht. Im ereignisarmen Wahlkampf 2013 ist Udes Wortwitz in aller Munde. Selbst bei der Bundespressekonferenz war es Thema. Und inzwischen bekommt der Mann damit sogar Kultstatus. Weil so viele Udes „Wort“ anfassen und sich damit fotografieren lassen wollen, ist es mittlerweile bei jedem seiner Wahlkampfauftritte dabei. Das bröselnde Original musste bereits durch Duplikate ersetzt werden – die Buchstaben gibt es nun auch aus unverwüstlichem Plexiglas. In Papierform ziert Udes Worthalterei bereits mehr als 20.000 Plakatwände. Und längst gibt es auch Folgeplakate. Sie zeigen Menschen, denen der Kandidat bereits sein „Wort“ gegeben hat, und die es nun stolz vorzeigen: Schüler und Studenten, Familien, Arbeitnehmer...

Currywurst und Streuselkuchen

Womöglich ist für Ironie im Wahlkampf ja noch nicht alles verloren. In Nordrhein-Westfalen ging die SPD vor einem Jahr mit dem Slogan „Currywurst ist SPD“ in den Wahlkampf – und gewann. Aber deshalb einen Seehofer mit Leberkäs-Brötchen abzulichten, eine Kanzlerin mit aufgespanntem (Rettungs-)Schirm oder die FDP-Oberen mit Gießkännchen fürs Wachstum? Das Äußerste, wozu sich die Wahlstrategen verstiegen, war das Anekdötchen, wonach die Kanzlerin nach dem Geschmack ihres Gatten mit Streuseln auf dem Kuchen spart. Nett, vielleicht auch symbolträchtig. Aber natürlich bar jeder Ironie.

Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier setzt lieber aufs Bewährte. Der CDU-Politiker hält auf seinen Plakaten nicht „Wort“, sondern Frau im Arm. Seine Frau. Beide blicken, von einer Anhöhe aus, in die Weite. Was Weitblick suggerieren könnte, Vision und Tatkraft. Aber genauso gut Weltabgewandtheit, den Blick ins Leere, in den Abgrund. Man weiß ja nie, was dem Wähler beim Plakatbetrachten so einfällt. Unfreiwillig lauert die Ironie überall.

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