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Peer Steinbrück und Christian Ude haben es im Wahlkampf nicht ganz leicht.

© dpa

Die Wahlkampfbeobachter (28): Ude und Steinbrück: Im Wahlkampf gegen sich selbst

Christian Ude und Peer Steinbrück haben im Wahlkampf ein gemeinsames Problem: Sie müssen sich gegen die Parolen von Seehofer und Merkel stellen, obwohl sie selbst am Status Quo einen gewichtigen Anteil haben.

Man habe „ohne giftige Worte und kläffenden Tonfall diskutiert“, resümierte Bayerns SPD-Spitzenkandidat Christian Ude nach seinem TV-Duell mit Ministerpräsident Horst Seehofer selbstzufrieden. Und das, fügte er hinzu, gehöre sich schließlich auch so.
Dumm nur, dass Ude mit dem, was sich aus seiner Sicht so gehört, gegen den amtierenden Platzhirschen keine Schnitte hatte. Und wahrscheinlich auch die Landtagswahl am Wochenende vergeigen wird. Die Honoratiorenrolle gebührt nun mal nicht dem Herausforderer, sondern dem Herausgeforderten. Seehofer macht sich im Wahlkampf als bedächtig-fürsorglicher Landesvater ganz prächtig. Da wirkt es dann fast schon ein bisschen wie Kabarett, wenn sein Gegner ihn beim Langsamsprechen und Bayern-Verherrlichen noch zu übertreffen versucht.

Christian Ude muss das ländliche Ausbluten erklären und gleichzeitig die Stadt loben

Nein, der Fernsehzuschauer erlebte keinen Widersacher, der darauf brennt, die Dauerherrschaft der CSU im Freistaat zu beenden. Er sah einen Kompagnon der Macht, der den anderen zwar gerne attackieren würde, dies aber mit seiner jahrzehntelang eingeübten Amtswürde als Oberbürgermeister und Städtetagspräsident nicht zu vereinbaren weiß. Ude betone, sobald die Scheinwerfer angehen, „jede Silbe, als wäre es die wichtigste aller existierenden Silben“, spottet die „Süddeutsche Zeitung“. Außerdem scheitert der Schwabinger regelmäßig an dem Kunststück, gleichzeitig das Ausbluten ländlicher Regionen zu beklagen und die tolle Entwicklung im Ballungsraum München preisen zu müssen. Ersteres: die Schuld der CSU. Letzteres: das Verdienst der SPD. Schließlich hat Ude im Münchner Rathaus seit 20 Jahren den Hut auf. Und es kann ja nicht angehen, dass man sein Licht unter den Scheffel stellt.

Insofern hat Ude ein ganz ähnliches Problem wie sein Genosse Steinbrück im Bund. Der muss nämlich auch Wahlkampf gegen sich selber machen. Mit dem unbeschwerten Attackieren ist es so eine Sache, wenn einem immer der Peer von damals in die Quere kommt. Wie soll man der Kanzlerin glaubwürdig Sozialabbau vorwerfen, wenn man ihn vor nicht allzu langer Zeit selber nach Kräften betrieben hat? Wie lässt sich Merkels Europapolitik glaubwürdig kritisieren, wenn man sie durch die Zustimmung im Bundestag erst ermöglicht hat?

Plötzlich ist für Steinbrück alles anders

Die SPD plagt sich seit Rot-Grün und ihrem Basta-Kanzler mit einem Hin- und Hergerissensein zwischen Mitmischen und Opponieren. Letzteres ist Mist, wie wir seit Franz Müntefering wissen, doch ersteres fliegt einem, wenn es vorbei ist, auch um die Ohren. Und richtig schlimm wird es, wenn man Kandidaten hat, in denen sich dieser Konflikt personifiziert. Bayerns Ude, der sich nun als Kandidat von dem Großstadt-Lobbyismus distanzieren muss, den er vorher selber betrieben hat. Und Merkels einstiger Finanzminister, der auf Geheiß seiner Partei nun plötzlich alles ganz anders zu sehen hat und angeblich auch sieht. Sehr glaubwürdig.

Kein Dank, nirgends. Da läuft die Mutti der Nation durchs Land und brüstet sich, wie gut es Deutschland geht. Und keiner denkt mehr daran, dass nicht nur die SPD, sondern sogar der Herausforderer ganz persönlich bei den wichtigen Entscheidungen zur Finanzkrise im Maschinenraum saß. Wenn die Genossen das Ergebnis rühmen und an ihren Anteil daran erinnern würden, bekräftigten sie nur die Schönwetter-Wahlparolen der Union, die einen politischen Wechsel für unnötig und riskant erklären. Dann lieber so tun, als wäre alles schlecht und man selber nicht dabei gewesen. Für den Kraftakt der Agenda 2010, die Merkels blühenden Landschaften den Boden bereitet hat, dürfen sich die wahlkämpfenden Genossen schon gar nicht rühmen. Schließlich hat sich die Partei umorientiert. Es geht jetzt um die sozialen Verwerfungen, die daraus entstanden sind. Lob für die SPD-Reform selig gibt es höchstens vom politischen Gegner – wenn er besonders gemein sein will.

Gewählt werden SPD und CDU/CSU, nicht Steinbrück oder Merkel

Wen er denn bloß wählen solle, um wieder eine große Koalition zu bekommen, hat Stefan Raab den SPD-Kandidaten beim TV-Showdown ganz flehentlich gefragt – wo Steinbrück doch erklärtermaßen nicht mehr unter Merkel arbeiten will. Die Medien haben Raab für solches Insistieren im Namen des Volkes nicht nur das bislang verweigerte Adelsprädikat „Politisch ernst zu nehmen“ verliehen, sondern ihn auch gleich zum Sieger des Moderatoren-Contests erklärt. Da stört es wenig, dass Raabs Problem in Wirklichkeit gar keines ist. Gewählt werden vom Volk schließlich nicht Kanzler oder Kanzlerin, sondern ausschließlich Parteien und Abgeordnete, die dann den Regierungschef/die Regierungschefin selber bestimmen. Es wäre interessant zu erfahren, wie vielen Wählern dies überhaupt bewusst ist – bei all den „Duellen“ und Amtsinhaber-Plakaten, auf denen oft nicht mal mehr der Parteiname steht.

Bleibt festzuhalten: Die SPD hat der Union bisher keinen Korb gegeben. Nicht im Bund, noch nicht mal in Bayern. Es waren nur ihre Spitzenkandidaten. Und um die ist es, falls es tatsächlich zu Schwarz-Rot kommt, wegen ihres Nähe-Distanz-Problems zu den Chefs dann auch nicht wirklich schade.

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