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Wie gemalt. Wer in Fürstenberg untertauchen möchte, hat die Qual der Wahl: Es gibt ja so viele Seen rundherum. Lange lag der schöne Ort mit der markanten Kirche im Dornröschenschlaf.

© Fto: TMB, Thomas Rosenthal

Ausflugsserie "Glück am Wasser" (6): Fürstenberg/Havel und Himmelpfort: Eine Stadt mit vielen Ufern

Rein in den Zug und eine Stunde später aussteigen in Fürstenberg an der Havel – die "Wasserstadt" ist der perfekte Ort für Sommerfrischler.

Wer hier Zimmer vermietet, so scheint’s, hat auch Boote im Angebot. Anders funktioniert das nicht in Fürstenberg an der Havel. Der Ort schmückt sich mit dem Beinamen „Wasserstadt“ – mit Fug und Recht.

Kommt man von Berlin aus mit dem Auto an, sieht man erst mal blau. Zur Linken erstreckt sich der Röblinsee, zur Rechten blinkt der kleine Baalensee und gleich dahinter der Schwedtsee. Aber das sind ja nur drei Gewässer von so vielen in der Umgebung. Fürstenberg kann also mit einer 1A-Lage punkten – und lag doch lange im Dornröschenschlaf.

Bis zur Wende war Fürstenberg Garnisonsstadt

„Die russischen Streitkräfte sind erst 1994 abgezogen“, sagt Kerstin Tammer von der örtlichen Touristeninformation. „Hier war ja vieles abgesperrt.“ Fürstenberg hatte sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs zu einer Garnisonsstadt entwickelt: „6000 Einwohner, 30 000 russische Armeeangehörige“, fasst Kerstin Tammer zusammen. Erst allmählich mauserte sich der Ort zum Ausflugsidyll. Und zog Menschen an, die hier etwas Neues wagen wollten.

So wie der Hamburger Michael Wittke. Der 65-Jährige, „vom Herzen her ein Paddler“, hat sich vor rund 16 Jahren in den Ort verguckt. Er kaufte ein leerstehendes Haus und begann nach und nach, angrenzende morsche Lagerhallen zu renovieren und umzubauen. Daraus wurde der Kulturgasthof „Alte Reederei“ mit Pension und Café, direkt an der Havel. Sogar ein kleiner Kinosaal ist integriert. Dort werden an den Wochenenden anspruchsvolle (Öko-)Filme gezeigt.

Im Kulturgasthof wird politischer Denksport betrieben

Wittke ist Fördermitglied bei der Freiwilligen Ortsfeuerwehr und engagiert sich in der Kommunalpolitik. „Wo ich mich wohlfühle, ist meine Heimat, und dort bringe ich mich ein“, sagt er. Ihm geht es auch darum, Tradition zu bewahren. So kann man bei ihm einen Gruppentörn auf der „Concordia“ buchen – ein Nachbau der legendären Kaffenkähne, auf denen früher Baumaterial nach Berlin transportiert wurde.

Wittke hat immer neue Ideen. So finden im Kulturgasthof auch „Denksport- Veranstaltungen“ zu politischen Fragen statt. Zum bedingungslosen Grundeinkommen etwa, zum Flüchtlingsthema und immer wieder auch zur B 96.

Ohne Schnickschnack. Nachbau eines historischen Kaffenkahns – gut für Gruppentörns. Mit diesen Schiffen wurden einst Baumaterialien nach Berlin transportiert.
Ohne Schnickschnack. Nachbau eines historischen Kaffenkahns – gut für Gruppentörns. Mit diesen Schiffen wurden einst Baumaterialien nach Berlin transportiert.

© privat

Diese Bundesstraße führt mitten durch den Ort. 7000 Fahrzeuge passieren ihn täglich, jedes zehnte ist ein Lastwagen. Eine Umgehung ist frühestens für 2030 projektiert, aber noch streitet man sich um die Wegführung. Rechts herum funktioniert es nicht wegen der Gedenkstätte Ravensbrück, links herum würde ein Naturschutzgebiet durchschnitten. Vielleicht lässt wenigstens der Lkw-Verkehr nach, wenn in diesem Sommer auch auf Bundesstraßen eine Maut fällig wird.

Weniger Verkehr könnte vielleicht auch den stockenden Umbau des Barockschlosses zum Hotel beschleunigen. Leider liegt das Gebäude, nur wenig zurückgesetzt, an der B 96. Möchten dort Vier-Sterne-Urlauber wohnen? „Es wäre schon gut, wenn wir hier ein 40-Zimmer- Hotel hätten“, sagt Matthias Paul. Dann könnte Fürstenberg auch mal größere Reisegruppen beherbergen.

Leinen los in Himmelpfort - mit dem Kajak oder Kanu

Paul, Inhaber der Firma Nordlicht Tour & Kanu, lebt von Wassertouristen. „Wir sind praktisch das Tor zur Mecklenburgischen Seenplatte“, sagt er. Im Ortsteil Himmelpfort, fast verwunschen hinter einem ausgedehnten Wald gelegen, verleiht er Kanus, Kajaks und Drachenboote. Mit so einem gleitenden Untersatz können sich Touristen etwa auf dem Stolpsee vergnügen. Knapp vier Kilometer lang und anderthalb Kilometer breit ist er. Die Havel fließt mittendurch. Mittels einer Schleuse kann man zum Haussee und dann über die Woblitz ins uckermärkische Lychen gelangen.

Ein Schiff gefällig? Simone und Thomas Weinreich verchartern Jachten für Törns auf den Fürstenberger Gewässern.
Ein Schiff gefällig? Simone und Thomas Weinreich verchartern Jachten für Törns auf den Fürstenberger Gewässern.

© privat

„Der Wassertourismus nimmt stetig zu“, sagt Paul vergnügt. Auch Anfänger kämen gut zurecht. „Wir bieten ja eine vernünftige Einführung in die Paddeltechnik.“ Wem so ein Kanu nicht geheuer ist, kann zuschauen, wie man als Bootsfahrer durch die Schleuse kommt. „Eine Supersache für Familien mit Kindern“, sagt Paul. Und eine große Spielwiese für die Kleinen gibt’s schließlich auch.

Manche Leute möchten gleich eine ganze Urlaubswoche auf einem schwimmenden Untersatz buchen – und sich an Bord nicht anstrengen. Die könnten dann bei Yachtcharter Weinreich eine Motorjacht chartern. 22 Schiffe sind im Angebot. Einen Führerschein braucht man nicht, nach einer Einweisung dürfen Hobbykapitänin oder Kapitän ans Steuerrad.

Auf den großen Seen findet jeder sein Plätzchen

Die Sache mit dem Schleusen bekämen die meisten ohne Probleme hin, obwohl kaum noch irgendwo ein Schleusenwart darüber wache. „Es gibt Leute, die fahren da mit Bammel rein, aber unbeschadet wieder raus“, erzählt Thomas Weinreich. Es sei ja heute auch viel einfacher als zu DDR-Zeiten. „Da bretterte ganz schnell so viel Wasser rein, dass die Leute Mühe hatten, ihr Boot unter Kontrolle zu halten“, erinnert er sich. Heute dauere die Schleusungs fünf-, sechsmal so lange. Weinreich empfiehlt eine Tour zur Müritz. Wer’s gemütlicher mag, sollte Kurs nehmen auf die Templiner Gewässer.

Frühaufsteher sind an den Schleusen im Vorteil

Wimmelt es in der Sommersaison nicht vor lauter Booten und Schiffen? „Vor den Schleusen ist zu den Spitzenzeiten oft viel los“, sagt Weinreich. Deshalb sei es clever, „antizyklisch zu fahren“. Frühaufsteher sind im Vorteil. „Wer die erste Schleusung um viertel acht anpeilt, hat keine Probleme.“ Im Übrigen sei drangvolle Enge nicht zu befürchten. „Die Seen sind ja Gott sei Dank so groß, dass jeder sein ruhiges Plätzchen findet“, beruhigt Weinreich.

Fünf Radfernwege kreuzen das Stadtgebiet

Sollten Wasserscheue einen Bogen um Fürstenberg machen? Ach was. Die Alternative zum Boot: das Fahrrad. Fünf Fernwege für Pedalisten kreuzen im Ort, darunter die Tour Brandenburg, der Radweg Berlin-Kopenhagen und der Königin- Luise-Radweg. Nachdem die beliebte Monarchin am 19. Juli 1810 in Hohenzieritz bei Neubrandenburg gestorben war, transportierte man die Leiche nach Berlin. In Fürstenberg wurde der Sarg über Nacht auf dem Marktplatz aufgebahrt. Damals stand die beeindruckende Kirche noch nicht dort, in der Pfarrer Eckhart Altemüller sonntags im Durchschnitt rund 50 Gläubige zum Gottesdienst begrüßen kann. Ist der Geistliche in seiner Freizeit auf dem Wasser unterwegs? „Ich besitze ein Faltboot“, sagt er lächelnd. War ja klar.

Mit unserer Serie „Glück am Wasser“ entführen wir Sie zu den sechs schönsten wasserreichen Gebieten der Region.
Zu jeder Folge liegt dem Tagesspiegel eine Ausflugskarte bei, die Sie mit Ihrer Zeitung im Abonnement erhalten oder beim Kauf des Tagesspiegels am Kiosk.

Auf jeder Karte finden Sie zur Orientierung die jeweilige Region mit den schönsten Boots-, Wander- und Radtouren entlang der Seen und Flüsse sowie Tipps zu Sehenswürdigkeiten, Marinas, Picknick- und Badeplätzen. Ergänzt wird alles durch Infos zur Anreise, Übernachtung, Gastronomie und zu Bootsverleihern.

Bereits erschienen:
21. April, die Havelseen
25. April, Kleinseenplatte in Mecklenburg 
28. April, Löcknitz und Unterspree
2. Mai, Anklam und Peenetal
5. Mai, Schwerin und Plau am See

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