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Natürlich aus Holz. Bei der Möbelserie "Split" hat Jasiewicz Kantholz angeschnitten und von Hand gebogen.

© Nicolas Grospierre

Design aus Polen: Mit Kopf und Hand

Designer haben es nicht leicht in Polen. Doch Pawel Jasiewicz hat es geschafft, sich durchzusetzen. Nun versucht er, auch international Fuß zu fassen.

Von Aleksandra Lebedowicz

Seine Karriere begann eher unspektakulär. Er präsentierte keinen Knüller auf der Mailänder Designwoche. Es gab keinen Aufschrei in der Fachpresse. Pawel Jasiewicz gestaltete zunächst medizinische Gerätewagen für einen Hersteller in Swinemünde. Dennoch war diese Zeit eine wichtige Lehre für ihn. Bei gutem Design, sagt er, laufe es schließlich immer auf das Gleiche hinaus: „Man muss das Produkt verstehen“.

Jasiewicz gehört heute zu den etablierten polnischen Designern. Er lebt und arbeitet in Warschau. 2009 gründete er gemeinsam mit drei anderen Gestaltern Kompott – ein multidisziplinäres Designkollektiv. Seit zwei Jahren führt er nun sein eigenes Studio. Der 36-Jährige Pole studierte Industriedesign an der Technischen Universität in Koszalin und an der Buckinghamshire New University in England. In Polen lernte er, seine Ideen in Zeichnungen umzusetzen. In England, was ein Möbel eigentlich ist.

Dabei ist Jasiewicz sicherlich kein Formalist. Schon während des Studiums in Koszalin konnte er sich mit den meisten Fächern kaum anfreunden: zu viel Theorie. Was er vermisste, war eine richtige Werkstatt. Umso begeisterter war er, als er dann 2005 mit einem Stipendium nach Finnland gehen konnte. In dem kleinen Dorf Jurva eröffnete sich ihm eine ganz neue Welt. „Die Schule war top ausgestattet, moderne Werkstätte, Maschinen. Und ich hatte völlig freie Hand“, erinnert sich der Designer. Endlich etwas zum Anfassen, das Resultate lieferte. Fasziniert stürzte er sich in die Arbeit. Und nahm an einem Wettbewerb teil: 20 Stühle und fünf Tische für eine Cafeteria. So entstand „Docking Table“. Ein raffinierter Tisch mit kleiner runder Platte und vier Tabletts. Der Clou: Die Bretter sind mit einem kleinen Schlitz versehen und lassen sich je nach Bedarf bequem abnehmen und anbringen.

Die Faszination für Holz

Solche schlauen Konstruktionen sind typisch für seine Entwürfe. Inspiration findet er, indem er Menschen beobachtet. Wie sie sitzen, wie sie Dinge ablegen. Es kann eine noch so kleine Bewegung sein, „zum Beispiel, wenn jemand eine Zeitung nach dem Lesen spontan hinter den Heizkörper steckt“, erzählt er. Dann sucht er nach einer möglichst einfachen Form. Ohne üppiges Beiwerk, ohne Schnickschnack. Er schöpft aus der Tradition und findet für sie immer wieder neue Ausdrucksformen. Das zeigt sich bei seiner Möbelserie Split. Inspiriert von primitiven Lanzen und alten Skiern, hat Jasiewicz Kantholz angeschnitten und von Hand gebogen. Mithilfe der alten Technik gestaltete er Stühle, einen Tisch, eine Lampe und einen Garderobenständer. Alles anmutige Objekte, die die natürliche Elastizität von Holz widerspiegeln.

Pawel Jasiewicz erhielt 2011 gemeinsam mit Rygalik Studio und Touch Ideas den Red Dot Award.
Pawel Jasiewicz erhielt 2011 gemeinsam mit Rygalik Studio und Touch Ideas den Red Dot Award.

© promo

Den Umgang mit dem Material reflektiert auch sein Tisch „In progress“. Jasiewicz nutzte dafür Holz einer über hundert Jahre alten Esche, die im Tatra-Nationalpark gefällt werden musste. Das Spannende an dem Projekt: Das feuchte Holz verändert sich fortwährend. Es schrumpft, bricht und verformt sich, bevor es gänzlich trocknet. Das ergibt überraschende Effekte. Auch seine neueste Idee, die Tischleuchte Lightbuoy, verblüfft. Auf einem knallgelben Metallgestell baumelt ein schlichter runder Holzschirm und spendet behagliches Licht.

Die Faszination für Holz teilt Jasiewicz gern mit seinen Studenten. An der Kunstakademie in Warschau leitet er im Fachbereich Industriedesign eine Holzwerkstatt. Didaktik habe ihn schon immer gereizt. „Meine Studenten sind mein untrennbares Gewebe“, schmunzelt er. In seiner Werkstatt sollen sie mehr als bloßes Tüfteln lernen. Seine Vision: Eine Art Laboratorium zu schaffen, das den Austausch von Ideen zwischen Designern und Experten aus unterschiedlichen Disziplinen fördert. Dafür baut er Netzwerke auf.

Uns fehlt nichts

Insgesamt ließe sich in Polen immer besser vom Design leben, erzählt Jasiewicz. Die elementaren Bedürfnisse seien gestillt. Der Mittelstand wachse. Und damit das Interesse an schön gestalteten Dingen: „Die Polen achten immer öfter darauf, mit welchen Gegenständen sie sich umgeben und sind bereit, dafür mehr zu bezahlen“. Auch einige polnische Produzenten, darunter Vox, Iker, Noti oder Annika, setzten immer häufiger auf die kreativen Köpfe im eigenem Land. Trotzdem sei es kein leichter Job: „Speziell die Absolventen tun sich schwer, Auftraggeber zu finden“, beklagt Jasiewicz. Wenn sie Glück haben, könnten sie nach dem Studium in kleinen heimischen Möbelfabriken anfangen. Diese scheuten allerdings vor Innovationen zurück. Dabei hätten gerade junge Designer so viele interessante Ideen.

Lightbouy. Schlaue Konstruktionen sind charakteristisch für die Entwürfe von Jasiewicz.
Lightbouy. Schlaue Konstruktionen sind charakteristisch für die Entwürfe von Jasiewicz.

© pracownia jasiewicz

Für das unternehmerische Handeln der Polen hatte der britische Marketingguru Willy Olins einst den Begriff „Creativ Tension“, das heißt kreative Spannung geprägt. Mit dem Slogan lässt sich zweifellos auch die lebhafte Designerszene beschreiben, wie sie heute in Polen existiert. „Wir sind nicht schlechter als unsere internationalen Kollegen. Uns fehlt nichts“, sagt Jasiewicz selbstbewusst. Das müsse jetzt nur noch die Industrie kapieren. Bis dahin bleiben internationale Schauen und Ausstellungen oft die einzige Chance für die polnischen Nachwuchstalente, ein breiteres Publikum auf sich aufmerksam zu machen.

Bis jetzt hat auch Jasiewicz überwiegend für den polnischen Markt gearbeitet. Doch das soll sich bald ändern. Momentan habe er einige Projekte mit renommierten internationalen Labels an der Hand. Welche, könne er noch nicht verraten. Und lässt nur kurz durchblicken: „Ich suche neue Verwendungen für das Material Corian.“ Der edle Mineralwerkstoff habe viele Qualitäten und ließe sich wunderbar formen und fugenfrei mit Holz oder Glas verarbeiten, schwärmt Pawel Jasiewicz. Man darf gespannt sein.

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