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Mariusz Malecki hat ein Auge fürs Detail.

© Joanna Pawłowska

Studio Ziben: Der Erzähler

Mariusz Malecki entwirft aus dem Bauch heraus. In Berlin fand der Designer zu seinem persönlichen Stil. Auch unbekannte deutsche Wörter bringen ihn auf Ideen. Ein Besuch bei studio ziben.

Der Laden in der Danziger Straße war ein Glückstreffer. Mitten im Szeneviertel Prenzlauer Berg, hippe Boutiquen und kleine Bars an jeder Straßenecke. Und dann noch dieser herrliche Betonboden, der so schön mit den Holzmöbeln harmoniert. Mariusz Malecki war angetan – und zog ein. Das war 2009. Seitdem ging es mit seinem Design-Label studio ziben steil bergauf.

Malecki, 38 Jahre alt, wurde in Polen geboren. Er wuchs in Posen auf und studierte Möbeldesign an der dortigen Kunstakademie. Nach Berlin kam er 2007, eigentlich der Liebe wegen. Doch bald verliebte er sich erneut – diesmal in die Stadt. „Dieser eigentümliche Dreck in Kreuzberg, diese urbane Verwahrlosung haben mich einfach hingerissen“, schwärmt der Designer rückblickend.

Damals hat er noch für die polnische Firma Vox Möbel entworfen. Die Zusammenarbeit begann schon während seines Studiums. Doch irgendwann machte ihm die Massenproduktion keinen Spaß mehr – der Druck, die immer neuen Überarbeitungen. Im Nachhinein habe er seine Entwürfe oft kaum noch erkannt, erzählt er. „Ich wollte meine Ideen realisieren. Ohne Kompromisse.“ Deshalb machte er sich selbständig.

Eines Tages fuhr er dann mit seinem Fahrrad an einer Baustelle vorbei. Ein Haufen Sperrmüll türmte sich auf dem Platz: alte Fenster, kaputte Fußbodendielen, Holzreste. Bei diesem Anblick hatte er plötzlich eine geniale Eingebung. Er begann, elegante Vitrinen aus ausgedienten Altbaufenstern zu gestalten. „Windrobe“ wurde geboren. Sein Markenzeichen schlechthin.

„Es ist mein Leben“

Jedes Exemplar ist ein Unikat. Die Korpusse sind mal weiß hochglanzlackiert, mal matt in Grau oder Olivgrün, mit Beinen oder Sockel. Manchmal fügt der Designer auch kleine Schubladen hinzu. Die Glasscheiben haben an den Rändern leichte Gebrauchsspuren, dezente Flecken, Verfärbungen und Kratzer. Malecki lässt sie absichtlich nicht reinigen: „Sie erzählen Geschichten dieser Stadt.“ Das macht den Reiz von „Windrobe“ aus.

Über seinen Beruf sagt Malecki: „Es ist nicht meine Arbeit. Es ist mein Leben.“ Jedes Mal, wenn ein Möbel endlich fertig wird, sei er wie gelähmt vor Freude. Auch der Abschied falle ihm schwer. Dennoch sei sein Studio eigentlich nur „ein Wartezimmer“: „Die Entwürfe warten hier auf ihr richtiges Zuhause“, sagt er liebevoll.

Wenn sein Handy klingelt, springt Malecki sofort auf. „Mein Bruder, etwas in der Werkstatt“, sagt er dann und blickt entschuldigend. Sein jüngerer Bruder ist seine rechte Hand. Der Mann ist gelernter Schreiner und kümmert sich in Polen um die Abwicklung der Aufträge. Dort wird jedes Möbelstück sorgfältig von Hand gefertigt. Die Brüder sind ein eingespieltes Team. Helfer im Studio hat Malecki nicht. Ab und an würden Studenten aus der Berliner Kunstakademie wegen eines Jobs anklopfen. In ihren dicken Bewerbungsmappen liest Malecki dann von 3D-Projekten und all den Grafikprogrammen. „Was soll ich ihnen denn noch beibringen?“, fragt er ein wenig ratlos. Ihm reichen meistens sein Heft und ein Bleistift.

Faible für Staumöbel

Aus alten Fenstern zaubert Mariusz Malecki die zeitlosen Vitrinen „Windrobe“.
Aus alten Fenstern zaubert Mariusz Malecki die zeitlosen Vitrinen „Windrobe“.

© Joanna Pawłowska

Wenn es um Design geht, schätzt Malecki die Arbeiten seiner holländischen Kollegen. Die lernte er noch als Student an der Kunstakademie in Groningen kennen. Dennoch war er irritiert, als ihn eine Journalistin einst den polnischen Piet Van Eek nannte, erzählt er. Gegen strenge Zuordnungen sträuben sich auch seine Kreationen. Er entwirft, wie er sagt, „aus dem Bauch heraus“. Er spielt mit Formen, Materialien und Traditionen. Seine Möbel sind wie Assemblagen. Gefundenes wird mit modernem Design kombiniert. Und umgekehrt: Neue Werkstoffe zitieren vergangene Stilrichtungen.

Dabei hat der Mann ein Faible für Staumöbel. Am liebsten gestaltet er Schränke, Kommoden und kleine, verspielte Regalfächer. Doch in seinem Sortiment finden sich auch formschöne Esstische, schlichte Schreibtische und grazile Beistelltische. Er kreiert Stuhle und einzigartige Hocker mit originellen Jugendstilfliesen, mit Mosaiken aus bunten Holzstücken, oder bezogen mit Stoffstücken von alten Tischdecken, Lederhosen und Gardinen. Letztere nannte er „Vivienne“. Eine augenzwinkernde Anspielung auf die Mode-Rebellin Vivienne Westwood, die Upcycling salonfähig machte.

Durch die Einrichtungsmagazine schwingt momentan Maleckis nostalgischer Schaukelsessel „Yoko“. Sein Gestell ist aus massiver Eiche gearbeitet, darauf ruht eine robuste Polsterung aus Schurwolle in verschiedenen Farben. Ein praktisches Accessoire ist eine pfiffige Zeitschriftentasche hinten an der Lehne.

Der Spind spinnt

Malecki hat eben ein Auge fürs Detail. Seine Möbel wirken charmant, witzig, zuweilen ein wenig bizarr. Doch immer ziehen sie den Betrachter in ihren Bann. Sie überraschen, lassen staunen, manchmal auch schmunzeln. Trotz dieser Unbeschwertheit basiert jedes seiner Projekte auf einer soliden Analyse der Funktionalität. „Ich hasse Dinge, die keinen Nutzwert haben“, sagt Malecki. Sogar das große Fotoplakat mit seiner allerersten „Windrobe“-Vitrine, das in seinem Studio hängt, erfüllt einen klaren Zweck: Es soll den hässlichen Sicherungskasten verdecken.

„Yoko“ verblüfft mit einer Zeitschriftentasche an der Rückenlehne.
„Yoko“ verblüfft mit einer Zeitschriftentasche an der Rückenlehne.

© Joanna Pawłowska

In dieser Hinsicht würden viele Designer den Kopf in den Wolken tragen, meint er. „Sie hegen die naive Vorstellung, bei der Gestaltung eines Produkts das letzte Wort zu haben.“ Dabei sei nicht jede Idee machbar. Man müsse vielmehr immer die praktische Umsetzung und die Produktionskosten im Auge behalten. Dieses strategische Denken hat Malecki von seinem ehemaligen Chef bei Vox gelernt. Vielleicht ist das auch das Geheimnis seines Erfolgs.

An kreativen Einfällen mangelt es dem aufgeweckten Polen nicht. Neulich habe er ein Buch gelesen und wieder mal ein Wort auf Deutsch gelernt: der Spind, erzählt Malecki. Und schon geht es los. Ein einfacher Schrank schwebt ihm vor. Außen klare Linien, sehr simpel, puristisch. „Aber dann geht die Tür auf und innen... der Spind spinnt.“ Nur so eine Idee. Verrückt!

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