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Wald-Impressionen: Ein Astloch passt zum Unikat

Gefärbt, glatt oder doch lieber ganz natürlich: Mit ihren Experimenten mit Holz eröffnen Designer neue Möbelperspektiven. Dabei achten sie streng auf Nachhaltigkeit und plädieren für den Schutz der Tropenwälder.

Wenn man es geschafft hat, nachgemacht zu werden, kann man das als Qualitätsbeweis werten. Das gilt für Doktorarbeiten, Sportschuhe und Uhren ebenso wie für Materialien. Nun ist Holzimitat nichts Neues. Was sich allerdings der Japaner Oki Sato alias Nendo ausgedacht hat, ist doch ein paar Zeilen wert. „Transparent Table“ heißt der Tisch, den er in diesem Jahr der staunenden Öffentlichkeit zeigte. Das „Holz“ bekam dabei eine Eigenschaft, die ihm Mutter Natur nicht zugedacht hatte: Es wurde durchsichtig.

Denn Satos Tisch ist aus Kunststoff. Die Enden jedoch sind zerfranst als wäre die Tischplatte aus verschiedenlangen  Balken, ihre Oberfläche ist gemasert. Die braune Variante wirkt von Weitem wirklich wie Holz und erst beim näheren Hinsehen bemerkt man, dass es sich im Kunststoff handelt. Beim transparenten Tisch ist es umgekehrt. 

Holz oder nicht Holz, lautet also bei Oki Sato die Frage. Bei Riva 1920 stellt sie sich nicht. Hier ist alles massivstes Holz, vom verschlungenen Zweisitzer über die Couchtische bis hin zu dem Schaukelmöbel „Giulia“ für Kinder. Nino Romana gründete die Firma 1920, heute wird sie von seinen Enkelsöhnen Maurizio und Davide Riva in Cantù in der Lombardei weitergeführt.  Das Ziel: Möbel mit einem hohen ästhetischen Wert und einem geringen negativen Einfluss auf die Umwelt. Das wird nicht nur durch den nachwachsenden Rohstoff, sondern auch durch das Recyceln von Holz gewährleistet.

Was wirklich besonders, ja berührend ist, ist der oft roh und unbehandelt wirkende Zustand des Holzes. Jeder Jahresring, jedes Astloch ist willkommen, gerade die kleinen Makel machen die Möbel zu Unikaten. Der ergonomische Schalensessel „Creus“ zum Beispiel ist aus einem einzigen Zedern-Baumstamm gearbeitet. Er bildet ein beschützendes Nest auf einem Fuß aus Edelstahl, in dem man gut und sicher aufgehoben ist. Mehr einer Skulptur als einem Möbel gleicht der „Loveseat“ von Jake Phipps. Es ist aus massivem Zedernholz, das sich auch in diesem Zustand immer noch verändert. Risse können auftreten, Farben können sich verändern. Holz ist kein Material für penible Perfektionisten.

Es sei denn, es wird klein gemahlen und mit zwanzig Prozent Polypropylen vermengt. Dann ergibt der natürliche Rohstoff einen Plastikersatz, der sich in jede denkbare Form bringen lässt und die Umwelt schont. Auf diese Idee ist das englisch-indische Paar Jonathan Levien und Nipa Doshi gekommen. Sie entwarfen für Moroso dem „Impossible Wood Chair“ in verschiedenen Farben. Das filigrane Möbel hat eine runde, einladende Form und etwas Zartes, Zerbrechliches.

Aus der Mode abgekupfert sind die Holz-Patchwork-Möbel, die es auf der Mailänder Möbelmesse gezeigt wurden. „Inlay“ heißt die Wohnzimmer-Schrankwand von dem schwedischen Designerinnen-Trio Front mit dem dreidimensionalen Muster aus verschiedenen Holzarten. Als technische Vorlage für das Möbel von Porro dienten Einlegearbeiten.

Spielerisch sind die Dean und Dan Caten vom Modelabel Dsquared2 an ihre hölzerne Neuinterpretation des „Masters Chair“ für die Ausstellung „Kartell loves Milano“ herangegangen. Der Klassiker des Kunststoffmöbellabels sieht nun aus wie das Werk einer Waldkindergartengruppe, denn die Zwillinge haben einige Ahornäste als Sitzfläche und Gestell zusammen gesteckt,  Herbstlaub bildet die Rückenlehne. Alltagstauglich ist dieser Stuhl gewiss nicht, aber man kann sich vorstellen, wie viel Spaß die beiden beim Entwerfen  gehabt haben.

Exotische Tropenhölzer findet man bei den neuen Holzmöbel-Machern selten. Ihr Ansatz ist es nicht nur schöne, sondern auch umweltverträgliche Möbel aus einem nachwachsenden, ökologischen Rohstoff zu schaffen. Tropenwälder sollen dafür nicht sterben müssen.

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