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Veranstaltung: Das Leben, ein Vierteljahrhundert lang

Nach 25 Jahren ist das Projekt abgeschlossen: Die Dokumentarfilmer Hans-Georg Ullrich und Detlef Gumm präsentieren ihr Langzeitprojekt „Berlin Ecke Bundesplatz“ mit vier neuen Filmen und einem Buch am 25.2. im Tagesspiegel

Und wenn sie damals, vor 25 Jahren, schon gewusst hätten, was wir heute wissen? Wenn sie geahnt hätten, dass die Mauer fällt und Berlin wieder Hauptstadt wird: Hätten sie dann auch ausgerechnet den Bundesplatz für ihr filmisches Langzeitprojekt gewählt?

25 Jahre lang haben die Dokumentarfilmer Hans-Georg Ullrich und Detlef Gumm Menschen begleitet, die rund um den Bundesplatz in Wilmersdorf leben, ob Schornsteinfeger, Witwe, Musiker, Obdachloser, Zugabfertiger oder Anwalt. Haben sie gefilmt, wie sie arbeiten, wählen gehen, ihre Wohnungen renovieren oder in der Muskelbude trainieren. Herausgekommen sind 60 Stunden Filmmaterial, die auf einzigartige Weise das Leben der vergangenen Jahrzehnte dokumentieren, insgesamt 21 Filme.

„Wir haben uns damals ganz bewusst für eine normale, nicht sehr charmante Gegend entschieden“, sagt Hans-Georg Ullrich, 70. „Wir hätten ja auch nach Kreuzberg oder an den Savignyplatz gehen können.“ Stattdessen haben sie sich dort umgeguckt, wo ihr Büro liegt, in der Weimarischen Straße. Eine reine Wohngegend mit vielen Altbauten, einst für Beamte hochgezogen, brutal durchschnitten von Autobahn, Straßentunnel und S-Bahnring. Durch die Glasfront des Filmbüros fällt der Blick auf leichtes Schneetreiben, jederzeit könnte einer der Gefilmten vorbeikommen und sich zu den Filmemachern an den ovalen Marmortisch setzen. „Dieser Tisch hat schon viele Geschichten gehört“, sagt Hans-Georg Ullrich. Und Gumm, 65, erinnert sich: „Anfangs hatten wir die Sorge, dass der Alltag zu langweilig werden könnte. Aber je länger es dauerte, desto interessanter wurde es."

Und nun ist's, nach über 25 Jahren, vorbei. Das Langzeitprojekt „Berlin Ecke Bundesplatz“, gefördert von WDR, RBB und 3sat, endet auf dieser Berlinale mit vier neuen Filmen, die im Bundesplatz-Kino gezeigt werden, einer DVD-Edition mit neun Filmen und einem Buch, in dem die Journalistin Claudia Lenssen Geschichten rund um das Projekt erzählt. Im Mittelpunkt der neuen Filme, die ab dem 19.2. im WDR, 3sat und RBB zu sehen sein werden, stehen die Bäckersfamilie Dahms, der Promi-Anwalt Ülo Salm und die Familien Rehbein und Creutz, von Mitte der achtziger Jahre bis heute. Der Zuschauer sieht die Figuren altern, feiern oder scheitern.

Besonders berührend ist das im Fall der Bäckersfamilie Dahms: In den 80ern führen sie eine passabel laufende Kiezbäckerei, Herr Dahms formt Schrippen im Sekundentakt, Frau Dahms gibt mit ihrem fröhlichen Mutterwitz die Brötchen heraus. Wenn ein Kunde mal sagt, so viel wie sie könnte er nie im Leben arbeiten, lacht sie: „Das mach ich alles mit einer halben Pobacke!“ Dann die Schicksalsschläge: Herr Dahms erkrankt an Kehlkopfkrebs, die Mieten gehen hoch, sie müssen die Bäckerei verkaufen. Frau Dahms pflegt ihren Mann bis zum Tod. Zuletzt sieht man die ehemalige Bäckersfrau zur Berliner Tafel gehen und ausgerechnet Brötchen holen – das Geld reicht vorne und hinten nicht. Das Lachen ist ihr geblieben, aber es ist seltener und scheu geworden. Der Zuschauer bleibt betroffen zurück. Und fragt sich: Wie sähe mein Leben aus, gefilmt, 25 Jahre lang?

Hans-Georg Ullrich, Detlef Gumm und Claudia Lenssen stellen die neuen Filme und das Buch am 25. 2. im Tagesspiegel-Verlagshaus vor. Moderation: Gunda Bartels (Berlin-Ressort). Beginn 19.30 Uhr, Eintritt inkl. Sekt und Snack 12 Euro, Anmeldung siehe Infokasten.

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