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Zeitung im Salon: Die Frau für Krisen, Kriege und Widersprüche

Manchmal zögern die Chefredakteure, bevor sie den Reiseantrag unterschreiben. „Möchtest du da wirklich hinfahren?“ Denn da, wo Ingrid Müller hinfährt, ist es in der Regel gefährlich. Im Salon berichtet sie über ihre Reportage-Reisen nach Pakistan und Afghanistan.

Manchmal zögern die Chefredakteure, bevor sie den Reiseantrag unterschreiben. „Möchtest du da wirklich hinfahren?“ Denn da, wo Ingrid Müller hinfährt, ist es in der Regel gefährlich. Seit sie 1994 in Ruanda die Nachwirkungen des Völkermords recherchierte, hat die Reporterin immer wieder die Krisengebiete der Welt bereist: Sie war in den 90er Jahren mehrfach in Zaire, dem Nachbarland Ruandas, war in Sri Lanka nach dem Tsunami und in Haiti nach dem verheerenden Erdbeben, sie hat in Äthiopien über die Hungersnot und in Kambodscha über den Umgang mit Minenopfern recherchiert. Außerdem war sie in den vergangenen Jahren mehrfach in Afghanistan und Pakistan. „Ein Kollege nennt meinen Arbeitsbereich bedrohliche Reisen: Ich fahre meist dahin, wo’s kracht und kein anderer hinwill.“

Sie sagt das mit einem Lachen, und vielleicht sind es gerade ihre innere Ruhe und der Respekt vor der Situation, die sie bei ihren Reisen schützen. „Ich gehe immer davon aus, dass die meisten Menschen auf der Welt nichts grundsätzlich Böses wollen und dass es nur wenige Verrückte gibt. Die sind allerdings in einigen Regionen der Welt sehr viel gefährlicher als bei uns“, ist ihre Philosophie.

Die ehemalige Politikchefin und inzwischen leitende Redakteurin des Tagesspiegels hat vor allem die Widersprüche und Brüche im Blick: wenn sie etwa auf einem der tiefblauen Band-e-Amir-Seen im afghanischen Hochland plötzlich ein Bötchen mit kitschigem Schwanenhals entdeckt, in dem ebenso tief verschleierte wie fröhliche Frauen sitzen. Oder wenn ein pakistanischer Kollege, der täglich gegen islamistische Extremisten und Taliban wettert, die deutsche Reporterin ohne ihr Wissen ins pakistanische Fernsehen vermittelt – und dann darauf bestehen möchte, dass die Besucherin bitteschön ein Kopftuch tragen möge.

Ingrid Müller war in Afghanistan sowohl allein unterwegs als auch mit deutschem Militär und mit Amerikanern. Ohne schusssichere Weste darf dort niemand in Militärfahrzeugen mitfahren. Ein Tuch hat sie im feinen Wüstensand nicht nur aus Respekt vor den Sitten übergeschlagen, denn „der Staub ist überall, du kannst sonst gar nicht atmen“.

In Pakistan war sie zuletzt im Oktober, zwei Wochen nach den blutigen Aufständen rund um das Mohammed-Video und mitten in der Zeit, als Taliban auf die junge Bloggerin Malala im Swat-Tal schossen. „Es war beeindruckend zu sehen, wie sich der Protest gegen die Taliban formierte. Auch wenn er wegen Sicherheitsbedenken nicht immer draußen auf der Straße stattfand: Für pakistanische Verhältnisse war die Reaktion sehr heftig. Und: Mutige Bürger sind vorangegangen, die Regierung hat sich dem Protest angeschlossen, als sie gemerkt hat, wie groß der Unmut über die Taliban ist.“

Pakistan und Afghanistan sind nach ihrem Eindruck grundverschiedene Länder – auch wenn sie hierzulande gern in einen Topf geworfen werden. „Wir lassen uns zu sehr von Klischees leiten und wissen gar nicht, wie es dort wirklich aussieht“, sagt sie. „Wir haben zu viel Angst.“

Wie reist es sich in diesen Ländern als Frau? „Ich habe fast nie Probleme“, erzählt Ingrid Müller. „Ich muss natürlich ein Gespür für die Situation entwickeln und meine Kleidung anpassen. Aber als Europäerin bin ich dort trotzdem eine Exotin. Oft erwarten auch Männer nicht, dass ich die Regeln einhalte, die sie für die eigenen Frauen aufstellen.“ Ihr Vorteil ist natürlich, dass sie als Frau Einblicke in Lebenswelten erhält, die männlichen Kollegen versperrt bleiben; sie kann oft auch Fotos machen. Im Tagesspiegel-Salon wird sie viele Bilder zeigen und im Gespräch mit Katja Reimann („Seite Drei“) von unerwarteten Begegnungen und engagierten Menschen ebenso wie von schwierigen Situationen berichten.

Und sie wird das eine oder andere Mitbringsel zeigen: eine ganz besondere Burka, die deutsche Soldaten gerne kaufen; und jenes strahlend bunte Kleid, das ihr Paschtunen aus den nicht nur für Ausländer gefährlichen Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan schenkten und das sie einmal aus einer Patsche rettete.

Donnerstag, 17. Januar 2013, Beginn 19 Uhr, Eintritt inkl. Sekt und Snack

12 Euro, Anmeldung siehe Infokasten.Foto: privat

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