zum Hauptinhalt
Marmelade ohne Zucker? Schmeckt nicht, sagt BLL-Chef Minhoff.

© Kai-Uwe Heinrich

Bund für Lebensmittelrecht zur Zuckerdebatte: "Die Nahrungsmittelindustrie nimmt ihre Verantwortung ernst"

Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Bunds für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, sieht beim Gebrauch von Zucker vor allem die Eltern in der Pflicht.

Lassen Sie uns Tacheles reden: Sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind nach Angaben der Kiggs-Studie (Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen) vom Robert-Koch-Institut adipös – das heißt 94 Prozent (!) sind es nicht. Die jüngsten Schuleingangsuntersuchungen zeigen einen Rückgang der Adipositasrate bei den Erstklässlern von durchschnittlich 1,8 Prozent. Klar ist, dass jedes adipöse Kind eins zu viel ist, aber wir müssen bei der Diskussion bei der Realität und den Relationen bleiben. Wollen wir 94 Prozent der Kinder bestrafen mit einer freudlosen Kindheit in Bitterkeit?

Zucker gehört zu einer ausgewogenen Ernährung dazu

Zucker versüßt uns das Leben. In vielen Lebensmitteln ist er natürlicherweise enthalten, zum Beispiel als Fruchtzucker in Obst oder Fruchtsaft, als Milchzucker in Milchprodukten. Und in vielen Lebensmitteln ist er zugesetzt, weil es sie sonst entweder gar nicht geben würde oder sie schlicht und ergreifend nicht schmecken würden. Marmelade ohne Zucker? Geht nicht! Kakao ohne Zucker? Schmeckt nicht! Zucker gehört also zu einer ausgewogenen Ernährung dazu Und ja, auch Süßigkeiten und Erfrischungsgetränke oder Lebensmittel in einer bunten Verpackung mit einer Zeichentrickfigur können Teil einer ausgewogenen Ernährung sein. Es ist ein Teil des Angebots, ein kleiner Teil.

Kinder sollten die Vielfalt von Lebensmitteln genießen

Wollen wir Kindern alles verbieten, wo Zucker drin ist? Was bleibt dann? Nichts Süßes, nur noch Bitteres. So lernen wir den Kleinen möglichst früh, dass Genuss zum Leben nicht dazugehört. Das kann nicht unser Ansinnen sein. Viel mehr sollten wir ihnen lernen, die Vielfalt des Lebensmittelangebots zu genießen – und das soll jeder so machen, wie er oder sie es für sein Kind geeignet hält. Wenn das nur regionale Speisen oder Bio-Lebensmittel sind, dann ist das in Ordnung. Jedem steht frei, das zu kaufen, was er will.

Christoph Minhoff ist Hauptgeschäftsführer des Bunds für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde
Christoph Minhoff ist Hauptgeschäftsführer des Bunds für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde

© promo

Übergewicht hat viele Ursachen

Die freie Entscheidung ist ein wichtiges Gut in unserem Land, das es zu erhalten gilt. Und diese Entscheidung treffen immer noch die Eltern, die mündigen Bürger. Kinder müssen sich ausgewogen ernähren, sie müssen sich bewegen und sie brauchen Zeit für Entspannung. Die Fürsorge tragen die Erziehungsberechtigten. Sie sind es, die einkaufen gehen und darüber entscheiden, was zu Hause gekocht wird. Sie sind die Vorbilder, wenn es darum geht, ob man die Treppe oder den Aufzug nimmt oder mit dem Fahrrad zur Schule fährt statt mit dem Familienauto. Denn das ist der nächste Punkt. Übergewicht hat viele Ursachen, unter anderem auch Genetik, Stress und die mangelnde Bewegung unserer sitzenden Gesellschaft. Die Kiggs-Studie sagt nämlich auch, dass fast drei Viertel der Kinder und Jugendlichen nicht ausreichend körperlich aktiv sind. An einer Stellschraube – Werbung für Lebensmittel – aggressiv und ohne Berücksichtigung auf tatsächliche Effekte zu drehen, bringt uns nachhaltig nicht weiter.

Die Lebensmittelindustrie produziert qualitativ hochwertige Produkte

Wenn es um Lösungen geht, wird oft der vermeintlich einfachste Weg gesucht. Beim Thema Ernährung scheint er für einige Akteure der Zivilgesellschaft gefunden zu sein: Schuldig im Sinne der Anklage ist die Lebensmittelbranche. Wir würden die Kinder verführen und verfetten, weil wir damit Geld verdienen wollen. Dazu kann ich nur sagen – Beim erhobenen Zeigefinger zeigen drei auf einen selbst! Wir stellen qualitativ hochwertige Produkte her, 170 000 an der Zahl, bieten eine Vielfalt für jeden Geschmack und jeden Lebensstil und informieren darüber. Auf den Verpackungen sind Nährwerte und Inhaltsstoffe angegeben, mit Broschüren klären gerade die Fachverbände über die Produkte, für die sie stehen, umfassend auf. Die Hersteller informieren zusätzlich mit ihren Internetseiten, sie arbeiten kontinuierlich an ihren Produkten und sie engagieren sich darüber hinaus in vielen sozialen und gesellschaftlichen Bereichen. Wir nehmen unsere gesellschaftliche Verantwortung ernst und arbeiten konstruktiv und ohne Vorurteile an Lösungen mit, damit die Zahl der 94 Prozent nicht-adipösen Kinder steigt.

Christoph Minhoff ist Hauptgeschäftsführer des Bunds für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false