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Toter Säugling: Betroffenheit reicht nicht

In kürzester Zeit sind in Brandenburg mehrere Fälle der Kindstötung und Vernachlässigung aufgedeckt worden. Warum töten Eltern ihre Kinder? Wie kann diesen Menschen geholfen werden?

Von Sandra Dassler

Ein namenloses Baby in Nauen, der kleine Florian in Frankfurt und noch ein namenloses Neugeborenes in Lübben – drei Mal in zehn Tagen meldete die Polizei den gewaltsamen Tod eines Kindes in Brandenburg. Der Verweis auf einen „statistischen Zufall“ kann nur naive Gemüter beruhigen. Denn die Liste der getöteten Kleinkinder beginnt nicht im Jahr 2008. Im Dezember 2007 erdrosselte laut Staatsanwaltschaft eine 17-Jährige ihr Neugeborenes in Schwarzheide. In Frankfurt spülte im Oktober 2000 eine junge Frau ihr Baby in die Toilette, in Cottbus lag der qualvoll verhungerte Dennis jahrelang in einer Tiefkühltruhe, in Brieskow-Finkenheerd vermoderten die Leichen von neun Babys in Blumenkübeln und, und, und.

Der Hinweis einiger Politiker darauf, dass auch anderswo Kinder umgebracht werden, hilft angesichts dieser grauenvollen Bilanz ebenso wenig weiter wie die nun wieder einmal von allen geäußerte Betroffenheit. Besser wäre, endlich zu handeln, denn die Ursachen sind bekannt: In allen Fällen waren die Mütter sehr jung und mit der Situation, ein Kind zu bekommen oder großzuziehen, überfordert. In allen Fällen gab es offenbar niemanden, den sie um Rat und Hilfe baten. Und in allen Fällen scheint ihnen das Leben ihres Kindes nicht der höchste Wert gewesen zu sein. Oft stammen sie aus sozial schwachen, desolaten Ursprungsfamilien, aber sie kommen auch aus „normalen“ Kreisen. Gemeinsam haben sie aber eines: Die Hilfsangebote der Gesellschaft, die es auch in Brandenburg gibt, erreichten sie nicht. Nicht das Jugendamt, nicht die Paten vom Netzwerk „Gesunde Kinder“, nicht die Möglichkeit von anonymen Geburten, nicht die Betreuungsangebote für junge Mütter.

Deshalb muss schnellstens nach neuen Wegen zu diesen jungen Frauen gesucht werden. In Berlin hat man beispielsweise mit der Hotline Kinderschutz gute Erfahrungen gemacht. Auch der Vorschlag des Frankfurter Oberbürgermeisters Martin Patzelt, ein kommunales Kindergeld zu zahlen, das an regelmäßige Arztbesuche gekoppelt ist, verdient Beachtung. Noch besser wäre freilich, wenn die ärztlichen Untersuchungen der Kinder endlich für alle verbindlich wären und notfalls auch zwangsweise erfolgen würden. Das bewahrt Kleinkinder zumindest vor qualvollem Verhungern über Monate hinweg.

Den Eifer, den die Gesellschaft an den Tag legt, wenn es um die Überführung von Müttern geht, die ihre Kinder töteten, wünscht man sich manchmal bei der Unterstützung von werdenden und gewordenen Müttern. Und dafür könnten alle etwas tun: Verwandte, Freunde, Nachbarn, Arbeitgeber, Behördenmitarbeiter, Politiker. Betroffenheit allein reicht nicht.

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