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Totschlag in Templin: Polizei überwachte Neonazis vergeblich

In der Nacht zu Montag wurde Bernd K. getötet. Von drei jungen Männern, die der rechten Szene zuzuordnen sind. Templin ist als rechtsextreme Hochburg bekannt. Deshalb waren seit November Spezialkräfte in der Stadt präsent - sie konnten die Tat aber nicht verhindern.

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hat die Kritik des Templiner Bürgermeister Ulrich Schoeneich (parteilos) nach dem brutalen Mord an einem 55-Jährigen durch zwei rechtsradikale Schläger zurückgewiesen. Schoeneich hatte wie berichtet behauptet, die Polizei in Templin habe wegen der Bewachung des Ferienhauses von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nicht genügend Kapazitäten für ihre übrigen Aufgaben. Schönbohm wies dagegen darauf hin, dass es vor der Fertigstellung des Hauses der Kanzlerin 45 Polizeibeamte in Templin gegeben habe, danach aber 59. Die Bewachung des Ferienhauses führe also keineswegs zu einer geringeren Polizeipräsenz in Templin und Umgebung.

In der Nacht zu Montag war der 55-Jährige Bernd K. wie berichtet von dem 18-jährigen Sven P. und dem 21-jährigen Christian W. getötet worden. Alle drei waren alkoholisiert. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Neuruppin geht davon aus, dass dem Opfer massive Tritte gegen den Kopf versetzt wurden. Die Todesursache bleibe aber weiterhin unklar. Ob K. aufgrund der Tritte verstarb oder „durch eine anderweitige dumpfe Gewalteinwirkung“, sei noch offen. Nach dem Mord versuchten die mutmaßlichen Täter ihr Opfer anzuzünden, möglicherweise, um Spuren zu beseitigen. Die beiden Beschuldigten schweigen nach Informationen des Tagesspiegels weiter. Christian W. hatte nach der Festnahme gegenüber der Polizei Angaben zur Tat gemacht, danach sagte er nichts mehr. Die Staatsanwaltschaft forscht weiter nach dem möglichen Motiv. Es sei nicht auszuschließen, dass die rechtsextreme Gesinnung der zwei Beschuldigten „die Tat beeinflusst hat“, hieß es. Sven P. hatte in der Tatnacht ein Shirt mit der Abbildung des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß getragen. Beide Beschuldigte standen zur Tatzeit wegen früherer Delikte unter Bewährung.

Schönbohm sagte gestern, „die Polizei allein kann solche erschütternden Taten nicht verhindern“. Der Kampf gegen den Rechtsextremismus sei „ein gesamtgesellschaftliches Problem“. Bei Verfassungsschutz und Polizei sei Templin schon seit längerer Zeit als Stadt mit einer rechten Szene bekannt, erklärte Schönbohm, und „entsprechend haben wir reagiert“.

Tatsächlich wurde im November für den Schutzbereich Uckermark, zu dem Templin gehört, eine Konzeption zur Prävention rechtsextremer Straftaten beschlossen. Laut Sandra Karstädt, Polizeisprecherin in der Uckermark, hätten etwa Streifen mit Hundeführern „schon einige Male einen Gewaltausbruch verhindert“. Auch Spezialkräfte der Polizei wie Mega (Mobile Einsatztrupps gegen Gewalt und Ausländerfeindlichkeit) und Tomeg (Täterorientierte Maßnahmen gegen extremistische Gewalt) seien im Einsatz und zeigten der rechtsradikalen Szene, dass sie beobachtet werde. Bei größeren Veranstaltungen werde der Ausrichter über die Situation unterrichtet und die Empfehlung gegeben, rechtsextrem wirkende Personen gar nicht erst einzulassen. Was nach Angaben von Beobachtern allerdings oft ignoriert wird.

Die rechte Szene in Templin besteht aus kleineren Gruppen und Cliquen, die sich an wenigen Orten in der 17 000-Einwohner-Stadt treffen – am Busbahnhof, in den Parkanlagen am Templiner Stadtsee oder in der Umgebung des „Irish Pub“ mit seinen Supermarktparkplätzen, 300 Meter entfernt von dem Haus, in dem Bernd K. ermordet wurde. Im „Pub“ treffen sich allerdings auch die Punks und Alternativen aus der Umgebung. Entsprechend oft kommt es dort zu Auseinandersetzungen.

Nach Angaben des Vereins „Opferperspektive“ wurden in den vergangenen zwölf Monaten zehn rechte Gewalttaten in Templin registriert – so viele wie sonst nur in Potsdam und Cottbus. Allein im ersten Halbjahr 2008 habe die Polizei 28 politische Straftaten erfasst, fast ausschließlich rechtsextremistisch motivierte.

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