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Brandenburg: Trotz alledem: 99,7 Prozent gegen Potsdam-Center

Auch in der 24.Einwohnerversammlung zum Großprojekt gerät Oberbürgermeister Gramlich unter Druck VON WERNER VAN BEBBER Potsdam.

Auch in der 24.Einwohnerversammlung zum Großprojekt gerät Oberbürgermeister Gramlich unter Druck VON WERNER VAN BEBBER

Potsdam. Am Ende der ersten Einwohnerversammlung zum Potsdam-Center fand eine jener Abstimmungen statt, auf deren Ausgang hundertprozentige Wetten möglich sind: Von rund 200 Potsdamern, die in der Turnhalle der Gesamtschule 38 über das Center geredet und gestritten hatten, stimmten 99,7 Prozent gegen das Projekt, das Oberbürgermeister Horst Gramlich und Baudezernent Detlef Kaminiski drei Stunden lang verteidigt hatten.Für Gramlich und Kaminski war das keine neue Erfahrung: 23 öffentliche Termine zum Potsdam-Center haben beide gemeinsam oder einzeln durchgestanden.Nun erfuhren sie zum 24.Mal, daß die Kritiker des Potsdam-Centers in allen Fraktionen, Gruppen und Schichten zu finden sind. Da waren einerseits die fast schon professionellen Verfechter jenes Gegenentwurfes, den der Architekt Günter Vandenhertz produziert hat.Saskia Hüneke von der Aktionsgemeinschaft für ein stadtverträgliches Potsdam-Center verfocht ihre These, daß das parlamentarische Genehmigungsprozedere nicht korrekt verlaufen sei.Ihr sekundierte ein junger Rechtsanwalt, der im Auftrag der Bündnisgrünen die Unterlagen geprüft und "relativ eindeutig" für rechtswidrig befunden hatte."Fünf Rechtsanwälte, zehn Meinungen", hielt Kaminski dagegen - und selbstverständlich habe die Verwaltung ihrerseits "mehrere Kanzleien" mit der Prüfung der Unterlagen beauftragt.Rechtlich sei alles korrekt.Punkt. Doch da waren auch die braven Potsdamer Bürger, deren Beharrlichkeit in der Kritik Kaminski wie Gramlich vielleicht unterschätzt haben.So mancher hat sich wirklich in die Planungsdetails hineingeguckt.Wie es denn um Kosten und Nutzen der Gewerbeflächen stehe, wo doch Potsdam nun nicht Hauptstadt eines gemeinsamen Landes wird, demnächst aber auch den früheren Schloßplatz neu bebauen wolle, fragte einer.Viele andere vermochten die Verkehrsführung mit Entlastungsstraße und Straßenbahn, Bushaltestelle und dann noch einem Park-and-Ride-Platz nicht nachzuvollziehen.Knapp und präzise schlug der Dresdner Verkehrswissenschaftler Siegfried Rüger eine neue Lösung für die S-Bahn-Anbindung vor und wurde prompt in die nächste Bauausschußsitzung eingeladen, um sein Konzept zu erklären.Es zeigte sich, daß die Center-Pläne noch längst nicht so fixiert sind, wie es die Planer gerne hätten. Kalt und kälter wurde es in der Betonturnhalle, doch einem schlohweißen Potsdamer ging das Herz über: Warum, fragte er Gramlich und Kaminski, würden jene Potsdamer nicht ernstgenommen, die ihre Stadt noch immer und trotz allem "lieben"? Warum "bauen Sie gegen die Potsdamer Bevölkerung?" Kühl antwortete Kaminski, daß die Verwaltung "meines Erachtens im Interesse der Potsdamer" das Center verwirklichen will.Ohne Dienstleistungs- und Gewerbeflächen sei ein neuer Bahnhof eben nicht zu haben.Man nutze doch nur eine Brache, um Flächen und Nutzungsarten anbieten zu können, die in der barocken Innenstadt einfach nicht zu haben sind.Am Ende freilich brachte der PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, ein Befürworter des Potsdam-Centers, zum Ausdruck, was vermutlich auch Kaminski und Gramlich denken: "Daß es kein idealer Bau wird, darüber sind wir uns alle einig".Gerade deshalb wird der Streit über das Potsdam-Center weitergehen.Die Kommunalverfassung sieht vor, daß "Vorschläge und Anregungen der Einwohnerversammlung" innerhalb von drei Monaten "von der Gemeindevertretung behandelt werden".Die Stadtverordneten werden sich wohl noch einmal mit dem Für und Wider des Milliardenprojekts befassen müssen.

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