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Brandenburg: Überfall auf Ermyas M.: Beschuldigter bleibt in U-Haft

Gericht bestätigt Staatsanwälte und lehnt Beschwerde von Björn L. ab Mann, der sich der Attacke bezichtigt, wird in der Schweiz vernommen

Von Sandra Dassler

Potsdam - Björn L. bleibt weiter in Haft. Gegen den 29-jährigen Hauptverdächtigen des Überfalls auf den Deutsch- Äthiopier Ermyas M. am Ostersonntag besteht nach wie vor dringender Tatverdacht. Das entschied gestern das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) nach mehrstündiger Beratung der Haftbeschwerde.

Der Erste Strafsenat des OLG bestätigte damit eine Entscheidung des Potsdamer Landgerichts vom Juni. Zur Begründung hieß es, sowohl der Haftgrund der Flucht- wie auch der Verdunklungsgefahr bestehe fort. An dieser Einschätzung ändere auch nichts, dass sich – wie berichtet – neuerdings der Schweizer Marco Sch. der Tat bezichtigt. Dieser angebliche Täter sei noch nicht befragt worden, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts.

Nach Informationen des Tagesspiegels ist Marco Sch. gestern aber von der Staatsanwaltschaft Luzern vernommen worden. Dabei sollen sich Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit verstärkt haben. Unter anderem stellte sich heraus, dass er nicht – wie behauptet – in Potsdam geboren wurde, sondern in der Schweiz. Die Vernehmung soll heute fortgesetzt werden.

Marco Sch. hatte sich Ende Mai beim damaligen Anwalt von Björn L. gemeldet und behauptet, der Täter zu sein. Der Potsdamer Staatsanwaltschaft war dies am 31. Mai mitgeteilt worden. Erst Mitte Juli hatte die Behörde ein Rechtshilfeersuchen an die Schweiz gerichtet. Zunächst hieß es, dass Marco Sch. erst nächste Woche vernommen werden sollte. Möglicherweise wurde die Anhörung nun aufgrund der umfangreichen Berichterstattung in den Medien vorgezogen.

Der 27-jährige Schweizer hatte behauptet, über Ostern mit seiner Frau und zwei Freunden in der brandenburgischen Landeshauptstadt gewesen zu sein. Dabei sei es zum Zusammenstoß mit Ermyas M. gekommen. Weil er in der Karibik einmal von Farbigen zusammengeschlagen worden sei, habe er eine Wut auf Dunkelhäutige, erzählte Marco Sch. Er gehöre der Schweizer Neonazi-Szene an und habe für rechtsextreme Bands gesungen. Außerdem würden gegen ihn Ermittlungsverfahren laufen.

Die Angaben des Schweizers widersprechen sich in vielen Details. Die Schweizer Behörden führen keine Ermittlungsverfahren gegen ihn, bei der Polizei ist er nie als Rechtsextremist in Erscheinung getreten. In der Schweizer Antifa-Szene hieß es hingegen, Marco Sch. sei als Neonazi bekannt. Dafür spricht die Tatsache, dass sich der 27-Jährige vom Hamburger Anwalt Jürgen Rieger vertreten lässt. Dieser gilt selbst als eingefleischter Rechtsextremist. Er verteidigte unter anderem den Holocaust-Leugner Ernst Zündel sowie Horst Mahler und Michael Kühnen. Rieger hat erklärt, er halte Marco Sch. im Zusammenhang mit dem Überfall auf Ermyas M. für unschuldig – Kenner der rechten Szene schließen jedoch nicht aus, dass der gewiefte Anwalt nicht ganz unbeteiligt an der „überraschenden Wendung im Fall Ermyas M.“ ist.

„Alle Beteiligten – auch Herr Rieger – kennen die Gesetze der Medien“, sagt der Berliner Journalist und Rechtsextremismus-Experte Burkhard Schröder: „Solche Überraschungsmomente bringen der rechten Szene unverhoffte Publicity, Herrn Rieger neue Klienten und den bisherigen Verdächtigen die Chance, aus der Untersuchungshaft freizukommen.“

Zumindest Letzteres ist gestern nicht gelungen. Björn L. bleibt in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg/Havel – auch weil das Gericht von einer zu erwartenden hohen Haftstrafe ausgeht. Der Anwalt von Björn L., Matthias Schöneburg, kann das nicht nachvollziehen: „Aus dem meinem Mandanten zunächst vorgeworfenen Mordversuch mit rassistischem Hintergrund ist eine gefährliche Körperverletzung geworden“, sagt er. „Nach den bisherigen Ermittlungen war es ein Faustschlag, der für das Opfer allerdings bedauerlicherweise verheerende Folgen hatte. Ich halte es aber nicht für ausgeschlossen, dass der Täter – mein Mandant hat ja bislang jede Beteiligung bestritten – mit einer Bewährungsstrafe davonkommt.“

Die Potsdamer Staatsanwaltschaft fühlt sich durch das Urteil des Oberlandesgerichts bestätigt. Sie hatte angesichts des Schweizer „Überraschungstäters“ stets betont, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die beiden bisherigen Tatverdächtigen, Björn L. und Thomas M., unschuldig seien. Auch den in den vergangenen Tagen erhobenen Vorwurf der Behördenschlamperei hätten die Richter mit der Begründung entkräftet, das Ermittlungsverfahren sei bisher mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung geführt worden.

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