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Brandenburg: Unselige Opfer-Debatte

Michael Mara

Der Streit dauert bereits Jahre – und je länger er geht, um so unsachlicher und unerträglicher wird er. Es geht um die Frage, ob der überwiegend unschuldigen Opfer des „Speziallagers Nr. 7“, das von der sowjetischen Siegermacht 1945 im gerade befreiten KZ Sachsenhausen eingerichtet wurde, angemessen gedacht wird? Die Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen 1945-1950 e.V. bestreitet das als Vertretung der einstigen Häftlinge seit langem. Sie sieht sich durch einen Zeitungsbericht bestätigt, in dem es heißt, Gedenkstätten-Direktor Günter Morsch beobachte mit Sorge Bestrebungen, Speziallager-Häftlinge „aufzuwerten“ und KZ-Opfer „abzuwerten“. Für ihn seien die Opfer des Stalinismus nur „Opfer 2. Klasse“, kontert die Häftlings-Vertretung. Der Streit ist eskaliert, weil Morsch eine Unterlassungserklärung angestrengt hat.

Natürlich hat Morsch das Recht, seinen Ruf zu verteidigen. Aber es stellt sich die Frage, ob er gut beraten war, juristisch gegen die Häftlings-Vertretung vorzugehen. Selbst wenn er, wie bereits einmal geschehen, vor Gericht recht bekommt, ist das eigentliche Problem nicht gelöst, eher dürften sich die Fronten weiter verhärten. Aber auch der Häftlings-Vertretung ist bei allem Respekt für ihr Anliegen Mäßigung anzuraten. Die Attacken auf Morsch führen nicht weiter. Ebenso bedenklich ist es, wenn – wie auf einem Forum zu den Speziallagern geschehen – andersdenkende einstige Häftlinge niedergeschrien werden. Dies schadet dem Anliegen, angemessen an die 12 000 Toten des Speziallagers 7 zu erinnern.

Was jetzt dringend nottut, ist eine Versachlichung der unseligen Debatte um „Opfer erster und zweiter Klasse“. Kulturministerin Johanna Wanka, auch Stiftungsratsvorsitzende, hat Sonntag erklärt, zwischen beiden Seiten vermitteln zu wollen. Am 28. August soll es ein erstes Gespräch geben. Morsch lässt die Unterlassungserklärung bis dahin ruhen. Eine Annäherung allein wird nicht reichen: Die Aufarbeitung der Geschichte der Speziallager muss forciert werden. Und man sollte aufhören, das Leid der KZ-Opfer gegen das der Stalinismus-Opfer aufwiegen zu wollen.

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