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Brandenburg: Urteil gegen Dennis’ Eltern: Dreizehn und elf Jahre Haft

Im zweiten Verfahren um den toten Jungen in der Tiefkühltruhe wurde das Strafmaß reduziert – dies war die Vorgabe des Bundesgerichtshofes

Von Sandra Dassler

Cottbus - Am Ende der Verhandlung schienen die beiden Menschen auf der Anklagebank zu einer Person zu verschmelzen. Eng aneinandergelehnt nahmen Angelika und Falk B. das Urteil des Cottbuser Landgerichts entgegen: Wegen Totschlags ihres Sohnes Dennis in Tateinheit mit Misshandlung Schutzbefohlener verurteilte das Gericht Angelika B. zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren. Ihr Ehemann muss für elf Jahre ins Gefängnis.

Die Richter der 2. Großen Strafkammer begründeten das Urteil damit, dass die beiden Cottbuser ihren Sohn Dennis über Jahre hinweg misshandelt und vernachlässigt haben und ihn schließlich verhungern ließen. Als Dennis im Dezember 2001 starb, wog der Sechsjährige nur noch fünf Kilo. Seine Leiche hatte die heute 46-jährige Mutter zweieinhalb Jahre lang in der Tiefkühltruhe ihrer Wohnung versteckt.

Angelika und Falk B. waren bereits im Februar 2006 wegen Mordes durch Unterlassen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die 1. Große Strafkammer in Cottbus hatte es damals als erwiesen angesehen, dass Angelika und Falk B. ihren 1995 geborenen Sohn qualvoll an Schwäche und extremer Auszehrung sterben ließen. Weil sie keine Hilfe holten, obwohl sie erkannten, dass Dennis immer schwächer wurde, sah das Gericht das Mordmerkmal der Grausamkeit erfüllt.

Der Bundesgerichtshof folgte dieser Auffassung aber nicht und hob das Urteil im März dieses Jahres hinsichtlich des Mordvorwurfs auf. Nach Ansicht der Bundesrichter ist nicht auszuschließen, dass die Eltern ihr Kind aus „Gedanken- und Hilflosigkeit“ heraus verhungern ließen. Außerdem sei der Junge durch die jahrelange Mangelernährung so geschwächt gewesen, dass er gar keinen Hunger mehr verspürt habe. Deshalb sei das Mordmerkmal der Grausamkeit nicht gegeben.

Daher verhandelte die 2. Große Strafkammer am vergangenen Freitag und gestern noch einmal über den „Fall Dennis“. Stefan Fiedler, der Vorsitzende Richter, ging in seiner Urteilsbegründung noch einmal auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ein: „Der juristische Begriff der Grausamkeit ist ein anderer als der im normalen Sprachgebrauch.“ Dass die Kammer bei der jetzt neu festzulegenden Höhe der Strafe im oberen Bereich blieb – auf Totschlag stehen maximal 15 Jahre – begründete der Richter mit Dennis’ Leidenszeit. „Die Eltern haben über längere Zeit zugeschaut, wie ihr Kind verhungerte“, sagte er. „Sie haben ihr Kind außerdem mindestens drei Jahre lang immer wieder misshandelt, und sie waren durchaus in der Lage zu erkennen, dass er immer weniger wurde.“ Schließlich habe Angelika B. mehrfach die Hosen des Jungen enger genäht und Falk B. beim Sozialamt kleinere Kleidung für Dennis beantragt.

Staatsanwalt Tobias Pinder hatte für Angelika B. eine Strafe von 14 Jahren und sechs Monaten, für Falk B. 13 Jahre und sechs Monate gefordert. Er sagte nach dem Prozess: „Im Rahmen des vom BGH vorgeschriebenen Strafmaßes ist das heutige Urteil durchaus tat- und schuldangemessen.“ Die Verteidiger der Eltern hatten wesentlich geringere Haftstrafen gefordert, ohne sich genau festzulegen. Sie kündigten an, in Revision zu gehen.

Immer wieder hatten die Verteidiger auf die Mitverantwortung der Behörden hingewiesen. Dennis war 2001 eingeschult worden, ohne dass die vorgeschriebene ärztliche Untersuchung stattfand. Auch als der Junge nicht zum Unterricht erschien, unterließen es die Schulbehörden, nach seinem Verbleib zu forschen. Auch für Richter Fiedler steht das Versagen verschiedener Ämter fest: „Wären die Mitarbeiter ihren Pflichten nachgekommen, hätte der Tod von Dennis verhindert werden können.“ Dies mindere aber nicht die individuelle Schuld der Eltern.

Zu Beginn der Verhandlung hatte sich Angelika B. erstmals zu ihrer Verantwortung bekannt. „Ich habe als Mutter versagt“, ließ sie ihren Verteidiger erklären. Sie sei mit der Versorgung von acht Kindern völlig überfordert gewesen, habe unter Depressionen und Angstzuständen gelitten. „Heute weiß ich, dass ich um Hilfe hätte bitten müssen“, sagte sie unter Tränen. Weil das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, bleiben Angelika und Falk B. zunächst weiter auf freiem Fuß.

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