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© Jens Schierenbeck

Altersvorsorge: Riester ohne Grenzen

Die staatlich geförderte Altersvorsorge muss reformiert werden, doch das Finanzministerium lässt sich Zeit.

Auch im fernen Mallorca hoffen viele Deutsche auf ein schnelles Ende der Koalitionsverhandlungen. Denn jeder Tag, der verstreicht, kostet die deutschen Rentner, die ihrer Heimat den Rücken gekehrt und nach Spanien, Italien oder Griechenland ausgewandert sind, Geld. Zumindest dann, wenn sie eine Riester-Rente kassieren.

MALLORCA-RENTNER

Bislang müssen Riester-Rentner ihre staatlichen Zulagen zurückgeben, wenn sie Deutschland verlassen haben und dem deutschen Fiskus keine Steuern mehr zahlen. Das schränkt die Wahl des Wohnsitzes unzulässigerweise ein, hat kürzlich der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden und den deutschen Gesetzgeber verpflichtet, die Riester-Förderung europatauglich zu machen. Mallorca-Rentner, Pendler, die in Deutschland arbeiten, aber jenseits der deutschen Grenze wohnen und Immobilienbesitzer, die mit dem neuen Wohn-Riester ihr Haus nicht in Berchtesgaden, sondern in Salzburg bauen wollen, können hoffen: Sie alle sollen – anders als heute – künftig in den Genuss der staatlichen Riester-Förderung (siehe Kasten) kommen.

Doch obwohl das Bundesfinanzministerium bereits nach der Urteilsverkündung versprochen hatte, die Entscheidung aus Luxemburg „möglichst zeitnah“ umzusetzen, ist bisher nicht viel passiert. „Wir prüfen noch in aller Ruhe“, heißt es auf Anfrage. So lange nicht klar ist, wer als neuer Finanzminister Peer Steinbrück nachfolgt, ruht die Arbeit an der Riester-Reform. Das hat für den Finanzminister den bequemen Nebeneffekt, dass er Geld spart. Was die Ausweitung der Förderung kosten wird, mag man im Finanzministerium nicht schätzen. Nur eines ist klar: „Das Urteil lässt das System der Riester-Rente grundsätzlich unangetastet“, sagt Sprecher Oliver Heyder-Rentsch. Ob die Riester-Reform noch in diesem Jahr über die Bühne gehen wird, ist ungewiss. Bis dahin müssen Auslandsrentner von jeder Riester-Rentenzahlung 15 Prozent an die Zulagenstelle abgeben, die die staatlichen Zulagen verwaltet.


MEHR VERTRÄGE

Der Staat fördert Riester-Anlagen mit Zulagen und Steuererleichterungen. Die Altersvorsorgebeiträge können bis zu 2100 Euro inklusive Zulagen von der Steuer abgesetzt werden. „Für alle, die noch keine private Vorsorge getroffen haben, ist die Riester-Rente erste Wahl für die Altersvorsorge“, empfiehlt die Stiftung Warentest („Finanztest“ 10/2009). Die Verbraucherschützer haben Riester-Rentenversicherungen getestet. Ihr Fazit: Von 26 klassischen Riester-Rentenpolicen sind 21 „gut“ oder „befriedigend“ (siehe Grafik). Bei „guten“ Verträgen sind die Kunden schon nach zehn Rentenjahren im Plus, ab dem elften Jahr bekommen sie Geld heraus, das sie nicht eingezahlt haben. Obwohl angeblich viele Deutsche laut Postbank-Studie planen, wegen der Wirtschafts- und Finanzkrise ihre Altersvorsorge zu kürzen oder ganz zu kündigen, nehmen Riester-Verträge weiter zu. Im ersten Halbjahr wuchs die Zahl der geförderten Verträge auf 12,6 Millionen, wie das Bundesarbeitsministerium mitteilte. Das sind 400 000 Verträge mehr als Ende 2008. „Die Zahl wird weiter ansteigen“, vermutet Ministeriumssprecher Christian Westhoff, „aber das Wachstum schwächt sich ab.“ Die Verunsicherung durch die Finanzkrise wirkt sich auch auf die Riester-Sparte aus.


WOHN-RIESTER

Hoffnungsträger ist der jüngste Spross aus der Riester-Produktfamilie: der Wohn-Riester. Den gibt es seit November vergangenen Jahres, allmählich spricht sich das neue Instrument unter Bauherren herum. 32 000 neue Antragsteller hätten sich allein im zweiten Quartal für einen Riester-geförderten Bausparvertrag oder ein Riester-Darlehen zur Baufinanzierung entschieden, berichtet das Arbeitsministerium. In den ersten sechs Monaten sind damit rund 66 000 neue Wohn-Riester-Verträge geschlossen worden. Nach Angaben der Bausparkassenverbände kamen im Juli und August noch einmal mehr als 14 000 weitere Verträge hinzu.

Die Bausparkassen, Marktführer im Wohn-Riester-Bereich, sehen große Chancen. „Das Interesse potentieller Bauherren ist groß“, sagt Alexander Nothaft vom Verband der Privaten Bausparkassen. Ende August standen bereits 200 000 vereinbarte, aber noch nicht eingelöste Neuverträge in den Büchern, „zum Jahresende dürfte damit die 300 000er-Marke zumindest in Reichweite liegen“, meint Nothaft. Auch im Osten wächst das Interesse. Bei der Landesbausparkasse Ost, deren Geschäftsgebiet Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und den Ostteil Berlins umfasst, macht der Wohn-Riester inzwischen rund zehn Prozent des Neugeschäfts aus, Tendenz steigend. „Ich bin überzeugt, dass der Geschäftsanteil der Wohn-Riester-Verträge ausbaufähig ist“, meint LBS-Ost-Chef Werner Schäfer. „Wir werden die Menschen noch mehr und besser über die Wohneigentumsförderung informieren.“

„Wohn-Riester ist kompliziert, aber es lohnt sich“, weiß Jörg Sahr, Baufinanzierungsexperte bei „Finanztest“. Die Stiftung Warentest hat die Kosten von Immobiliendarlehen mit und ohne Riester-Förderung verglichen („Finanztest“ 6/2009). Das Ergebnis: Beim Riester-Darlehen können Familien mehr als 50 000 Euro sparen. „Die Riester-Zuschüsse senken die Finanzierungskosten erheblich“, sagt Sahr. Mit den Zulagen kann man den Kredit schneller tilgen, zudem profitieren Bauherren, deren Einkommen oft überdurchschnittlich hoch ist, auch von den Steuersparvorteilen.

Wer erst in Zukunft bauen will, kann einen Wohn-Riester-Bausparvertrag abschließen. Wer aber nicht erst sparen und dann bauen will, sondern sofort loslegen möchte, braucht einen Sofortkredit. Den gibt es entweder als Kombikredit bei einer Bausparkasse oder als Riester-Darlehen von der Bank. Beim Kombikredit werden ein Vorfinanzierungskredit und ein Bausparvertrag kombiniert. Das Darlehen wird nicht getilgt, statt der Tilgung schließt man einen Riester-geförderten Bausparvertrag ab. Das Riester-Darlehen von der Bank ist dagegen ein ganz normaler Baukredit, der direkt getilgt wird. Von einem herkömmlichen Darlehen unterscheidet sich der Kredit nur durch die staatliche Förderung.

Bisher überlassen die Banken beim Wohn-Riester weitgehend den Bausparkassen das Feld. Riester-Darlehen gibt es bundesweit bei der Allianz und der Postbank, sonst sind nur noch kleinere Anbieter im Spiel. „Viele günstige Banken bieten bislang keine Riester-Darlehen an“, bedauert Sahr. Dennoch sollten Bauherren auch diese Anbieter in einen Vergleich aufnehmen. Zwar seien Riester-Darlehen eigentlich erste Wahl, weiß Sahr, aber nur, so lange die Zinsen nicht deutlich höher sind als bei ungeförderten Darlehen. Die Grenze liegt bei einem Zinsunterschied von 0,5 Prozent effektiv. Wer Hilfe braucht, sollte sich beraten lassen. Die Verbraucherzentralen bieten Bauherren eine Baufinanzierungsberatung an.

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