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Wirtschaft: An Anja Mengel Fachanwältin für Arbeitsrecht

Hitzefrei bei der Arbeit?

Bei den derzeit hochsommerlichen Temperaturen wird es bei uns am Arbeitsplatz so heiß, dass ich kaum noch arbeiten kann. Ich habe gehört, dass im Büro laut einer Arbeitsstättenrichtlinie eine bestimmte Temperatur nicht überschritten werden darf. Wenn das stimmt, kann ich dann hitzefrei bekommen?

Hitzefrei gibt es im Arbeitsverhältnis nach dem Gesetz grundsätzlich nicht, sondern allenfalls in sehr besonderen Ausnahmesituationen oder aufgrund freiwilliger Anordnung des Arbeitgebers. Richtig ist zwar, dass nach Paragraph 3 Absatz 1 Arbeitsstättenverordnung (ArbStättVO) in Verbindung mit Ziffer 3.5 ihres Anhangs in Arbeitsräumen eine gesundheitlich zuträgliche Temperatur bestehen muss, die gemäß der zu der ArbStättVO erlassenen Arbeitsstättenrichtlinie (ASR) in Abhängigkeit von der Art der Arbeit nach Bandbreiten von über plus 12 Grad Celsius bis über plus 20 Grad Celsius variiert.

Konkreter regelt Paragraph 6 ASR zur Höchstgrenze sogar, dass die Lufttemperatur in Arbeitsräumen plus 26 Grad Celsius nicht überschreiten soll. Aber die Temperatur darf nach diesen Regelungen in Ausnahmefällen von darüber liegenden Außentemperaturen – und damit im Sommer häufiger - auch höher als plus 26 Grad Celsius sein. Zwar soll nach der Rechtsprechung auch dann mindestens eine Differenz von sechs Grad Celsius zwischen Außen- und Innentemperatur bestehen, so dass für Arbeitsplätze Höchstgrenzen relativ zur Außentemperatur gelten. Die Arbeitnehmer haben jedoch auch bei Überschreiten dieser absoluten und relativen Temperaturgrenzen an ihrem Arbeitsplatz keinen automatischen Anspruch auf Arbeitsbefreiung, also „hitzefrei“.

Das Überschreiten der Grenzwerte gibt den Arbeitnehmern allerdings das Recht, vom Arbeitgeber Maßnahmen zur Temperatursenkung oder anderweitige Abhilfe zu verlangen. Am besten hilft gegen die Hitze eine technische Maßnahme, die aber regelmäßig unverhältnismäßig teuer ist und auch nicht ausreichend schnell einzusetzen ist, etwa verstärkter Schutz vor Sonneneinfall durch Jalousien oder Markisen, ganz zu Schweigen von besserer Isolierung oder vom Einbau von Klimaanlagen. Schnell und zu erträglicheren Kosten kann aber ein Ventilator oder Abblendfolie für Fenster angeschafft werden.

Ohnehin ist der Arbeitgeber verpflichtet, Fenster der Arbeitsstätte gegen übermäßige, vor allem direkte Sonneneinstrahlung abzuschirmen – unabhängig von den Temperaturgrenzen, also auch im Winter. Ist technisch keine (ausreichende) Abhilfe möglich, muss der Arbeitgeber versuchen, die Hitzebelastung durch organisatorische Maßnahmen, wie zum Beispiel früheren Arbeitsbeginn, verlängerte Pausen mittags, nächtliches Lüften oder Ähnliches zu senken.

Ausnahmsweise dürfen aber Arbeitnehmer wegen zu großer Hitze ihren Arbeitsplatz verlassen, wenn deswegen eine unmittelbare erhebliche Gefahr für sie besteht. Hier ist an gesundheitliche Gefahren von bestimmten Risikogruppen, wie beispielsweise Schwangere oder Arbeitnehmer mit besonderer gesundheitsgefährdender Hitzeempfindlichkeit, aber auch körperlich extrem hart und/oder draußen ohne Sonnenschutz arbeitende Arbeitnehmer zu denken.

Allerdings sollte der Arbeitnehmer auch in diesen Fällen das Verlassen des Arbeitsplatzes in jedem Fall mit dem Vorgesetzten abstimmen. Wer auf eigene Faust wegen Hitze den Arbeitsplatz verlässt und keinen ausreichenden Nachweis einer Gesundheitsgefährdung führen kann, begeht eine Arbeitspflichtverletzung. Dazu kann der Arbeitgeber in jedem Fall eine wirksame Abmahnung aussprechen; weil der Arbeitnehmer vorsätzlich handelt, je nach den Umständen aber auch schon eine verhaltensbedingte Kündigung. Foto: Kai-Uwe Heinrich

An Anja Mengel

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