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Wirtschaft: Auf Hochzeiten wetten

Fusionen und Übernahmen treiben die Aktienkurse – spezielle Zertifikate setzen auf diesen Trend

Gern erinnert sich Karsten L. zurück: „Viel Freude hatte ich mit der Schering-Aktie.“ Er war für knapp über 56 Euro eingestiegen, dann kam im März 2006 das Übernahmeangebot von Merck mit 77 Euro, wenig später bot Bayer 86 Euro und besserte später auf 89 Euro nach – fast 60 Prozent Kursgewinn. Aber der Privatanleger Karsten L. weiß: „Das war ein absoluter Glücksfall, das wird sich so schnell nicht wiederholen.“

Gleichwohl stehen die Chancen gut, dass es im laufenden Jahr zu weiteren Fusionen und Übernahmen – so genannten Merger und Acquisitions (M & A) – kommt, die die Kurse treiben. Bereits 2006 war ein Rekordjahr für M&A: Nach Angaben des Datenanbieters Thomson Financial lag das Volumen der weltweiten Transaktionen bei 2,74 Billionen Euro (3,61 Billionen Dollar) – gegenüber dem Vorjahr ein Wachstum von 30 Prozent. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Deutschlands lag 2005 bei rund 2,25 Billionen Euro. Und auch das laufende Jahr könnte einen neuen Rekord bringen: Der Wert der weltweiten Fusionen und Übernahmen schwoll allein in den ersten drei Monaten des laufenden Börsenjahres auf 1,1 Billionen Dollar an. „Es spricht einiges dafür, dass wir wieder solche Megadeals à la Time Warner und AOL sehen werden“, meint Sven Diermeiers, Analyst bei Independent Research und Verfasser der Studie „Trend M&A – verdienen Sie mit“. Ein Indiz dafür sei die Übernahmeschlacht um ABN Amro (siehe nebenstehenden Artikel) . Aber auch bei den M-Dax und S-Dax-Werten sieht Diermeiers interessante Übernahmekandidaten.

Nur selten haben freilich Kleinanleger die Chance, auf M & A-Szenarien zu spekulieren, da sie meist als Letzte davon erfahren. Mit speziellen Zertifikaten können sie allerdings die Wahrscheinlichkeit erhöhen, doch ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Beispielsweise mit einem Basket-Zertifikat, das Aktien von Unternehmen abbildet, die als Kandidaten für Fusionen und Übernahmen gelten.

Sal. Oppenheim deckt mit einem solchen Papier (siehe Tabelle) derzeit acht Aktien ab, quartalsweise wird die Zusammensetzung neu geordnet. Ebenfalls quartalsweise schlagen die Kosten zu Buche: 0,375 Prozent Managementgebühr müssen Anleger bezahlen, unabhängig von der Kursentwicklung. Hinzu kommt eine „Performance fee“: vom Kursanstieg gehen dann pro Quartal zehn Prozent an den Emittenten. Günstiger ist da das Basket-Zertifikat von HSBC Trinkaus & Burkhardt: Hier beträgt die Managementgebühr 0,81 Prozent pro Jahr, „eine Performance-Gebühr haben wir da nicht“, sagt Heiko Weyand, Zertifikate-Experte bei HSBC, „dafür zahlen wir nur 70 Prozent der Bruttodividende aus“.

Auch Zertifikate, die sich an einem Index orientieren, haben die Banken im Angebot: ABN Amro nimmt den S & P Custom/M&A Europe Index als Basiswert. Auch Société Générale bietet ein Index-Zertifikat an, dessen Managementgebühr 0,85 Prozent pro Jahr beträgt. Die Kosten sind auch ein Grund, warum Funda Tarhan, Expertin für Zertifikate bei ABN Amro, Kleinanlegern eher zu Index- als zu Basket-Zertifikaten rät.

Generell halten die Experten das derzeitige Umfeld für ideal: die Unternehmenskassen sind gefüllt, die Zinsen niedrig, die Börsenbewertung meist noch moderat. Auch die gute Konjunktur spielt eine Rolle: „Mit wachsendem BIP ist oft eine verstärkte M&A-Aktivität zu erkennen, wenn die zu übernehmenden Unternehmen von der Konjunktur profitieren. Denn dann erzielen die Verkäufer einen höheren Preis“, weiß Jürgen Brink, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Merger & Acquisitions. „Die Fusionswelle nahm 2001 Fahrt auf, als die Verkäufe aus Unternehmensbeteiligungen von der Steuer befreit wurden“, sagt Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Und die immer größeren Private-Equity- Fonds tragen die Welle weiter.

Aber warum wird überhaupt fusioniert? „Viele Unternehmen haben ihre Hausaufgaben gut gemacht. Das durch Umstrukturierungen eingesparte Kapital muss nun Rendite bringend angelegt werden“, sagt Sven Diermeier von Independent Research. Zudem haben viele Firmen in ihren Märkten eine kritische Größe erreicht, weiteres Wachstum ist schwierig. „Da müssen neue Märkte erschlossen werden“, erklärt Diermeier.

Dabei ist nicht einmal gesagt, dass Fusionen auch immer ein betriebswirtschaftlicher Erfolg sind: So trennte sich BMW nach Jahren von Rover; ein jüngeres Beispiel ist Daimler-Chrysler. Je nachdem, welche Studie man heranzieht, sollen zwischen 50 und 75 Prozent aller Transaktionen ein Misserfolg sein. „Meist scheitern Fusionen an der Größe des zu übernehmenden Unternehmens, an den kulturellen Unterschieden oder weil erst Monate nach dem Kauf die Risiken realisiert werden“, sagt Experte Brink. Doch das macht dem Aktienkurs meist wenig aus: „Der Käufer ist bereit, einen Übernahmeaufschlag zu bezahlen“, sagt Diermeier. Dieser beträgt im Schnitt zwischen 19 und 29 Prozent. Und wenn mehrere Interessierte um ein Unternehmen werben, kann der Aufschlag noch größer ausfallen – wie bei Karsten L. mit seinen Schering-Aktien.

Maximilian Pisacane

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