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Wirtschaft: Der Knutsch-Schreck

DAS TESTURTEIL 0 Punkte: Hände weg und alle Bekannten warnen, 5 Punkte: Noch mal drüber schlafen, 10 Punkte: Sofort kaufen testet kussechten Lippenstift Ich habe sie alle geküsst. Öffentlich, vor den Augen der anderen, mit rot angepinselten Lippen – aber Spuren habe ich keine hinterlassen.

DAS TESTURTEIL 0 Punkte: Hände weg und alle Bekannten warnen, 5 Punkte: Noch mal drüber schlafen, 10 Punkte: Sofort kaufen

testet kussechten Lippenstift Ich habe sie alle geküsst. Öffentlich, vor den Augen der anderen, mit rot angepinselten Lippen – aber Spuren habe ich keine hinterlassen. Normalerweise ist es ja so, dass Frauen mit angemaltem Mund eine Menge Spuren hinterlassen. Am Weinglas, an der Kaffeetasse oder am Hemdkragen des Liebsten – ein wahres Fest für jeden Fährtenleser. Aber das war vor der Erfindung von „Lipfinity“.

„Lipfinity“, das klingt endgültig. Unabänderlich. Unverrutschbar. Gearbeitet wird mit zwei Schichten. Zuerst muss die flüssige dunkelrote Farbe aufgetragen werden. Ich nehme eine extra dicke Lage. Eine Minute einziehen lassen, dann kommt der farblose Fettstift drauf (sieht so ähnlich aus wie Labello). Fertig. Das kann nicht gut gehen, denke ich, als ich im Spiegel die doch recht üppige Farbschicht auf meinen Mund betrachte. Vorsichtig tupfe ich mit einem Finger auf die Unterlippe und … nichts. Ich werde mutig und wische mir mit dem Handrücken über den Mund. Spätestens das ist der Moment, wo sich der Lippenstift übers Kinn verteilen und ich aussehen müsste, als hätte ich mit einem Vampir zu Abend gegessen. Ist aber nicht, alles picobello.

Mit ausgebreiteten Armen und gespitzten Lippen mache ich mich auf den Weg ins Wohnzimmer. Da sitzt der Mann und liest Zeitung. „Uaah“, macht er als ich mich auf ihn zu bewege. „Geh weg mit dem Zeugs“, sagt er und hält sich die Hand schützend vors Gesicht. „Ich will dich küssen, nicht schlagen“, sage ich. „Du meinst mit roter Farbe vollschmieren“, sagt er. „Die Farbe ist kussfest“, sage ich und rubbel zum Beweis an meinem Lippen. „Das ist doch nur ein fieser Trick“, sagt der Mann. „Nein, ein Test“, sage ich und küsse ihn – zack – mitten auf den Mund. „Siehste, alles sauber“, sage ich glücklich. Der Mann sagt nichts mehr.

Am Abend sind wir auf eine Party gegangen. Ich habe alle Gäste zur Begrüßung auf die Wange geküsst, auch die, die ich vorher nicht gekannt habe. „Deine Frau ist heute aber ganz schön anhänglich“, hat der Gastgeber zu meinem Mann gesagt. „Nein, die testet nur ihren neuen Lippenstift“, hat der ihm erklärt. Der Gastgeber hat ziemlich komisch geguckt, behauptet zumindest mein Mann.

Ich jedenfalls habe mich hervorragend amüsiert: Ich habe Bier getrunken, Bratwürste mit Kartoffelsalat gegessen und viele nette Menschen geküsst, mit meinen unverwüstlich roten Lippen. Nur der Gastgeber, der ist mir an dem Abend irgendwie aus dem Weg gegangen. Am Ende habe ich mich von allen verabschiedet, natürlich mit einem Kuss, nur der Gastgeber, der war nicht aufzutreiben.

Dagmar Rosenfeld

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