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Wirtschaft: Die asiatische Gefahr

Der Börsencrash in China betrifft auch die Anleger in Deutschland. Experten warnen aber vor Panik

Peking/ Berlin - Die angeschlagenen chinesischen Aktienmärkte könnten die Anleger weltweit noch länger in Atem halten. Zwar erholte sich der Composite Index der Börse Schanghai am Mittwoch wieder etwas von den Vortagesverlusten und legte knapp vier Prozent zu. Experten machen aber weitere Risiken aus. „Wir sehen in China für die nächsten vier bis sechs Wochen ein Kurskorrekturpotenzial von zehn bis 20 Prozent“, sagt André Sadowsky, Aktienstratege für Asien bei der Dresdner Bank. Die Kurse seien einfach zu schnell gestiegen. „Die Unternehmensgewinne wachsen zwar weiter sehr solide, das rechtfertigt aber nicht die hohen Bewertungen.“

Am Dienstag war der Index der Börse Schanghai bereits um 8,8 Prozent eingebrochen und hatte rund um den Globus einen Kursrutsch ausgelöst. Am Mittwoch reagierten vor allem die Anleger an den asiatischen Märkten mit Panikverkäufen und verursachten so die größten Kursverluste an einem Tag seit den Terror-Anschlägen vom 11. September 2001. Besonders an der Börse von Singapur, an der viele chinesische Unternehmen notiert sind, brachen die Kurse ein. „China ist der Schuldige. Wir haben eine Menge hier notierter Konzerne aus dem Land und hängen daher von China ab“, sagte ein Händler in Singapur.

Den Kursrutsch in China sehen die meisten Analysten eher als Auslöser einer Kette von nervösen Reaktionen denn als rationalen Grund für einen Crash in Europa. Dresdner-Bank-Mann Sadowsky spricht von einem Faktorenbündel: Neben dem Kurssturz in China hätten auch schwache Konjunkturdaten aus den USA, eine pessimistische Äußerung des ehemaligen amerikanischen Notenbankchefs Alan Greenspan sowie der starke Kurs des japanischen Yen die Anleger verunsichert. „Wenn sich diese Entwicklungen in den kommenden Wochen fortsetzen, wäre dies kein auch guter Cocktail für den deutschen Markt“, sagt Sadowsky.

US-Notenbankchef Ben Bernanke beruhigte die Märkte am Mittwoch mit der Aussage, es gebe derzeit keinen substanziellen Anpassungsbedarf beim Konjunkturausblick für die US-Wirtschaft. Er betonte, dass die Märkte normal und einwandfrei funktionierten. Die Fed beobachte die Entwicklungen genau.

Zumindest in China spricht einiges für eine weitere Abwärtsbewegung. Der Markt gilt als überhitzt. In den vergangenen zwölf Monaten war der Schanghai Composite Index um mehr als 130 Prozent gestiegen. Unter den Chinesen machte sich eine Euphorie breit, wie sie in Deutschland nur zu Zeiten des Neuen Marktes geherrscht hat. Allein 2006 wurden in China 2,7 Millionen Aktiendepots neu angelegt – drei Mal so viel wie 2005. Zeitungen berichteten über Studenten, die ihre Vorlesungen schwänzten, um in den Handelshallen der Wertpapierhäuser mit Aktien zu spekulieren. Die Fernsehsendung „Börse Heute“ war in den vergangenen Monaten eine der populärsten Programme in Shanghai.

Viele Unternehmen versuchten, vom Boom zu profitieren und drängten an die Börse – allein 2006 waren es 137. Staatsfirmen, die vor ein paar Jahren noch als unprofitabel oder bankrott galten, wurden als Börsenstars gefeiert. Manche Kurse verdoppelten sich an nur einem Tag. Dabei ging nicht immer alles mit rechten Dingen zu. „Es wurden Aktien von Unternehmen ausgegeben, die es gar nicht gibt“, sagt China-Experte Sadowsky. Gerüchten zufolge plant die Regierung Maßnahmen gegen diese Manipulationen.

Auch eine Steuer auf Wertpapiergewinne soll in Vorbereitung sein. Zudem rechnen Experten 2007 mit mindestens einer Zinserhöhung. „Diese Gerüchte haben eine Welle ausgelöst in einem Markt, der in den letzten sechs Monaten einen enormen Mittelzufluss verzeichnete“, sagt David Mackenzie, Asienmarktexperte bei der Investmentgesellschaft Schroders. Nun gebe es Raum für weitere Spekulationen.

In Deutschland reagierten die Anleger auch am Mittwoch nervös. Nach knapp drei Prozent Verlust am Vortag büßte der Dax noch einmal 1,5 Prozent ein. „Es zeigt sich eine gesteigerte Nervosität“, sagt Markus Reinwand, Aktienstratege bei der Landesbank Hessen-Thüringen. Er verwies auf die starken Kursschwankungen, die die Anleger erwarteten, warnte aber vor voreiligen Verkäufen. „Die Korrektur war überfällig“, sagte er. Die Anleger sollten den Kursrutsch als Weckruf begreifen, um endlich auch die Risiken wahrzunehmen. „Das ist aber kein Grund, jetzt panikartig zu verkaufen“, sagte Reinwand. Vielmehr sollten die Anleger ihre Aktienengagements langsam verringern und auf defensivere Werte, etwa in der Pharmabranche, setzen.

Auch in China sehen die Experten langfristig Grund zum Optimismus. „Obwohl der Markt volatil ist, glauben wir weiterhin, dass China langfristig attraktiv bleiben wird“, sagt Mackenzie. „Auf Sicht von zwölf Monaten rechnen wir wieder mit Kurssteigerungen in China“, sagt Analyst Sadowsky. Grund für den Optimismus sei die weiterhin gute Konjunktur.

Stefan Kaiser u. Harald Maas

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