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Wirtschaft: Die Datensammler

Mit Kontrollbesuchen und Drohbriefen versucht die GEZ, Gebührenzahler zu gewinnen – auch zur WM

„Was ist Ihre Lieblingsfernsehsendung? Sehen Sie gerne die Tagesschau?“ Wenn ein unauffällig gekleideter Herr vor der Wohnungstür steht und solche Fragen stellt, könnte es ein Gebührenbeauftragter sein. Rund 1800 soll es in Deutschland geben, allein 60 sind für den Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) unterwegs. Ihr Auftrag ist es, neue Rundfunkgebührenzahler zu gewinnen – Teilnehmer, wie sie im Fachjargon der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) genannt werden. Dafür ziehen sie von Haus zu Haus und klingeln überall da, wo noch kein Fernseher oder Radio angemeldet ist. Auch während der Fußball-WM werden die Fahnder fleißig unterwegs sein – um fußballbegeisterte Schwarzseher aufzuspüren.

Vor dem Einschalten ist die Anmeldung bei der GEZ Pflicht. Rund 39 Millionen Haushalte gibt es in Deutschland – aber nur etwa 37 Millionen Fernsehgeräte sind bei der GEZ gemeldet. Die übrigen sind schwarzseherverdächtig. In Berlin ist der Anteil der angemeldeten Haushalte mit 82 Prozent besonders gering. Wer keine Gebühren zahlt, obwohl er eigentlich müsste, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss neben Nachzahlungen auch mit einer Geldbuße von bis zu 1000 Euro rechnen – vorausgesetzt die GEZ weist ihm das Schwarzsehen nach.

Dafür sind die Gebührenbeauftragten zuständig, die für die Landesrundfunkanstalten arbeiten. Dort werden sie als freie Mitarbeiter geführt und zum großen Teil erfolgsabhängig bezahlt. „Je mehr Teilnehmer sie anmelden, desto mehr ist für sie möglich“, sagt Gerald Schermuck, Abteilungsleiter Rundfunkgebühren beim RBB. Entsprechend hoch ist die Motivation, Schwarzseher aufzudecken. Bei den Versuchen, den potenziellen Kunden ein Fernsehgerät nachzuweisen, gehen die Honorarkräfte deshalb schon mal etwas ruppiger zur Sache. „Es gibt Beschwerden“, sagt Schermuck.

Fast 2,5 Millionen Fernseh- und rund drei Millionen Radiogeräte werden pro Jahr bei der GEZ neu registriert. Etwa die Hälfte davon wird nicht angemeldet, sondern „gewonnen“ – entweder durch die Gebührenbeauftragten oder durch Briefe der GEZ. Rund 20 Millionen verschickt sie pro Jahr. Die Adressen erhält die GEZ von Einwohnermeldeämtern und Adresshändlern. Wer an Gewinnspielen teilnimmt oder sich ins Telefonbuch eintragen lässt, muss damit rechnen, auch von der GEZ erfasst zu werden. Besonders begehrt sind Adressen von Fernsehzeitschriften- oder Pay-TV-Abonnenten. Die GEZ vergleicht sie mit ihrenTeilnehmerlisten. Wer nicht als angemeldet oder befreit eingetragen ist, bekommt Post.

Bei Datenschützern stößt diese Praxis auf Kritik. Erst 2005 wurde der entsprechende Passus im neuen Rundfunkgebührenstaatsvertrag geändert, um den umstrittenen Adresseinkauf gesetzlich abzusichern. Die Datenschützer konnte das kaum beruhigen. Die GEZ sammle „jährlich mehrere Millionen Adressen hinter dem Rücken der Betroffenen“, heißt es in einer Erklärung der Datenschutzbeauftragten aus neun Bundesländern. „Es gibt nach wie vor keine Rechtsgrundlage für die Anmietung von Adressen“, sagt Sven Hermerschmidt, Referent bei der Datenschutzbeauftragten des Landes Brandenburg. „Deshalb darf es auch nicht geschehen.“ Berliner und Brandenburger Datenschützer schlagen vor, die Verwendung der Daten einzuschränken und nur zuzulassen, wenn festgestellt werden kann, ob eine Person als Rundfunkteilnehmer angemeldet ist oder nicht. Die GEZ will sich zu den Vorwürfen nicht äußern und verweist auf eine Stellungnahme des Datenschutzbeauftragten beim Südwestrundfunk, Armin Herb, in der dieser die Adressanmietung verteidigt und Landesdatenschützern „Undankbarkeit“ vorwirft.

Die GEZ nutzt die „gemieteten“ Adressen weiter. In einem ersten Brief macht sie darauf aufmerksam, dass Rundfunkgeräte angemeldet werden müssen. Reagieren die Empfänger nicht, folgen in der Regel zwei weitere „Erinnerungsbriefe“. „Die Briefe sind oft so formuliert, dass man als unbefangener Bürger glaubt, man müsse antworten, selbst wenn man keine Rundfunkgeräte hat“, sagt Datenschützer Hermerschmidt. Doch wer sich sicher ist, keine Rundfunkgeräte zu haben, der muss auf die Schreiben nicht reagieren.

Einige Experten raten trotzdem, die Briefe nicht zu ignorieren. „Spätestens auf den dritten sollte man antworten“, sagt der Berliner Anwalt Martin Theben. Allerdings, sagt er, sei es oft schwierig, den richtigen Ansprechpartner zu erreichen. „Die GEZ ist eine der intransparentesten Vereinigungen, die ich kenne.“

Stefan Kaiser

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