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Wirtschaft: Die ewige Reform

Seit Anfang des Monats gelten schon wieder neue Regeln: mehr Geld für den Osten, weniger für die Jungen

In kaum einem anderen Bereich hat es in so kurzer Zeit so viele Veränderungen gegeben wie bei Hartz IV. Die jüngsten Reformen traten zum 1. Juli in Kraft. Sie betreffen vor allem ostdeutsche Empfänger von Arbeitslosengeld II (ALG II) und junge Arbeitslose. Anfang des Monats stimmte der Bundesrat weiteren Änderungen zu, die nach dem so genannten Fortentwicklungsgesetz zum großen Teil ab dem 1. August und – hinsichtlich der Verschärfung von Sanktionen – zum 1. Januar nächsten Jahres gelten.

GIBT ES NOCH UNTERSCHIEDE IN OST UND WEST?

Empfänger von Arbeitslosengeld II erhalten jetzt in den alten und in den neuen Ländern den einheitlichen Regelsatz von monatlich 345 Euro für Alleinstehende und 622 Euro für Paare. Für Jugendliche ab 15 Jahren wird ein Satz von 276 Euro zugrunde gelegt. In Berlin hat sich dadurch nichts geändert, hier erhielten ohnehin alle Langzeitarbeitslosen den Westsatz. Die für die Erhöhung nötige Software-Umstellung hat nach Angaben der Regionaldirektion für Arbeit in Brandenburg pünktlich geklappt, in den anderen Ländern soll es in einzelnen Gemeinden kleinere Probleme gegeben haben.

WIE VIEL GELD ERHALTEN JETZT JUNGE ARBEITSLOSE?

Ob man junge Arbeitslose schlechter stellen darf als ältere, ist in der Politik heftig diskutiert worden. Die Koalition hat sich dennoch dafür entschieden, die Sätze für ALG-II-Empfänger unter 25 Jahren zu senken. Wenn sie nicht verheiratet sind und noch im Haushalt ihrer Eltern leben, erhalten sie künftig nur noch 276 Euro, so viel, wie auch für Minderjährige vorgesehen sind. Bereits seit April dürfen junge ALG-II-Bezieher nicht mehr ohne weiteres eine eigene Wohnung beziehen. Zu viele junge Menschen hatten nach Auffassung der Bundesregierung die Möglichkeit genutzt, auf Kosten des Steuerzahlers selbstständig in einer eigenen Wohnung zu leben. Nun wird die Miete nur noch übernommen, wenn vorher die Zustimmung des Jobcenters eingeholt wurde. Nach einem Urteil des Berliner Sozialgerichts hat das Jobcenter aber eine besondere Beratungspflicht gegenüber den jungen Arbeitslosen. Das Gericht hat bereits einen ablehnenden Bescheid aufgehoben, weil die Behörde dieser Pflicht nicht nachgekommen war.

WER GILT ALS BEDARFSGEMEINSCHAFT?

Bei Partnern, die beispielsweise länger als ein Jahr zusammenleben, gemeinsam wirtschaften oder mit einem gemeinsamen Kind in einem Haushalt leben, gehen die Jobcenter jetzt automatisch davon aus, dass sie eine eheähnliche Gemeinschaft und somit eine Bedarfsgemeinschaft bilden. Die Betroffenen müssen den Nachweis bringen, dass dies nicht der Fall ist. Das Berliner Sozialgericht rechnet mit vermehrten Klagen. Oft sei die Frage für das Gericht nur aufwändig zu klären. Es sei nicht ausschlaggebend, ob jemand eine Beziehung habe, sondern ob die Partner für einander eintreten können. Nach dem Gesetz gilt dies jetzt auch für gleichgeschlechtliche Partnerschaften.

WELCHES VERMÖGEN DARF EIN ALG-II-EMPFÄNGER NOCH HABEN?

Die Freibeträge für Vermögen, das zur Alterssicherung dient, werden vom 1. August dieses Jahres an angehoben: von derzeit 200 auf 250 Euro pro Lebensjahr. Im Gegenzug wird aber das allgemeine Vermögen künftig schneller angerechnet. Hier sinken die Freibeträge von 200 auf 150 Euro.

WELCHE NEUEN PFLICHTEN GIBT ES?

Jeder, der zum ersten Mal einen Antrag auf ALG II stellt und vorher noch keine Leistungen der Arbeitsagentur erhalten hat, soll sofort ein Job- oder Qualifizierungsangebot bekommen. Damit will man überprüfen, ob er überhaupt arbeiten will. Die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg hält es für realistisch, allen Betroffenen ein Sofortangebot zu machen. Allerdings heißt die Neuregelung nicht, dass jeder eine Beschäftigung findet. Selbst ein Ein-Euro-Job oder eine Qualifizierungsmaßnahme wird nicht unbedingt zu haben sein. Oft werden nur mehrwöchige Trainingsmaßnahmen angeboten werden können.

MIT WELCHEN KONTROLLEN MUSS MAN RECHNEN?

Die Überprüfungen, ob Leistungen zu Unrecht bezogen werden, sind künftig strenger. Beispielsweise wird der Datenabgleich zwischen einigen Ämtern vereinfacht und automatisiert. Damit soll Vermögen oder Einkommen aufgespürt werden. Auch wer ein teureres Auto fährt als in seinem Antrag angegeben, muss damit rechnen, dass man ihm auf die Schliche kommt. Die Behörden können im Verdachtsfall Daten mit dem Kraftfahrtbundesamt abgleichen. Außerdem sollen die Jobcenter einen Außendienst einrichten. Diese Kontrolleure arbeiten etwa in den zwölf Berliner Jobcentern bereits seit dem vergangenen Jahr. Die Überprüfung von Vermögen im EU-Ausland ist ebenfalls möglich. Der Bundesrat will sogar einen Schritt weiter gehen und fordert die Bundesregierung auf, die Überprüfung von Konten oder Depots auch auf Länder außerhalb der EU zu erweitern.

WIE SEHEN DIE SANKTIONEN JETZT AUS?

Wer einen Job oder eine Weiterbildung ohne wichtigen Grund ablehnt, muss ab dem 1. Januar 2007 mit drastischeren Einschnitten rechnen. Beim ersten Mal werden wie heute drei Monate lang 30 Prozent des ALG II gekürzt, beim zweiten Verstoß 60 Prozent, und bei der dritten Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres kann die Leistung inklusive der Mietzahlung vorübergehend voll eingestellt werden – bei unter 25-Jährigen sogar bereits beim zweiten Mal.

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