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Wirtschaft: Die fetten Jahre sind vorbei

Falls demnächst dieZinsen steigen, sinken dieKurse vonRentenfonds. DerMarkt preist dasschonheute ein

Gewaltige 24,3 Milliarden Euro haben deutsche Anleger allein in diesem Jahr in Rentenfonds geschaufelt. Doch einem Gutteil von ihnen dürften beim Blick ins Depot nun rote Minuszeichen entgegenleuchten. Denn die Kurse auf den Rentenmärkten sind zuletzt stark eingebrochen, dagegen sind die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen binnen sechs Wochen um 50 Basispunkte gestiegen. Der Bund Future stürzte von seinem Hoch bei 124,60 Prozent im September auf 119,85 Prozent ab – der stärkste Einbruch seit 2003.

Nach mehreren fetten Jahren im Anleihemarkt, in denen die Anleger zusätzlich zum Zinskupon ordentliche Kursgewinne einheimsen konnten, sehen viele Rentenexperten nun eine Trendwende gekommen. „Wer heute konservative Euro-Rentenfonds kauft, darf in den nächsten Jahren keine Renditen über 3 bis 3,5 Prozent pro Jahr erwarten“, warnt Jörg Warncke, Rentenfonds-Manager bei Union Investment. Zumindest kurzfristig müsse der Anleger auch mit Kursverlusten leben können. „Die Zeiten der hohen Renditen sind vorbei“, meint auch Peter Flöck, Leiter der Rentenportfolios bei der Sparkassen-Fondstochter Deka.

Bisher waren die Käufer von Anleihen oder Fonds dank der Rentenrallye mit ordentlichen Wertsteigerungen verwöhnt worden: Im Schnitt hatten Euro-Rentenfonds bis Ende September auf Jahressicht 6,4 Prozent gewonnen, international orientierte Fonds sogar 7,4 Prozent – doch diese Zuwächse sind inzwischen kräftig eingedampft worden. Der größte deutsche Rentenfonds, der dit-Euro Bond Total Return aus dem Hause der Dresdner-Bank-Tochter DIT, verlor binnen Monatsfrist 1,85 Prozent, der Gerling Rendite-Fonds sogar 2,28 Prozent.

Der Grund für den raueren Wind an den Anleihemärkten: Nach jahrelangem Zinstief könnte der Zinszyklus nun kippen. Der Anleihemarkt nehme derzeit einen ersten Zinsschritt der Europäischen Zentralbank (EZB) im Dezember vorweg, erklärt Deka-Experte Flöck. Er selbst rechne mit einer Zinserhöhung um 25 Basispunkte auf 2,25 Prozent.

Die europäischen Notenbanker, allen voran EZB-Chef Jean-Claude Trichet, warnen seit geraumer Zeit vor einer europaweit anziehenden Inflation. Im Oktober lag die Preissteigerung bei 2,5 Prozent, allerdings hauptsächlich verursacht durch die hohen Energie- und Rohstoffpreise. Zudem registriert die EZB eine leichte konjunkturelle Belebung und befürchtet, dass höhere Lohnabschlüsse die Inflation weiter anheizen könnten. „Auch die anstehende Mehrwertsteuer- Erhöhung ist ein großes Problem“, befürchtet Warncke. Schließlich könnte sie die Inflation auf bedenkliche 2,7 bis 2,8 Prozent anheben. Und das würde Trichet zum Handeln zwingen.

Kommt der Zinsschritt, dann wäre es der erste seit 2003 und die erste Erhöhung seit Oktober 2000. Rentenkäufer müssten sich in der Folge auf weiter sinkende Kurse einstellen. „Ein Renditeanstieg auf vier Prozent ist nicht auszuschließen“, meint auch Peter Müller, Herr über 2,5 Milliarden Euro Rentenanlagen bei der Fondsgesellschaft DWS. Für Käufer lang laufender Anleihen würde dies einen Kursverlust von rund 3,5 Prozent bedeuten, womit der diesjährige Zinskupon komplett aufgezehrt wäre. Kollege Warncke sieht sogar eine 15-prozentige Wahrscheinlichkeit für einen Anstieg bis auf 4,25 Prozent. Die Royal Bank of Scotland empfiehlt Kaufwilligen daher, aktuell „die Finger von europäischen Anleihen zu lassen“, um nicht in ein fallendes Messer zu greifen.

Trotzdem: An einen echten Rentencrash glaubt kaum einer der Experten. Anlegern, die zuletzt zu hohen Kursen gekauft haben, rät Union-Experte Warncke, „nicht die Nerven zu verlieren und investiert zu bleiben“. Denn ein scharfer Zinsanstieg sei in der aktuellen konjunkturellen Lage nicht zu erwarten. Zudem sei die Gefahr einer ausufernden Inflation gering. Auch DWS-Manager Müller beruhigt: Dank des Zinseszinseffekts und der Neuanlage der Ausschüttungen auf niedrigerem Niveau würden Kursverluste beispielsweise bei zehnjährigen Renten nach sieben bis acht Jahren neutralisiert. Einig sind sich jedoch alle Rentenexperten in der Auffassung, dass die fetten Zeiten erst einmal vorbei sind, zumal von den Renditen noch Inflation, Depotkosten und Zinssteuern abgezogen werden müssen. Unterm Strich bleibt einem Rentenkäufer in Zukunft wohl kaum mehr als der Kapitalerhalt.

Der Run auf Renten werde sich daher zugunsten von Aktien abschwächen, vermutet Deka-Mann Flöck. Zu Recht: In langfristigen Vergleichen schlagen Aktienfonds ihre Rentengeschwister durchweg. Auf Sicht von zehn bis 30 Jahren lagen Käufer von Aktienfonds vorne. Während Euro-Rentenfonds in den letzten zehn Jahren sechs Prozent jährlich abwarfen, waren es bei internationalen Aktienfonds 8,3. Bei einer Einmalanlage von 10000 Euro hätte ein Renten-Anleger damit unter dem Strich 3960 Euro weniger verdient: Statt 21910 Euro mit Aktien nur 17950 mit Renten.

Veronika Csizi

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