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Wirtschaft: Eine Frage des Preises

Viele Menschen glauben, Anwälte seien unbezahlbar – aber das stimmt nicht/Gebühren sind oft Verhandlungssache

Wenn es um Berührungsängste geht, erzählt Ulrich Schellenberg gern das Beispiel von den Gaststätten: Weil dort die Speisekarte draußen hängt, kann sich jeder vorher in Ruhe überlegen, ob er einkehren möchte oder nicht. Bei Anwälten ist das schwieriger, weiß Schellenberg: „Viele Menschen trauen sich nicht, wieder zu gehen, wenn sie erst einmal dem Anwalt gegenüber sitzen.“ Doch genau das sollten sie tun, wenn sie sich in der Kanzlei nicht gut aufgehoben fühlen, sagt der Vorsitzende des Berliner Anwaltsvereins (BAV): „Haben Sie ruhig den Mut dazu.“

Obwohl sich im Alltag täglich Rechtsfragen stellen, haben viele Menschen Angst davor, einen Anwalt aufzusuchen. Sie lassen sich lieber bei den Verbraucherzentralen, beim Mieterverein oder bei den Gewerkschaften beraten. Doch die Anwälte gehen jetzt in die Offensive: Sie bieten preisgünstige Einstiegsangebote für jedermann (siehe Kasten) , beraten ohne Terminabsprache am Telefon oder übers Internet oder verlegen ihre Büros in Kaufhäuser oder Raststätten. Dabei ist auch der klassische Anwalt, der in seiner Kanzlei Mandanten empfängt und berät, nicht unbezahlbar – auch wenn viele Menschen das glauben. Eine außergerichtliche Erstberatung darf Privatleute höchstens 190 Euro kosten, mehr lässt das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nicht zu. Rechnen die Anwälte nach dem RVG ab, richtet sich die Gebühr nach dem Streitwert. Bis zu einem Streitwert von 300 Euro sind es gerade einmal 25 Euro Gebühren. Und: Es geht auch billiger. Nur ganz umsonst darf ein Anwalt nicht arbeiten. Auch vorher festgelegte Preispauschalen („jeder Mietrechtsfall 20 Euro“) sind unzulässig, hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden. „Die Vergütung muss in einem angemessenen Verhältnis zur Leistung, Verantwortung und Haftung des Anwalts stehen“, sagt die Präsidentin der Berliner Rechtsanwaltskammer, Margarete von Galen. Erlaubt sind dagegen Pauschalen, die nur eine Mindestgebühr festlegen.

Ab dem 1. Juli 2006 fallen die gesetzlichen Gebührenvorgaben für die außergerichtliche Rechtsberatung komplett weg, dann müssen Anwalt und Mandant auf jeden Fall über die Preise sprechen. Doch schon heute sollte derjenige, der einen Anwalt konsultiert, zwei Regeln beherzigen, rät Schellenberg: „Prüfen Sie, ob die Chemie stimmt.“ Fühlen Sie sich beim ersten Kennenlernen unbehaglich, sollten Sie sich einen neuen Berater suchen. Und: „Fragen Sie offen nach den Kosten“. Und das möglichst schnell. Denn merken Sie, dass Ihnen der Anwalt zu teuer ist, bevor er in die eigentliche Beratung eingestiegen ist, bleibt das erste Kontaktgespräch für den Ratsuchenden kostenlos, betont der Vereinsvorsitzende. Bei allem Kostenbewusstsein sollte man aber auch die Qualität nicht aus den Augen lassen, sagt Schellenberg. „Eine Rechtsberatung für 20 Euro ist immer noch zu teuer, wenn der Rat schlecht ist“.

Die Qualität der Rechtsberatung sehen viele Anwälte durch das neue Rechtsdienstleistungsgesetz von SPD-Justizministerin Brigitte Zypries gefährdet. Zwar sollen danach „umfassende Rechtsdienstleistungen“ und die Vertretung vor Gericht weiterhin den Anwälten vorbehalten bleiben, ist der Rechtsrat aber nur eine Nebenleistung, sollen künftig auch andere Berufsgruppen beraten dürfen, heißt es im Entwurf der Ministerin. Beispiel: Bankberater dürften künftig auch über die erbrechtlichen Aspekte von Vermögensanlagen informieren. Eigentlich sollte der Entwurf noch im Sommer ins Kabinett eingebracht und in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden, doch angesichts der Neuwahlen „ist das nicht denkbar“, heißt es im Bundesjustizministerium. Geplant ist jetzt, den Entwurf vor der Wahl zumindest noch in den Bundesrat zu bringen. Dann könnte man das Projekt notfalls später weiterverfolgen, ohne wieder von vorne anfangen zu müssen.

BAV-Chef Schellenberg ist mit dem Zypries-Entwurf „nicht glücklich“ – auch mit Blick auf die Kunden: Sollte eine Kfz-Werkstatt künftig nach einem Unfall auch noch die Abrechnung mit der Versicherung übernehmen, könnte das zu Lasten des Verbrauchers gehen, fürchtet Schellenberg: „Der Anwalt prüft sämtliche Ansprüche, die Sie haben könnten, das kann eine Werkstatt gar nicht.“ Dagegen sieht Kammer-Präsidentin von Galen in dem Entwurf auch Positives. „Viele Juristen werden Anwälte, obwohl sie es gar nicht werden wollten“, gibt die Juristin zu bedenken. Nach dem neuen Gesetz könnten sie neue Tätigkeitsbereiche finden – etwa als Rechtsberater bei einem Architekten oder in einem Autohaus.

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