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Hartz IV: Die Jobcenter greifen härter durch

Wenn Arbeitslose Stellenangebote ausschlagen oder Termine versäumen, werden sie bestraft. Im Vergleich zu den ersten Jahren nach der Einführung von Hartz IV greifen die Jobcenter immer häufiger zu diesen Maßnahmen.

Die Jobcenter verhängen jetzt im Vergleich zu den ersten Jahren nach der Einführung von Hartz IV bedeutend häufiger Sanktionen. Bezieher von Arbeitslosengeld II (ALG II) müssen inzwischen eher damit rechnen, dass ihnen die Leistungen gekürzt werden, wenn sie beispielsweise eine Arbeit nicht annehmen oder gegen andere Pflichten verstoßen. Diese Steigerung ist laut Arbeitsagentur vor allem darauf zurückzuführen, dass die Jobcenter nach den Startschwierigkeiten und den Rechtsunsicherheiten in den ersten Jahren besser arbeiten können.

In Berlin stieg die Zahl der Sanktionen innerhalb von neun Monaten um rund 7300 auf 17 548. Das bedeutet, dass 2,7 Prozent der Hilfeempfänger mindestens einmal vorübergehend weniger Leistungen erhalten haben. Die Berliner Quote liegt genau im Bundesdurchschnitt. Diese ist in den alten Bundesländern mit 2,9 Prozent höher als in den neuen Ländern (2,4 Prozent). Die unterschiedlichen Werte sind nach Auffassung von Arbeitsmarktexperten darauf zurückzuführen, dass in den fünf neuen Ländern den Arbeitslosen weniger Jobs angeboten werden können und es deswegen auch weniger Ablehnungen gibt.

WANN WERDEN SANKTIONEN VERHÄNGT?

Leistungen können erst im Nachhinein, also nach einem Verstoß, gekürzt werden. Für einen Zeitraum von drei Monaten wird der Regelsatz, also die Hilfe zum Lebensunterhalt (347 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt), um zehn Prozent reduziert, wenn beispielsweise Termine im Jobcenter oder beim ärztliche Dienst versäumt werden. Diese Versäumnisse machen auch die meisten geahndeten Verstöße aus. Wer innerhalb eines Jahres erneut einer Meldepflicht nicht nachkommt, der erhält dann 20 Prozent weniger Leistung. Bedeutend höher fallen die Kürzungen bei jemandem aus, der sich nicht an die Eingliederungsvereinbarung hält, sich ohne wichtigen Grund weigert, ein Arbeitsangebot oder einen Ein-Euro-Job anzunehmen oder an einer Weiterbildung teilzunehmen. Der muss dann mit 30 Prozent weniger auskommen. Wiederholt sich ein solcher Verstoß innerhalb eines Jahres, droht eine Kürzung um 60 Prozent. Mietkosten und Heizung werden aber weiter gezahlt. Erst beim dritten Mal kann die Unterstützung komplett gestrichen werden.

WANN KANN MAN EINEN JOB ABLEHNEN?

Dass es zu wenig Geld gibt, reicht als Begründung für eine Ablehnung jedenfalls nicht aus. Tariflohn muss nicht gezahlt werden. Aus finanziellen Gründen unzumutbar ist eine Arbeit nur dann, wenn ein Lohn gegen das Gesetz verstößt oder so niedrig ist, dass er als sittenwidrig gilt. Wenn beispielsweise für eine Branche – etwa auf dem Bau – ein gesetzlicher Mindestlohn vorgeschrieben ist, dann muss dieser gezahlt werden.

Auch ein weiterer Anfahrtsweg zur Arbeitsstelle oder eine Tätigkeit, die nicht der Ausbildung entspricht, werden nicht als Ablehnungsgründe anerkannt. Besondere Gründe können vor allem Eltern kleiner Kinder unter drei Jahren geltend machen, wenn durch die Aufnahme einer Arbeit etwa die Erziehung des Kindes gefährdet werde. Auch wenn man keinen Kitaplatz findet, kann dies anerkannt werden. In Berlin gilt das in der Regel aber nicht, da hier das Netz für Kinderbetreuung dicht ist und es zumindest theoretisch für jedes Kind einen Betreuungsplatz gibt.

WIE SCHLIMM KÖNNEN DIE SANKTIONEN SEIN?

Wenn das ALG II um mindestens 30 Prozent gekürzt wird, können die Jobcenter in besonderen Fällen – vor allem wenn Kinder im Haushalt leben – auch Sachleistungen ausgeben; in der Regel handelt es sich dabei dann um Lebensmittelgutscheine.

GELTEN FÜR JUNGE ARBEITSLOSE ANDERE REGELUNGEN?

Ja. ALG-II-Empfänger, die jünger als 25 Jahre sind, müssen mit wesentlich strengeren Sanktionen rechnen. Wenn sie eine Arbeit oder Weiterbildung ablehnen, wird ihnen der gesamte Regelsatz für drei Monate gestrichen. Dann erhalten sie nur noch die Kosten für die Warmmiete; diese wird aber direkt an den Vermieter bezahlt. Bei einem zweiten derartigen Verstoß erhalten sie für drei Monate überhaupt keine Leistungen mehr. Anders ist es, wenn Termine versäumt werden; da gilt auch bei jungen Arbeitslosen die Kürzung um zunächst zehn Prozent.

WIE WEHRT MAN SICH GEGEN DIE KÜRZUNGEN?

Gegen den Bescheid kann man innerhalb eines Monats schriftlich Widerspruch einlegen. Allerdings müssen Betroffene ein bisschen Geduld mitbringen, bis über ihren Protest entschieden wird. In Berlin liegt die Bearbeitungszeit für Widersprüche bei drei Monaten. Im Vergleich zum Vorjahr stellt dies allerdings schon eine Verbesserung dar. Damals lag der Bearbeitungsrückstand bei sieben Monaten.

Laut Auskunft der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit sind mehr als ein Drittel der Widersprüche erfolgreich. Wer mit einem negativen Widerspruchsbescheid nicht einverstanden ist, kann vor dem Sozialgericht klagen (siehe nebenstehenden Artikel).

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