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Interview: „Wenn ein Vater Zweifel hat, werden Kinder die Distanz spüren“

Der Familienexperte Thomas Meysen über Konflikte der Eltern und das Recht, über die Herkunft Bescheid zu wissen.

Wer heimlich einen Abstammungstest machen lässt, muss bald mit einer Geldbuße rechnen. Wie bewerten Sie das Verbot?

Ich halte es für konsequent. Man kann den familiären Bereich nicht vom allgemeinen Verbot heimlicher Gentests ausklammern. Aber es wird hier differenziert: Innerhalb der Familie ist es nur eine Ordnungswidrigkeit, keine Straftat. Das ist angemessen.

Werden Männer auf Labore im Ausland ausweichen?

Sicher nicht alle. Es wird weiter Fälle geben, in denen ein solcher Test heimlich im Ausland eingeholt wird. Wird das Ergebnis aber publik, dann ist es mit der Heimlichkeit vorbei. Die Ordnungswidrigkeit wird offensichtlich. Was das Vorfeld angeht, kann ich mir nicht vorstellen, dass der Staat sehr viel Energien hineinlegen wird, das Netzwerk des Heimlichen zu durchbrechen.

Bekämen dann die Kritiker recht, die von Anfang an gesagt haben: Heimliche Tests schützen den familiären Frieden und werden besser gar nicht verboten?

Die Vorstellung, dass Heimlichkeit Familien schützt, ist nicht lebensnah. Wir wissen, was passiert, wenn Heimliches plötzlich nicht mehr heimlich ist. Dann bedeutet das Hinter-dem-Rücken eine viel größere Verletzung, als wenn man gleich ehrlich gewesen wäre. Gerade Kinder achten stark darauf, wie Erwachsene sich verhalten. Wenn ein Vater Zweifel hat, werden sie seine Distanz und den inneren Konflikt spüren. Diese unausgesprochenen Dinge in einer Familie können für Kinder sehr belastend sein.

Wie wichtig ist es für die Kinder zu wissen, von wem sie abstammen?

Diese Kenntnis kann gerade in der Pubertät oder in der Zeit danach eine sehr wichtige Rolle spielen. Etwa wenn die Ähnlichkeiten mit Vater oder Geschwistern bezweifelt werden. Dann will ein Kind wissen, zu wem es gehört, und muss die Möglichkeit haben, das zu klären.

Sind die jüngst erlassenen Vorschriften angemessen, mit denen sich Abstammungsverhältnisse in der Familie klären lassen?

Insgesamt ja. Die Gesetzgebung ist der Wissenschaft gefolgt und hat darauf reagiert, dass man die genetische Elternschaft heute leicht und sicher feststellen kann. Aber in allen Ehen ist weiterhin der Ehemann auch der Vater. Da ist das Recht unverändert eindeutig geblieben. Wer zweifelt, kann das nach der neuen Rechtslage klären lassen, muss seine Zweifel aber offenlegen – das ist richtig.

Die Fragen stellte Jost Müller-Neuhof

Thomas Meysen ist Fachlicher Leiter beim Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht (Dijuf). Er beriet den Bundestag beim neuen Gesetz zur Vaterschaftsanfechtung.

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