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Wirtschaft: „Keine Fotos anfordern“

Arbeitsrechtler Alenfelder warnt: Im Bewerbungsgespräch darf der Chef nicht mehr nach dem Alter und der Familienplanung fragen

Herr Alenfelder, was müssen Arbeitgeber in Zukunft beachten, damit sie nicht wegen Diskriminierung verklagt werden?

Sie müssen verhindern, dass sie schon bei der Stellenausschreibung, im Bewerbungsgespräch oder bei der Absage Anhaltspunkte für Diskriminierung liefern.

Was könnten solche Indizien sein?

Das Anfordern eines Fotos könnte darauf hindeuten, dass der Arbeitgeber Menschen mit bestimmter Hautfarbe aussortieren will. Und auch nach dem Alter eines Bewerbers sollte nicht konkret gefragt werden. Auch wer eine Frau im Bewerbungsgespräch nach ihrer Familienplanung fragt, begibt sich aufs Glatteis. Gibt sie an, Kinder zu wollen, und wird dann abgelehnt, könnte das ein Indiz dafür sein, dass sie wegen ihres Geschlechts diskriminiert wurde.

Arbeitgeber müssen auch die Diskriminierung am Arbeitsplatz verhindern. Wie soll das in der Realität funktionieren?

Firmen können sich absichern, indem sie ihre Mitarbeiter darin schulen, wie man sich nicht-diskriminierend verhält. Benachteiligt ein Vorgesetzter zum Beispiel einen Untergebenen wegen des Geschlechts, einer Behinderung, seines Alters oder aus anderen Gründen, die unter das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) fallen, muss der Arbeitgeber das unterbinden. Und der Betroffene kann so lange die Arbeit verweigern, bis er nicht mehr diskriminiert wird. Außerdem muss es im Betrieb einen Ansprechpartner für Beschwerden geben.

Entstehen dadurch nicht unglaublich hohe Kosten für die Unternehmen?

Zu Beginn schon. Auswahlverfahren müssen umstrukturiert und Bewerbungsunterlagen länger aufgehoben werden. Betriebe sollten auch intern vermerken, aus welchen sachlichen Gründen jemand nicht genommen wurde – für den Fall dass der Bewerber später Beschwerde einreicht. All das ist teuer und kostet Zeit, aber langfristig werden die Unternehmen finanziell vom neuen Gesetz profitieren.

Wieso das?

Weil sie jetzt aus dem gesamten Pool der Bewerber auswählen und nicht mehr von vornherein – zum Teil sehr gut qualifizierte – Arbeitnehmer aufgrund von Vorurteilen ausschließen. Das steigert die Effizienz der Belegschaft.

Aber wenn Betriebe sich so gut absichern, dass man ihnen keine Diskriminierung nachweisen kann, ändert sich für Betroffene doch überhaupt nichts.

Ich denke nicht, dass Betrieben, die diskriminieren, so etwas gelingen wird. Die meisten Klagen erwarte ich im Bereich des Kündigungsschutzes. Viele meiner Mandanten, die rechtlich gegen ihre Kündigung vorgehen, sind aus Gründen entlassen worden, die unter das AGG fallen. Sie könnten in Zukunft einfach eine Diskriminierungsklage anhängen. So hätten sie eine Chance auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Auch viele Mobbing-Opfer bekommen durch das neue Gesetz mehr Rechte.

Warum brauchen wir das AGG, wenn doch im Grundgesetz bereits steht, dass niemand benachteiligt werden darf?

Das Grundgesetz regelt das Verhältnis zwischen Staat und Volk. Beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geht es um die Umsetzung im Arbeitsrecht und im Geschäftsleben. Außerdem muss man das neue Gesetz als Teil des Europarechts auffassen: Nur wenn Diskriminierung ausgeschlossen ist, können Europäer aller Länder gleichberechtigt in der gesamten EU leben, arbeiten und Geschäfte machen. Das Gleichbehandlungsgesetz schafft die Voraussetzung dafür, dass Europa funktioniert.

Die Fragen stellte Dagny Lüdemann

Klaus M. Alenfelder ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Bonn, Rechtsexperte des Deutschen Antidiskriminierungsverbands und Vertreter des European Anti-Discrimination Council in Berlin.

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