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Wirtschaft: „Keiner sagt, woher das Geld kommt“

Steuerberater Wawro sieht keinen Spielraum für echte Entlastungen

Herr Wawro, wie ernst kann man die Steuervorschläge der Parteien nehmen?

Man sollte die Aussagen nicht für bare Münze nehmen. Zwar versprechen alle Parteien Steuerentlastungen, aber keiner sagt, wie diese konkret finanziert werden sollen. Im Haushalt gibt es auf jeden Fall keinen Spielraum für Steuersenkungen. Was nicht finanzierbar ist, ist aber auch schwer durchsetzbar.

Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel will die Mehrwertsteuer erhöhen …

Ja, das so deutlich zu sagen, war mutig. Aber die höhere Mehrwertsteuer soll ja nicht die versprochenen Steuerentlastungen finanzieren, sondern der Arbeitslosenversicherung zugute kommen.

Wie schlimm wäre die Mehrwertsteuererhöhung für die Verbraucher?

Ich glaube, dass die mit der höheren Mehrwertsteuer verbundenen Zusatzbelastungen verkraftbar wären. Auf Mieten wird überhaupt keine Mehrwertsteuer erhoben, auf Lebensmittel nur der halbe Steuersatz – das sind aber die größten Ausgabeposten. Bei Arbeitnehmern dürften die Ersparnisse, die die Union ihnen durch die Einkommensteuer-Entlastung verschaffen will, die Belastung durch die höhere Mehrwertsteuer deutlich übersteigen.

Was halten Sie von dem Versprechen der Union, Familien besonders zu entlasten?

Nach dem Steuertarif, den die Union vorschlägt, würden Familien tatsächlich viel Geld sparen. Denn neben den niedrigeren Steuersätzen soll ja auch noch für jedes Kind ein eigener Grundfreibetrag von 8000 Euro der Familie angerechnet werden. Bei einer vierköpfigen Familie wären Einnahmen bis zu 32000 Euro steuerfrei, das ist eine Menge. Aber offen bleibt, wie die Union diese Steuerentlastung finanzieren will. Insofern habe ich Zweifel, ob die CDU/CSU ihre Vorschläge wirklich umsetzen könnte, falls sie an die Regierung käme.

Die Union will die Pendlerpauschale, Sonn- und Feiertagszuschläge sowie die Eigenheimzulage streichen. Reicht das nicht?

Nein. Das Volumen reicht bei weitem nicht. Hinzu kommt, dass die Union die Einkommensteuerentlastung bereits 2007 auf den Weg bringen will, die steuerfreien Zuschläge aber erst nach und nach über mehrere Jahre verteilt gestrichen werden sollen, um die Arbeitnehmer nicht zu sehr zu belasten. Bei der Eigenheimzulage darf man nicht vergessen, dass bewilligte Zulagen nicht betroffen sind, das heißt: Bis die Streichung der Eigenheimzulage voll wirkt, vergehen viele Jahre.

Würden Arbeitnehmer im Unionsmodell unterm Strich eher ent- oder belastet?

Im Normalfall dürfte die Entlastung überwiegen. Wer weite Wege zur Arbeit hat und nicht sehr viel verdient, könnte jedoch nach dem Unionsmodell schlechter dastehen als derzeit. Ich halte die Streichung der Entfernungspauschale für falsch. Die Pauschale ist kein Steuergeschenk und keine Subvention, sondern sie gehört zu den Werbungskosten oder Betriebsausgaben. Die Menschen nehmen längere Arbeitswege hin, um woanders mehr Geld zu verdienen oder überhaupt einen Job zu haben. Von ihrem Lohn oder Gehalt zahlen sie Steuern.

Die SPD will eine Reichensteuer auf höhere Einkommen erheben. Was würde das bringen?

Wirtschaftlich bringt das nichts. Es kommen zwar Mehreinnahmen hinein, aber der Effekt wird oft überschätzt. Das gilt auch für die Vermögenssteuer, die Grüne und Linkspartei wieder einführen wollen. Besserverdienende haben es meistens leichter, solche Zusatzbelastungen zu vermeiden. Letztlich ist es doch so: Mit solchen Maßnahmen könnte man Gutverdiener eher verdrängen.

Das Interview führte Heike Jahberg

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