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Kundenfreundlichkeit: Verloren im Tarifdschungel der Bahn

Der Verkehrsclub VCD beklagt "fürchterliche Vielfalt" bei der Bahn. Das Preissystem bei Nah- und Fernzügen bekommt die Noten vier bis fünf.

Berlin - Wer mit dem Zug zur Oma fahren will, muss sich entscheiden: Soll es ein Dauer-Spezial-Ticket sein? Ein Sparpreis 50 mit Mitfahrerrabatt, geknüpft an einen bestimmten Zug? Alternativ käme ein Lidl-Fahrschein zum Pauschaltarif infrage. Oder ein Schönes-Wochenende-Ticket, falls die Verwandtschaft in der Nähe wohnt. Ist sie im Ausland ansässig, bietet sich eine Europa-Spezial-Fahrkarte an. Häufen sich die Besuche, kann man über eine Bahncard nachdenken, mit wahlweise 25, 50 oder 100 Prozent Rabatt.

„Die Tarifvielfalt bei der Eisenbahn ist fürchterlich“, urteilt Michael Gehrmann. Er ist Vorsitzender des ökologisch orientierten Verkehrsclubs Deutschland (VCD) und hat eine Studie über die Kundenfreundlichkeit der Bahn in Deutschland in Auftrag gegeben. „Das Fahren mit der Bahn ist kompliziert“, lautete das am Dienstag vorgestellte Ergebnis.

Die Mehrheit der befragten 3000 Bundesbürger gab an, dass vor allem die Tarifvielfalt, mangelnde Informationen über Fahrplan und Tickets sowie Probleme beim Kauf eines Fahrscheins sie vom Bahnfahren abhielten. Die Befragten vergaben Schulnoten – dabei fielen die Urteile derjenigen, die selten oder nie den Zug nehmen, deutlich schlechter aus als die häufiger Nutzer. „Potenzielle Kunden werden also abgeschreckt“, kritisierte Gehrmann. Die Tarifsysteme sowohl im Fern- als auch im Nahverkehr bekamen nur die Noten vier bis fünf. Vor allem das Nebeneinander sei unglücklich, findet der VCD – die Tarife im Nahverkehr gestalten regionale Verkehrsverbünde, die Bahn hat bei ICEs und ICs das Sagen. Auch die Vertriebskanäle für Fahrscheine bekamen nur mittelmäßige Noten. Die meisten Bahnfahrer unterschätzten zudem die Unterhaltskosten für einen Pkw und überschätzten die Bahnpreise.

Allerdings steht bei den Eisenbahnfreunden nicht der Preis, sondern das stressfreie Reisen im Vordergrund. Auch schätzen sie die Möglichkeit, im Zug die Zeit besser nutzen zu können. Mit der Entspannung ist es aber vorbei, wenn die Bahn unpünktlich ist und die Anschlüsse nicht klappen – für die Befragten die wichtigsten Kriterien bei der Entscheidung für den Zug. Jeder zweite könnte sich vorstellen, häufiger die Bahn zu nutzen, würden die Voraussetzungen stimmen.

Nötig ist nach Ansicht des VCD ein klarer Schnitt. „Wir brauchen ein anderes System, wenn es mehr Verkehr auf der Schiene geben soll“, forderte Gehrmann. Um das Durcheinander zu bekämpfen, schlägt er einen sogenannten Deutschland-Tarif vor. Damit soll es einen einheitlichen Grundpreis für Nah- und Fernverkehr geben, für ICEs sollen Kunden unterwegs Aufschläge nachlösen. Auch müsse es einen einheitlichen Vertrieb geben, so dass an Automaten, im Internet und im Bahnhof Tickets für alle Züge gekauft werden könnten, unabhängig vom Betreiber.

Ein Bahn-Sprecher lehnte dies ab. „Unter den jetzigen politischen Rahmenbedingungen geht das nicht“, sagte er mit Blick auf die Zuständigkeiten für Fern- und Nahverkehr. Zudem habe die Bahn die Tarife bereits vereinfacht. Und dass die Kunden das System verstehen, zeige die Tatsache, dass 80 Prozent der Kunden im Nah- und 90 Prozent im Fernverkehr mit Rabatt-Tickets unterwegs seien.

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