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Kundenschutz: Sammelklagen gegen Verbraucher-Abzocke

Geht es nach EU-Verbraucherkommissarin Kuneva, dann wird es auch in der EU bald Sammelklagen nach amerikanischen Vorbild geben. Unternehmen befürchten eine Klagewelle und hohe Kosten.

Vor diesem Wort zittern selbst Weltkonzerne: "Sammelklage". Ob es um Gesundheitsschäden durch Zigaretten geht oder um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, in den USA erstreiten sich Verbraucher Jahr für Jahr Millionensummen. Die Europäische Union prüft nun ein ähnliches Instrument. Damit könnten geprellte Kunden erstmals grenzüberschreitend Schadenersatz einfordern. EU-Verbraucherkommissarin Meglena Kuneva will die Pläne in Straßburg vorstellen.

Sammelklagen, die in den USA "class action" heißen, gibt es in Deutschland und den meisten EU-Staaten in dieser Form nicht. Das Besondere: In den USA können viele Geschädigte ihre Rechte in einem einzigen Verfahren geltend machen. Unternehmen müssen dabei hohe Entschädigungssummen fürchten. In Deutschland gilt der Grundsatz: Jeder muss seinen Rechtsanspruch einzeln durchfechten. Bürgergruppen können sich zwar inzwischen über das Verbandsklagerecht vertreten lassen, aber auch hier muss jeder Betroffene einzeln zustimmen. Beispiel ist das erfolgreiche Vorgehen von Verbraucherzentralen gegen Preiserhöhungen von Energiekonzernen.

Kunden sind besser informiert

Europas oberste Verbraucherschützerin Kuneva fragt sich, ob die EU nicht stärker dem US-Vorbild folgen sollte. Auch dank des Internets hätten immer mehr Kunden einen Überblick, welche Produkte im EU-Ausland günstiger zu haben seien, lautet ihr Argument. Gegen schwarze Schafe, die mit Lockvogelangeboten grenzüberschreitend Geldschneiderei betrieben, gebe es allerdings noch kaum Handhabe.

Kunevas Verbraucherschutzstrategie für die Jahre 2007 bis 2013 sieht daher das neue Instrument einer "kollektiven Entschädigung" vor. Damit könnten Bürger verschiedener EU-Staaten erstmals gemeinsam gegen mangelhafte Produkte oder Dienstleistungen vorgehen und Schadenersatz verlangen.

Verbraucherverbände einbinden

"Die kollektive Entschädigung ist wichtig, da sie eine scharfe Sanktion gegen Unternehmen sein kann", sagte die EU-Kommissarin kürzlich der "Financial Times". Einzelheiten will sie in den kommenden Monaten erarbeiten. In einem Punkt dürfte die EU aber anders vorgehen als die USA: Statt Sammelklagen in die Hand hochbezahlter Staranwälte zu legen, will Kuneva offenbar die Verbraucherverbände einbinden.

Deutsche Verbraucherschützer begrüßen den Vorstoß der Bulgarin, die erst seit dem EU-Beitritt ihres Landes am 1. Januar im Amt ist. "Das ist eine gute Sache", sagt Patrick von Braunmühl, stellvertretender Leiter des Bundesverbands der Verbraucherzentralen in Berlin. Besonders von dem kollektiven Schadenersatz verspricht er sich eine echte Verbesserung im Verbraucherrecht. In Deutschland gebe es "immer wieder Schwierigkeiten", da Verbraucherzentralen gegen Unternehmen bei Kunden-Abzocke nur auf Unterlassung in der Zukunft klagen könnten. Entschädigungsklagen böten dagegen eine "große Abschreckung", damit es erst gar nicht zu Missbrauch komme.

Schadenersatz bei Irreführung

Profiteure der neuen Regeln wären etwa Verbraucher, die auf irreführende Werbung hereinfallen. Wer dazu verführt wird, eine teure Hotline anzurufen, weil er angeblich ein Auto gewonnen hat, könnte künftig auf Schadenersatz pochen. Auch wem der nagelneue Akku im Computer Hitzeschäden verursacht, hätte ein Instrument in der Hand.

Auch für die Industrie sei die Sammelklage gut, argumentiert Kuneva: Denn derzeit sei die EU in "27 Mini-Märkte" zersplittert. Verbrauchern fehle für Einkäufe über die Grenzen hinweg schlicht das Vertrauen. So hätten im vergangenen Jahr nur sechs Prozent aller Internet-Käufer im EU-Ausland bestellt. Mit ihrer neuen Strategie will Kuneva auch den Binnenmarkt ankurbeln. Denn immerhin leben in der EU fast 500 Millionen potenzielle Kunden.

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