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Lebensmittel: Die Preise fallen, nur im Supermarkt nicht

Weil die Bauern bis zu einem Viertel mehr Weizen, Mais und Gerste geerntet haben, gehen die Preise herunter. Doch die Verbraucher können bislang nicht profitieren.

Es schwingt Wehmut mit, wenn der Brandenburger Bauer an den goldenen Herbst des Vorjahres denkt. „Das war schon etwas anders“, sagt er. Rekordpreise hat er damals für sein Getreide bekommen. Doppelt so viel wie noch zwei Jahre zuvor. Und nichts deutete darauf hin, dass die Party schnell wieder vorbei sein könnte. Also weitete der Bauer die Anbauflächen aus und düngte kräftig, um noch mehr aus den Böden herauszuholen.

Und jetzt? Vorbei der Rausch. Die Preise für Weizen und Roggen sind drastisch gefallen, die Kosten für Dünger weiter gestiegen. Entsprechend schlecht ist die Stimmung zum Erntedankfest. „Jetzt muss ich mir wieder Existenzsorgen machen“, klagt der Bauer, der in der Nähe von Belzig 100 Hektar Land bewirtschaftet. Seinen Namen behält er lieber für sich. „Ich will doch nicht zum Negativsymbol für die ganze Branche werden“, sagt er zur Begründung.

Wer Landwirten unterstellt, dass sie – ähnlich wie gute Kaufleute – eigentlich immer einen Grund zum Jammern finden, sieht sich auch in diesem Jahr bestätigt. Hauptgrund für die schlechte Stimmung ist ausgerechnet die ungewöhnlich gute Ernte. Bei den wichtigen Getreidearten Weizen, Mais und Gerste fuhren die deutschen Ackerbauern jeweils bis zu einem Viertel mehr in die Scheunen als 2007. Auch in ganz Europa wird mit einer Rekordernte gerechnet.

Nicht unbedingt zur Freude der Landwirte, denn je größter das Angebot, desto niedriger der Preis. „Die Situation an den Getreidemärkten ist angespannt“, sagt Martin Schraa von der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle der Landwirtschaft (ZMP). Die Preiskurve zeige überall nach unten. In der Hoffnung auf Besserung lagerten viele Landwirte ihr Getreide derzeit lieber ein, als es zu verkaufen. „Wir werden zwar nicht mehr auf das niedrige Niveau von 2005 zurückfallen, aber auch nicht mehr den Rekordstand von 2007 erreichen“, meint Alois Heißenhuber, Professor für Wirtschaftslehre des Landbaus an der TU München.

Zum Abwärtstrend habe neben den guten Ernten auch die weltweite Finanzkrise beigetragen, vermuten die Experten. „Der Einfluss von Spekulanten am Getreidemarkt ist groß“, sagt ZMP-Mann Schraa. Viele Investoren würden jetzt Liquidität aus den Warenterminmärkten abziehen.

Wer hätte das vor einem Jahr gedacht? Im Herbst 2007 waren die Getreidepreise in ungeahnte Höhen geschossen (siehe Grafik). Das lag an der Kombination aus schlechten Ernten, einer weltweit steigenden Nachfrage (die auch durch den Beimischungszwang für Biosprit kräftig angekurbelt wurde) und nicht zuletzt dem Einfluss von Spekulanten an den Warenterminbörsen.

Da die Agrarmärkte längst global sind, haben auch die deutschen Bauern von dem Boom profitiert. 2007 bescherte ihnen das höchste Durchschnittseinkommen seit zehn Jahren. Leidtragende der Entwicklung waren die Verbraucher. Weil sich viele Arme Brot, Tortilla oder Reis plötzlich nicht mehr leisten konnten, gingen weltweit Millionen von Menschen auf die Straße. In Deutschland stieg wegen der hohen Lebensmittelpreise die Inflation auf Rekordniveau.

Dass auch die Bauern künftig Not leiden, ist trotzdem nicht zu befürchten. „Bei den Einkommen wird es auch in diesem Jahr insgesamt einen Anstieg geben“, sagt Michael Lohse, der Sprecher des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Nur die Verteilung werde anders ausfallen als im Vorjahr. „Die Getreidebauern werden verlieren, die Milchbauern und Schweinehalter gewinnen.“ Die detaillierte Bilanz des Wirtschaftsjahres gibt der DBV im Dezember bekannt.

Und die Verbraucher? Konnten trotz guter Ernte und sinkender Preise von der Entwicklung bislang nicht profitieren. Die Bäcker haben sogar Preiserhöhungen angekündigt und das mit steigenden Arbeitskosten begründet. Auch frische Lebensmittel waren im September um 4,9 Prozent teurer als vor einem Jahr, berichtet die ZMP. Einzige Ausnahme: Milch und Milchprodukte, wo es nur um 2,9 Prozent nach oben ging.

„Bauern wie Verbraucher müssen sich künftig auf stark schwankende Preise einstellen“, meint DBV-Sprecher Lohse. Für Konsumenten schwanken sie im Zweifelsfall eher nach oben.

Maren Peters

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