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Mitarbeiterbeteiligung

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Lohnzusatz: Mitarbeiterbeteiligung: Eigentum für wenige

Kaum ein Unternehmen in Deutschland beteiligt seine Mitarbeiter am Kapital. Dabei gibt es schon jetzt zahlreiche Möglichkeiten dazu.

Mitarbeiter werden Mitunternehmer: Der alte Traum vom Beschäftigten, der an seinem Unternehmen Anteile hält und dadurch motiviert und produktiv arbeitet, existiert seit Bestehen der Bundesrepublik. Wirtschaftswunder-Kanzler Ludwig Erhard forderte "Eigentum für alle" und eine "Gesellschaft von Teilhabern" – mit wenig Erfolg, denn bis heute bieten nur zwei Prozent aller deutschen Betriebe Formen von Investivlohn oder Mitarbeiterbeteiligung an. In den USA, in Großbritannien, Österreich, Frankreich und den Niederlanden sind es dagegen teilweise über 40 Prozent.

Die Bundesregierung will dies ändern, diskutiert jedoch noch über den richtigen Weg: Einen Deutschlandfonds für alle Arbeitnehmer wünscht sich die SPD, eine steuerliche Verbesserung der Mitarbeiterbeteiligung die Union.

"Neue Instrumente zur Mitarbeiterbeteiligung sind eigentlich nicht nötig", konstatiert Dr. Heinrich Beyer, Geschäftsführer des Vereins "Arbeitsgemeinschaft Partner in der Wirtschaft (Agp)", der sich seit 57 Jahren stark macht für eine Kapitalbeteiligung der Basis. Denn es existiere ein ganzes Bündel von Möglichkeiten, Mitarbeiter am eigenen Unternehmen zu beteiligen. Verbessert werden müsse nur die steuerliche Förderung: Während in Frankreich 12.000 Euro pro Arbeitnehmer und Jahr steuerfrei in das eigene Unternehmen investiert werden können, seien es in Deutschland gerade mal 135 Euro.

Ganze 610 Unternehmen beteiligen ihre Mitarbeiter

Am stärksten genutzt werden hierzulande Belegschaftsaktien. Nach Zahlen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) bieten derzeit 610 Unternehmen diese Form der Beteiligung an. Etwa 1,4 Millionen Arbeitnehmer halten Aktien ihres Arbeitgebers, sind damit Miteigentümer und über Kurs und Dividende direkt an Gewinn oder Verlust beteiligt. Die relativ hohe Zahl an Beschäftigten komme dadurch zustande, erklärt Heinrich Beyer, dass vor allem die großen börsennotierten Unternehmen im Dax ihren Beschäftigten anbieten, einen Teil des Gehalts oder eine Gewinnbeteiligung in – meist um 20 bis 40 Prozent – verbilligten eigenen Aktien zu zahlen. Bei der Lufthansa etwa entscheiden sich rund 40 Prozent der Belegschaft für Aktien, die aktuell rund zwei Prozent des Kapitals halten, somit auf der Hauptversammlung geschäftliche Entscheidungen voll mittragen können. Bisweilen bieten Unternehmen auch Aktienoptionen an, also Rechte auf den Erwerb der eigenen Aktie zu einem vorher festgelegten, günstigen Preis.

Selten nutzen kleinere Firmen die direkte Beteiligung von Mitarbeitern als GmbH-Gesellschafter. Bundesweit halten etwa 7000 Arbeitnehmer, vor allem Führungskräfte, in rund 230 Firmen solche Anteile. Gerade im Mittelstand, so weiß das "Projektbüro Mitarbeiterbeteiligung" im Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen, sind die Vorbehalte hier groß. Unternehmen "sträubten sich gegen den Gedanken, gegenüber der Belegschaft die Ertragslage offenlegen oder bestimmte Ausgaben rechtfertigen zu müssen". Umgekehrt lehnten Beschäftigte es häufig ab, Geld in eine Anlage zu stecken, die nicht nur Chancen, sondern auch Risiken wie die Firmenpleite bergen.

Krasse Diskrepanz zwischen Unternehmensgewinnen und Lohnentwicklung

Doch es kann auch aus Arbeitnehmersicht sinnvoll sein, neben Arbeitseinkünften auf Kapitaleinkünfte zu setzen: zwischen 2001 und 2006 sind die Unternehmens- und Vermögenseinkommen um über 32 Prozent gestiegen, während Löhne und Gehälter nur um durchschnittlich 2,1 Prozent wuchsen.

Eine weitere Möglichkeit ist die direkte stille Beteiligung. Die Mitarbeiter sind zwar direkt am Kapital, nicht aber an den Entscheidungen der Gesellschafter und der Geschäftsleitung beteiligt, verfügen dafür aber über umfassende Informations- und Kontrollrechte und müssen am Gewinn beteiligt werden. Etwa 250.000 Arbeitnehmer in knapp 1000 Unternehmen nutzen diese Möglichkeit. Stille Beteiligungen, sagt Fachmann Beyer, können die Beschäftigten je nach Konstruktion nur an Gewinnen oder auch an Verlusten beteiligen. Bei Claas, einem Erntemaschinenhersteller in Westfalen, halten 4700 Mitarbeiter stille Beteiligungen von insgesamt 20 Millionen Euro, die pro Jahr mit zehn Prozent verzinst werden. Läuft das Geschäft schlecht, müssen sie sich jedoch auch an den Verlusten beteiligen. Vorteil für den Arbeitgeber: Dass eigenes Geld involviert ist, motiviert die Beschäftigten. Zudem gelten stille Einlagen, wenn sie Verluste tragen müssen, betriebswirtschaftlich als Eigenkapital. Bei indirekten stillen Beteiligungen sind die Mitarbeiter nicht am Unternehmen selbst, sondern an einer zwischengeschalteten Gesellschaft beteiligt. Die Mittel für eine stille Beteiligung können aus einer Gehaltsumwandlung, aus privatem Vermögen oder auch aus den vermögenswirksamen Leistungen (VL) stammen. Je nach Branche zahlt der Arbeitgeber 6,45 bis 40 Euro pro Monat als VL, die dann aber im Unternehmen für den Mitarbeiter arbeitet. Verdient der Mitarbeiter bis zu 17.900 Euro pro Jahr, so steht ihm zudem eine staatliche Arbeitnehmersparzulage zu. Bis zu 400 Euro Beteiligung werden dabei mit 18 Prozent gefördert.

Wasseraufbereiter Grünbeck zeigt wie es gehen kann

Paradebeispiel eines deutschen Unternehmens mit Mitarbeiterbeteiligung ist etwa der bayerische Wasseraufbereiter Grünbeck. Gegründet vom früheren FDP-Bundestagsabgeordneten Josef Grünbeck bietet das Unternehmen seinen Beschäftigten seit Jahrzehnten verschiedene Modelle an. 110 Mitarbeiter halten 46 Prozent des Kapitals und sitzen bei geschäftlichen Entscheidungen komplett mit am Tisch. Entschieden wird mit Dreiviertelmehrheit. Nach dem Tod des kinderlosen Josef Grünbeck sollen die Miteigentümer die Firma übernehmen.

Unternehmern, denen weitergehende Rechte der Belegschaft ein Dorn im Auge sind, können auch andere Formen der Beteiligung wählen, etwa Genussrechte oder Kredite. Mitarbeiter können dem Unternehmen also Geld zu einem bestimmten Satz leihen, wobei die Zinsen bisweilen gewinnabhängig gestaffelt sind. Auch Genussrechte sind eine Art Kredit, bei dem der "Genuss" in einer Gewinnbeteiligung besteht. Der Mitarbeiter erhält keine Gesellschafterrechte, sondern, je nach Vertrag, nur Informationsrechte. Verluste muss er mittragen, wobei für magere Jahre häufig eine Mindestverzinsung vereinbart wird.

Veronika Csizi

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