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Medikamente

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Medikamente: Ohne Zuzahlung

Seit 2007 können Kassen Rabattverträge mit Pharmafirmen abschließen. Auch zum Vorteil des Patienten. Was sich geändert hat und was Sie davon haben.

Viele Patienten sind irritiert. Seit einigen Monaten bekommen sie in der Apotheke oft nicht mehr das Medikament ausgehändigt, das der Arzt auf ihr Rezept gedruckt hat. Denn seit Krankenkassen Rabattverträge mit den Pharmaherstellern abschließen dürfen (siehe Kasten) bestimmt immer weniger der Arzt und immer mehr die Krankenkasse, von welcher Firma das Arzneimittel ist, das der Apotheker abgeben darf. „Es gibt großen Erklärungsbedarf“, sagt Apothekerin Ulrike Hans aus der Berliner Dominicus-Apotheke. „Gerade ältere Leute können oft nur schwer verarbeiten, dass sie sich schon wieder an neue Packungen gewöhnen müssen.“ Die Beratungszeit sei erheblich länger geworden.

Jede Kasse hat eigene Verträge

Von welchem Hersteller die Medikamente sein dürfen, die der Versicherte in der Apotheke bekommt, hängt von der Kasse ab, bei der er versichert ist. Ein Teil von ihnen, allen voran die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), hat Verträge für einzelne Wirkstoffe abgeschlossen, andere – wie die Techniker Krankenkasse (TK) – für alle Produkte bestimmter Hersteller. „Wir haben darauf geachtet, möglichst alle Krankheitsbilder abzudecken“, sagt TK-Sprecher Michael Schmitz. Außerdem garantierten die Vertragspartner, dass die Medikamente in den Apotheken lieferbar seien, um den Versicherten Wartezeiten zu ersparen. Engpässe bei einzelnen Präparaten in der Apotheke, die im vergangenen Jahr aufgetreten seien, gäbe es allerdings nur noch vereinzelt, sagt Stefan Etgeton von der Verbraucherzentrale Bundesverband. „Das waren Anfangsprobleme.“

Übersicht beim Apotheker

Die Übersicht, welche gesetzliche Krankenkasse mit welchem Pharmahersteller welche Rabattverträge abschloss, hat der Apotheker im Computer. Rabattverträge gibt es zurzeit vor allem bei Nachahmerprodukten (Generika), bei patentgeschützten Originalmedikamenten sind sie noch die Ausnahme.

Wer profitiert davon?

Von den Rabattverträgen profitiert vor allem die Krankenkasse. „Sie hat die Möglichkeit, Preisspielräume zu erschließen und damit Kostenexplosionen bei den Arzneimittelausgaben zu verhindern“, sagt Etgeton. Die kämen bestenfalls aber auch dem Versicherten zugute: über stabile Beiträge. Unmittelbar profitieren die Versicherten von den Rabattverträgen über den Wegfall der Zuzahlungen bei Medikamenten. „Wir haben beim Abschluss darauf geachtet, dass der Preis 30 Prozent unter dem Festbetrag liegt, damit die Zuzahlung für Versicherte entfällt“, sagt TK-Sprecher Schmitz. Das handhaben viele Krankenkassen ähnlich. Der Festbetrag ist der Betrag, den die Krankenkassen höchstens erstatten.

Anders als die Techniker Krankenkasse hat die AOK ihre Rabattverträge nur für Wirkstoffe abgeschlossen. Im vergangenen Jahr waren es 83 Wirkstoffe, nach Klagen einiger Hersteller (siehe Kasten) ist die Zahl derzeit auf 22 gesunken. „Ob die übrigen Verträge wieder wirksam werden, entscheiden die Gerichte voraussichtlich noch im Januar“, sagt AOK-Sprecher Udo Barske. Auch bei der AOK sind einige oder alle betroffenen Medikamente – das hängt von der jeweiligen Landes-AOK ab – von der Zuzahlung ganz oder zum Teil befreit.

Schwierige Fälle

Die Umstellung auf ein anderes Präparat mit gleichem Wirkstoff ist in der Regel unproblematisch. „Es gibt eigentlich keinen Unterschied, ob das Mittel von Hexal, Rathiopharm oder einem anderen kommt“, sagt Ulrike Hans. Trotzdem gebe es mitunter Probleme. Viele Ärzte verschrieben ihren Patienten nur halbe oder viertel Tabletten, damit sie mit den Arzneimitteln länger auskämen. „Wenn die Patienten in der Apotheke dann ein anderes Mittel bekommen, weil ihre Kasse mit dem alten Hersteller keinen Rabattvertrag abgeschlossen hat, geht das oft nicht mehr.“ Auch bei Unverträglichkeiten gegen bestimmte Inhaltsstoffe wie Laktose kann es Probleme geben. „Patienten haben im Ausnahmefall dann immer noch die Möglichkeit, den Arzt zu bitten, entweder einen anderen Wirkstoff oder ein bestimmtes Medikament aufzuschreiben“, sagt Dörte Elß, Patientenberaterin der Verbraucherzentrale Berlin. Bei bestimmten Patienten wie Diabetikern ist der Wechsel grundsätzlich problematisch. Die Deutsche BKK zum Beispiel hat deshalb keine Rabattverträge für Insulin abgeschlossen, Diabetiker müssen weiter zuzahlen. „Die Umstellung von Insulinpflichtigen auf ein anderes Mittel ist schwierig“, sagt Andreas Manthey, Chef der Abteilung Arzneimittel. „Hier müssen die Ärzte eingebunden werden, da der Wechsel auf ein anderes Insulin nicht einfach in der Apotheke erfolgen kann.“

Neuer Weg: Behandlungspfade

Um die Ärzte stärker einzubinden, testet die Deutsche BKK für bestimmte chronische Erkrankungen sogenannte Behandlungspfade. „Zusammen mit ärztlichen Vertragspartnern haben wir genau festgelegt, welche Medikamente der Patient zu welchem Zeitpunkt der Therapie bekommt“, sagt Manthey. Das Modell könnte Vorbild für andere Kassen sein. Bislang hat die Deutsche BKK Kooperationsverträge mit Astra Zeneca, für das patentgeschützte Magenmittel Nexium und den Blutdrucksenker Atacand. Das Modell ist zunächst beschränkt auf Südniedersachen. „Eine Ausweitung auf andere Regionen ist geplant, auch auf Berlin und Brandenburg, wenn wir passende Vertragspartner finden“, sagt Manthey.

Maren Peters

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