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Kluger Kasten. Die Versorger versprechen sich von dem Einsatz digitaler Zähler genauere Auskünfte über die Auslastung der Stromnetze. Das soll sie stabiler machen.

© picture-alliance/ dpa

Moderne Ablesegeräte: Intelligente Stromzähler nicht nur zur Freude der Verbraucher

Derzeit laufen mehrere Pilotprojekte, in denen Versorger neue Zähler testen - auch bei Vattenfall und Gasag. Doch nur ein Bruchteil der Verbraucher würde derzeit Geld für ein solches Gerät ausgeben.

Deutschland zählt: Kilowattstunden Strom, Kubikmeter Gas- oder Wasserverbrauch bis auf die vierte Nachkommastelle genau. Ein Mal im Jahr kommt jemand vom Energieversorger vorbei und liest ab. Dann kommt die Rechnung ins Haus, es ist der Moment der Wahrheit: Nachzahlung oder Erstattung? So läuft es in den 42 Millionen deutschen Haushalten seit Jahrzehnten. Doch wenn es nach dem Willen der Bundesregierung, der EU-Kommission und vieler Energieexperten geht, stirbt dieses Ritual bald aus. Alle Strom- und Gaszähler sollen elektronisch ablesbar sein, und das nicht jährlich, sondern über Leitungen oder Funk jederzeit, sekundengenau.

Ein Hintergrund ist die Sehnsucht der Energiewirtschaft, exakte Daten über die Netze zu gewinnen, um sie stabiler zu machen. Denn je mehr Solaranlagen und Windräder ans Netz angeschlossen werden, die kaum berechenbar nach Wetterlage Strom produzieren, desto größer sind die Spannungsschwankungen. Schon heute gibt es an sonnigen und windigen Tagen so viel Strom, dass die Versorger nicht wissen, wohin damit. Eine Vision: Versorger könnten ihren Kunden über die neuen Zähler ein Signal schicken: Jetzt viel Strom da, daher auch besonders billig. Wenn Sie heute die Waschmaschine starten oder Ihr Elektroauto auftanken wollen, am besten jetzt! Die Kunden könnten sparen, Energie und Geld – so jedenfalls die Idee.

Derzeit laufen mehrere Pilotprojekte, in denen Versorger solche neuen Zähler kostenlos zur Verfügung stellen. Der Berliner Stromversorger Vattenfall zum Beispiel hat im Juli einen Großversuch im Märkischen Viertel in Berlin Reinickendorf gestartet. Und Berlins Grundversorger Gasag, Eigentümerin der Stadtwerke Forst, verkabelt noch bis März in der Kleinstadt in der Lausitz 2500 Haushalte, um alles schnell ablesbar zu machen. „Das wird von den ersten Kunden sehr gut angenommen, weil sie so ganz bequem ihren gesamten Energieverbrauch in den Blick bekommen“, sagt Frank Elstermann, Chef der Gasag-Tochter Umetriq, der das Projekt betreut. Das Ablesen funktioniert mit jedem Computer, bei Vattenfall auch mit dem TV-Gerät. Elstermann schwebt sogar vor, dass Kunden irgendwann über kleine Programme auf ihrem Handy Daten abrufen können. Noch später könnten sie vielleicht sogar einzelne Hausgeräte aus der Ferne steuern – wenn sie denn wollen. Aber will man das?

Die Meinungsforscher von Forsa haben im Mai eine Studie im Auftrag der Verbraucherzentralen vorgelegt. Ergebnis: 71 Prozent der Verbraucher finden die Idee des intelligenten Zählers grundsätzlich gut. 69 Prozent wären sogar bereit, sich einen kostenlosen digitalen Basiszähler einbauen zu lassen. Doch nur vier Prozent würden für einen marktüblichen digitalen Zähler Geld ausgeben. Die derzeitigen Angebote von intelligenten Zählern überzeugen die Verbraucher mehrheitlich nicht.

Wer Spaß daran hat, auf einem Bildschirm zu Hause Statistiken und Diagramme über den Verbrauch zu studieren und dann Jagd auf Energiefresser im Haushalt zu machen, kann nach ersten Erfahrungsberichten bis zu 20 Prozent Stromkosten sparen. Weil die Anschaffung eines solchen Zählers aber Geld kostet, lohnt sich die Anschaffung erst für überdurchschnittlich große Haushalte ab rund 5000 Kilowattstunden Jahresverbrauch, sagen Experten.

„Für Stromkunden wird der Zähler finanziell erst wirklich interessant, wenn der Versorger daran auch eine Spreizung der Tarife anbietet, zum Beispiel billigen Strom in der Nacht“, sagt Holger Krawinkel, Energieexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen. Es gebe aber kaum interessante Bezahlmodelle, zumal der Standardzähler, der seit Anfang des Jahres in alle Neubauten und – nach Grundsanierungen – auch in Altbauten eingebaut werden muss, technisch sehr beschränkt ist.

Auch die Energiebranche ist wie die Schar der Kunden gespalten: Yello, die Tochter des südwestdeutschen Energiekonzerns EnBW, preschte vor und begann vor knapp zwei Jahren als einziges Unternehmen mit dem bundesweiten Vertrieb von „intelligenten Zählern“: Interessenten zahlen dort einmalig 79 Euro und – je nachdem, in welchem Versorgungsgebiet sie wohnen – rund vier bis acht Euro im Monat zusätzlich. Ein Techniker installiert die Anlage, eine Software für den Computer gibt es dazu. Um das Angebot zu nutzen, muss man kein Stromkunde bei Yello sein. Befürchtungen von Kritikern, der Versorger könnte Kunden ausspähen oder ihnen mit dem Gerät gar den Strom abschalten, weist Yello-Geschäftsführer Martin Vesper zurück: „Auch unser intelligenter Zähler ist nur ein Zähler und kein Schalter“.

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