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Nüsse: Kaum zu knacken

Kartelle beherrschen den internationalen Handel mit Nüssen. Importeure, Schokoindustrie und Verbraucher zahlen den Preis dafür.

Anleger, denen der Handel mit Aktien in diesem Jahr noch nicht hart genug war, sollten es 2009 mal mit Nüssen probieren. Das Geschäft mit dem sogenannten "Schalenobst" (Fachjargon) ist aber nur etwas für Feinschmecker: Auf diesem speziellen Markt tummeln sich undurchsichtigste Kartelle und gekaufte Forscher, die unseriöse Studien verbreiten. Es soll sogar staatliche Organisationen geben, die Nüsse im Wert von mehreren Milliarden Dollar bunkern - manche Länder halten nicht mal so viel in Gold. Hat man die ökonomische Bedeutung der Nuss vielleicht zu lange unterschätzt?

Thomas Haas-Rickertsen ist Hamburger Kaufmann und Nussimporteur. Er führt die Geschäfte beim Haselnuss-Spezialisten "Pisani & Rickertsen", gegründet 1905. Zugleich amtiert er als Präsident des Waren-Vereins der Hamburger Börse, dem Importverband der Lebensmittelhändler. Er bezieht seine Ware aus der Türkei, dem wichtigsten Haselnussland der Welt. Früher, erzählt er, wurde die Rohware noch im Überseehafen angeliefert. Der Händler hat sie dann weiterverkauft an Unternehmen wie Ferrero. Die verarbeiten 50 Tonnen - an einem Tag! Zu Nutella, Giotto, Ferrero Küsschen. "Heute wird man als Lieferant gar nicht mehr akzeptiert, wenn man nicht auch im Ursprungsland mitmischt", erklärt Haas-Rickertsen.

Daher betreibt er in der Türkei eine moderne Fabrik, in der die Haselnüsse aus der Schale gebrochen, teils geröstet, gehackt und zu Nusspasten verarbeitet werden. Die transportiert er auf dem Landweg per Lkw direkt zum Kunden. "Weniger als fünf Prozent der Haselnüsse gelangen heute noch in der Schale zu uns", sagt er. Die paar Tonnen, die doch so ins Land kommen, landen nur im Supermarkt, weil Deutsche im Advent eben mit dem Nussknacker spielen wollen. Alles Weihnachtsnostalgie.

Der Preis schwankt

Dabei sind Nüsse ein Ganzjahresgeschäft: Die türkischen Kleinbauern ernten im August. Damit aber der Markt im September nicht überschwemmt und im nächsten Frühjahr leergefegt ist, gibt es die TMO (Toprak Mahsulleri Ofisi), eine Art Landwirtschaftskammer. Die kauft massenhaft Nüsse auf und lagert sie ein. Das soll den Preis konstant halten.

Aber das klappt nicht, sagt Haas-Rickertsen. Im Mai 2003 kostete eine Tonne Nusskerne rund 2300 Dollar, 2004 plötzlich 11.000. Derzeit liegt der Kurs bei rund 4200 Dollar. Dem Importeur könnten die extremen Preisschwankungen egal sein, wenn Schokokonzerne und Verbraucher immer wieder mal bereit wären, zehn oder zwanzig Cent mehr für das Glas Nutella oder die Tafel Schokolade zu zahlen. Sind sie aber nicht.

"Die staatliche TMO sollte aufhören, den Bauern Wahlgeschenke zu machen, indem sie ihnen zu hohe Preise zahlt", sagt Haas-Rickertsen. Dadurch wird der türkische Nussberg nur noch größer. Und wenn es wirklich stimmt, was man so hört: dass diese Organisation Nüsse im Wert von zwei Milliarden Dollar in ihren Depots bunkert ... Man stelle sich vor, sie gäbe die mit einem Schlag alle auf den Markt. Eine globale Nusskrise wäre kaum abzuwenden. Und von Erdnüssen war hier noch gar nicht die Rede.

Nüsse sind nur Nüsse

Oder von Mandeln. Der US-Staat Kalifornien ist vor Spanien mit Abstand der größte Erzeuger. Hier dominieren große industrielle Produzenten. Die sind im mächtigen Lobbyverband, dem Almond Board of California, organisiert und treiben das Geschäft auf die Spitze. "Es geht so weit, dass die Produzenten ihre Lokalpresse mit irgendwelchen Studien beliefern. Zum Beispiel über den Bienenflug, der unglaublich gering sei, wodurch die Mandelbäume nicht bestäubt werden und daher eine Ernte sehr knapp ausfällt", sagt Jan Vincent Rieckmann. Der ist Händler und Nuss-Fachmann bei der August Töpfer & Co. KG, kurz Atco, einem Hamburger Familienunternehmen, das man früher Kolonialwarenhändler nannte.

"Die Unternehmen schneiden die Artikel dann aus der Zeitung aus und schicken sie uns. Nur damit wir glauben, dass trotz einer riesigen Ernte das Angebot so gering und der Preis in diesem Jahr hoch sein muss", lacht er. Alles Quatsch. Aber das gehöre zum Spiel. Und das funktioniert global: Die Chinesen treiben es mit den Erd-, die Indonesier und Philippinos mit den Kokosnüssen. Die Inder liefern die Cashewkerne, Iraner und Amerikaner kämpfen um den Pistazien-Markt.

Bei all der Wirtschaftspolitik wird schnell vergessen: Nüsse sind nur Nüsse, die schmeckten schon vor 1000 Jahren so. Die Deutschen versuchen trotzdem, das alte Produkt immer neu zu erfinden. So berichtet Rieckmann von der Atco etwa von neuen Mischungen beim Studentenfutter: In Zusammenarbeit mit Disney habe man diese Mischung in "Agentenfutter" umgetauft. "Das läuft super."

Die ZMP, die Zentrale Markt- und Preisberichtstelle in Bonn, vermeldete jetzt ein Rekordjahr. Die Nussimporte und der Verbrauch stiegen in den letzten zehn Jahren fast stetig. Jeder Bundesbürger soll 2008 im Schnitt 3,8 Kilogramm verspeist haben - Preis hin oder her.

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