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Wirtschaft: Nur eine Nummer

Ab Juli bekommt jeder Bundesbürger eine feste Steuernummer. Verbraucherschützer sind besorgt

Die Rechner des Bundeszentralamtes für Steuern in Bonn bekommen bald jede Menge Datenfutter. Aus den 5500 Meldeämtern der Republik trudeln ab dem 1. Juli die persönlichen Daten aller gut 80 Millionen Einwohner in der Behörde ein – eine beispiellose Aktion. Nachdem Dubletten und Karteileichen aussortiert sind, spucken die Computer dann für jeden Bürger eine feste Steuernummer aus. Unter dieser Nummer lassen sich alle steuerrelevanten Informationen zentral speichern.

Die Nummer erhalten alle Einwohner per Post, laut Bundesfinanzministerium vermutlich ab Herbst. Den Code behält der Steuerzahler ein Leben lang. Er ersetzt die bislang an den Wohnort gebundene Nummer. Was der Verwaltung die Arbeit erleichtern soll, weckt bei Datenschützern und Steuerzahlerbund jedoch Befürchtungen vor der totalen Kontrolle.

EINE NUMMER FÜRS LEBEN

Schon Babys bekommen künftig mit der Geburt ihre eigene Steuernummer, die sich auch beim Umzug nicht verändert. Die elfstellige Zahlenkombination besteht aus zehn Ziffern und einer Kontrollziffer. Sie bleibt ein Leben lang unverändert und wird erst bis zu 20 Jahre nach dem Tod gelöscht. Mit der Nummer sind zunächst Daten wie Name, Adresse, Geschlecht, Geburtstag und das zuständige Finanzamt gespeichert. Anders als bei der alten Steuernummer lässt die reine Ziffernfolge keine direkten Rückschlüsse etwa auf den Wohnort oder den Veranlagungsbezirk des Steuerpflichtigen zu. „Die Nummer ist neutral“, sagt der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Oliver Heyder-Rentsch.

MEHR KONTROLLE

Das beruhigt Verbraucher- und Datenschützer jedoch keinesfalls. Sie befürchten, die Ziffernreihe könnte künftig als Universal-Kontrollnummer fungieren und nicht nur den Finanzbehörden in Windeseile umfangreiche Informationen über die Bürger liefern.

„Wir sehen das sehr kritisch – man hat praktisch keine Kontrolle, was mit den Daten passiert“, sagt Anita Käding, Referentin beim Bund der Steuerzahler. Die Gefahr des Missbrauchs bestehe vor allem, weil bald auch Versicherer und andere Behörden die neue Nummer nutzen sollen. Das Finanzministerium teilt diese Kritik nicht. Sie sei verfrüht, heißt es.

OHNE GRENZEN

Von der neuen Nummer profitieren vor allem die Finanzämter. Die Grenzen zwischen den Bundesländern stellen für den Fiskus keine Hindernisse mehr dar. „Für die Steuerbehörden ist das eine Revolution“, sagt Markus Deutsch vom Deutschen Steuerberaterverband. „Mit der neuen Nummer weiß jedes Finanzamt sofort alles über den Steuerzahler.“ Rechtsanwalt Deutsch nennt ein Beispiel: Wenn eine Berlinerin ein Haus auf Sylt besitzt, war das für ihre Steuererklärung unter Umständen nicht relevant. Die Grunderwerbssteuer zahlte sie in Schleswig-Holstein, und solange keine Mieteinnahmen zu versteuern waren, bekam das Finanzamt in Berlin davon nichts mit. Mit der bundesweiten Steuernummer ändert sich das. „Bei all diesen schnell verfügbaren Informationen wird der Sachbearbeiter möglicherweise schneller hellhörig“, sagt Deutsch. Er erwartet, dass mehr Bürger ins Fadenkreuz der Finanzämter geraten, weil sie plötzlich als wohlhabender erscheinen könnten als sie sind.

ACHTUNG RENTNER

Davon könnten auch Rentner betroffen sein, die in der Vergangenheit ihre Einkünfte nicht korrekt erklärt hatten. Bereits seit 2005 müssen Alterseinkünfte, etwa gesetzliche oder private Renten, von den Versicherungen zentral gemeldet werden. Die Zuordnung zum jeweiligen Rentner und damit die Kontrolle waren aber schwierig. Durch die neue Nummer lässt sich sehr einfach abrufen, wie viel Einkommen ein Rentner hatte. Wer bisher nicht ehrlich war, muss mit unangenehmen Fragen rechnen.

DIE EBAY-FALLE

Wer viel bei E-Bay versteigert, macht sich womöglich ebenfalls schneller verdächtig. Wenn Betriebsprüfer, die Powerseller kontrollieren, auf sehr aktive Verkäufer stoßen, weiß deren Finanzamt dank der zentralen Nummer künftig zügiger von den Aktivitäten. Daraus könnten rasch unbequeme Fragen nach Gewinnen und Umsatzsteuerpflicht resultieren.

STEUERHINTERZIEHUNG FÄLLT AUF

Richtig ungemütlich wird es durch die neue Steuer-Transparenz vor allem für Betrüger. Wer etwa ein Gewerbe angemeldet hat und sich gezahlte Mehrwertsteuer mit gefälschten Umsatzsteuererklärungen gleich in mehreren Bundesländern zurückholen will, hat bald schlechtere Karten. „Der Umsatzsteuerbetrug wird erschwert“, freut sich schon jetzt ein Berliner Steuerfahnder. Bisher waren Betrüger oft schnell über alle Berge, sagt Markus Deutsch.

SOZIALMISSBRAUCH WIRD SCHWERER

Auch Sozialleistungsmissbrauch soll die neue Steuernummer dämmen: Bislang konnte es passieren, dass sich jemand in mehreren Städten anmeldete und Sozialleistungen kassierte. Über die zentrale Erfassung lassen sich Mehrfachmeldungen bald schnell erkennen.

Mitarbeit: Monica Heimel

Nils-Viktor Sorge

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