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Pflege: Hilfe aus Polen

Viele Familien beschäftigen osteuropäische Pflegerinnen – oft illegal. Ab Mai wird das anders.

Von Carla Neuhaus

Manchmal geht es ganz schnell: Ein Unfall oder ein Schlaganfall, und jemand braucht täglich Hilfe. Den Umzug in ein Pflege- oder Altenheim lehnen viele jedoch ab. 1,6 der gut 2,2 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause betreut. Können sich die Angehörigen das nicht leisten, müssen sie sich Hilfe von außen holen. Doch gute Pflege ist teuer, eine professionelle Betreuung rund um die Uhr ist für viele kaum bezahlbar.

Zahlreiche Familien suchen sich deshalb eine Pflegehilfe aus Osteuropa – oft am Rande der Legalität. Zwischen 110 000 und 130 000 osteuropäische Pflegehilfen arbeiten nach Schätzungen der Gewerkschaft Verdi derzeit in Deutschland. Ab Mai wird es einfacher, eine solche Hilfskraft auch auf legalem Wege einzustellen. Denn dann gilt für einen großen Teil Europas die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Durch sie brauchen Osteuropäer, die in Deutschland arbeiten wollen, keine Arbeitserlaubnis mehr. Ausgenommen davon sind lediglich Bulgaren und Rumänen, für sie kommt die Arbeitnehmerfreizügigkeit erst 2014.

WAS SICH ÄNDERT

Mit Pflegekräften aus den übrigen osteuropäischen Staaten können Betroffene ab Mai selbst einen Arbeitsvertrag abschließen. Derzeit dürfen sie das nur, wenn ihnen die Hilfskraft ganz offiziell von der Bundesagentur für Arbeit vermittelt wurde.

Für Angehörige oder Pflegebedürftige, die künftig ihre polnische Hilfskraft selbst anstellen wollen, gelten gewisse Pflichten: Sie müssen die Hilfskraft bei ihrer Meldebehörde offiziell anmelden und für sie eine Lohnsteuerkarte beantragen. Daneben müssen sie für die Hilfe eine Unfallversicherung abschließen und Sozialversicherungsbeiträge zahlen.

„Wie viele diesen Weg gehen werden, lässt sich noch nicht absehen“, sagt Margret Steffen von der Gewerkschaft Verdi. Denn die bisherigen Möglichkeiten, eine Hilfskraft aus Osteuropa zu engagieren, bleiben weiter bestehen.

WAS DERZEIT GILT

Bereits seit ihrem Beitritt in die Europäische Union gilt für die osteuropäischen Staaten die Dienstleistungsfreiheit. Durch sie können Firmen aus diesen Ländern schon jetzt Pflegehilfen nach Deutschland entsenden. In diesem Fall sind die Hilfskräfte weiterhin in ihrem Heimatländern angestellt, zahlen dort Steuern und Sozialbeiträge.

Nicht selten treten die Haushaltshilfen in Deutschland auch als Selbstständige auf. Legal ist das aber nur, wenn sie in mindestens zwei Haushalten arbeiten – andernfalls handelt es sich um eine Scheinselbstständigkeit. Fliegt die auf, drohen Bußgelder und Steuernachzahlungen. Alternativ können sich Angehörige weiterhin an die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit wenden. „Wir vermitteln auch nach Inkrafttreten der Arbeitnehmerfreizügigkeit weiter Haushaltshilfen aus Osteuropa“, sagt Beate Raabe von der ZAV.

DIE ALTERNATIVE: DEUTSCHE DIENSTE

Wer statt einer osteuropäischen Hilfe einen deutschen Pflegedienst engagieren will, hat die Qual der Wahl. Allein in Berlin gibt es an die 500 ambulante Pflegedienste. Um einen ersten Überblick zu bekommen, welche Anbieter es in der eigenen Umgebung gibt, bieten Pflegekassen im Internet verschiedene Suchportale an. Beispiele sind der Pflegedienstnavigator der AOK oder der Pflegelotse des Verbandes der Ersatzkassen. Sie zeigen dem Nutzer auch an, mit welchen Schulnoten der Medizinische Dienst die einzelnen Anbieter bewertet hat. Dabei gilt jedoch: „Die Gesamtnote ist mit Vorsicht zu genießen“, sagt Jens Kaffenberger, stellvertretender Bundesvorsitzender des Sozialverbands VdK. Er rät, sich statt der Gesamtbewertung die Noten der einzelnen Leistungen eines Dienstes anzuschauen. Nicht jede der 37 Kriterien, die der Medizinische Dienst überprüft, sind für jede Pflegeperson relevant. So wird zum Beispiel beurteilt, wie die Pflegekräfte mit Demenzkranken umgehen und wie gut sie Menschen lagern, die fast die gesamte Zeit im Bett liegen.

VORGESPRÄCH WICHTIG

Auch Astrid Grunewald-Feskorn von der Verbraucherzentrale Berlin warnt davor, die Bewertung mit Schulnoten zu ernst zu nehmen. „Viel wichtiger ist es, mit Pflegediensten, die infrage kommen, das persönliche Gespräch zu suchen“, sagt sie. In diesem Gespräch sollten die Angehörigen zum  Beispiel klären, wie viele verschiedene Pflegekräfte sich um die Pflegeperson kümmern werden. „Wechselt das Pflegepersonal häufig, kann das sowohl für die Pflegebedürftigen als auch für die Angehörigen sehr belastend sein“, sagt sie. Abfragen sollten die Angehörigen auch, ob der Pflegedienst rund um die Uhr erreichbar ist und ob ein Vertrag mit Pflege- und Krankenkassen besteht, damit die Leistungen abgerechnet werden können.

„Ein guter Pflegedienst bietet außerdem im Vorfeld einen unverbindlichen Hausbesuch an“, so Grunewald-Feskorn. Denn nur so kann der Dienst genau abschätzen, was gemacht werden muss und was das kosten wird. Dieser Besuch sollte kostenlos sein. Unseriöse Anbieter verlangen oft schon für diesen ersten Besuch Geld, warnt die Verbraucherzentrale.

WAS IM VERTRAG STEHT

Wird dann mit einem Pflegedienst ein Vertrag geschlossen, sollten sich die Pflegebedürftigen oder Angehörigen den Vertrag genau anschauen. In dem Vertrag sollte genau festgehalten sein, welche Leistungen der Pflegedienst erbringen soll, was das kostet und wie hoch der Eigenanteil an den Kosten ist.

WER BEI PROBLEMEN HILFT

Wer trotz der guten Vorbereitung mit seinem Pflegedienst unzufrieden ist, dem rät Verbraucherschützerin Grunewald-Feskorn, zunächst das Gespräch mit dem Anbieter zu suchen. Beraten lassen können sich Betroffene auch bei der Verbraucherzentrale oder bei Beratungsstellen wie der Berliner Einrichtung „Pflege in Not“. „Die Kündigung des Pflegediensts sollte der allerletzte Schritt sein“, sagt Grunewald-Feskorn. Denn ein neuer Pflegedienst bedeutet auch immer neues Personal, an das sich die Pflegebedürftigen erst gewöhnen müssen.

Wer nicht mehr zu Hause gepflegt werden kann und in ein Pflegeheim umziehen muss, kann sich im Pflegeheimführer des Tagesspiegels über das Angebot der Heime in Berlin informieren. Das Buch kostet 9,80 Euro.

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