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Policen: Das Unfallopfer

Immer mehr Autoversicherer wollen im Schadensfall nicht zahlen. Oft hilft erst der Anwalt.

Nach einem unverschuldeten Autounfall bekam Jürgen M. Probleme mit der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners: Um die Höhe des Schadens an seinem Wagen schätzen zu lassen, hatte er unverzüglich einen unabhängigen Gutachter beauftragt, der den Schaden auf rund 7500 Euro beziffert hatte. „Die Versicherung wollte mir dann aber nur 5300 Euro erstatten“, sagt der Berliner. Denn die Versicherung hatte ihrerseits einen Gutachter eingeschaltet, und dieser hatte einen niedrigeren Betrag errechnet. Jürgen M. wollte sich darauf nicht einlassen und ging zu einem Anwalt. Am Ende bekam er von der Versicherung die volle Summe.

Fälle wie diese häufen sich in letzter Zeit, denn immer mehr Gesellschaften stellen sich bei der Abrechnung von KFZ-Schäden quer. Sehr zum Ärger der Versicherten. Der Druck auf die Branche wächst – und auch das Bedürfnis nach Transparenz. An diesem Dienstag will sich der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zur Abrechnungspraxis nach Unfällen äußern.

WER ZAHLT DEN ANWALT?

Für Dirk Trettin, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Berlin, ist die Sache klar: „Die Gesellschaften haben zwei Anliegen: Sie wollen so wenig wie möglich und so spät wie möglich zahlen“. Das Autoversicherungsgeschäft steuert in die roten Zahlen. Seit Jahren unterbieten sich die Versicherer bei ihren Tarifen, die Durchschnittsprämien liegen unter dem Niveau der 80er Jahre. Kein Wunder, dass viele Unternehmen später versuchen, bei der Schadenregulierung zu sparen.

Oft haben sie damit Erfolg: „Viele Verbraucher wissen nicht, welche Ansprüche sie eigentlich haben“, sagt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten. Dazu zählt etwa das Recht des unschuldig Geschädigten auf einen Anwalt. Die Anwaltskosten muss der Versicherer des Schädigers übernehmen, „da laut Bundesgerichtshof Waffengleichheit herrschen muss“, sagt Verkehrsrechtler Trettin. Denn „bei der Versicherung sitzen Profis, die alle juristischen Tricks und Mittel kennen.“

So komme es vor, dass den Geschädigten noch am Unfallort ein Anruf der gegnerischen Versicherung erreicht mit dem Vorschlag, die Regulierung des Schadens direkt für ihn zu übernehmen. Ein scheinbar attraktives Angebot. Doch Rechtsanwalt Dirk Trettin sieht das kritisch. Er warnt davor, sich das Zepter aus der Hand nehmen zu lassen.

WER SUCHT DIE WERKSTATT AUS?

Der Geschädigte solle nach einem Unfall selber entscheiden, in welcher Werkstatt er sein Auto reparieren lässt und ob er einen Anwalt oder Gutachter zu Rate zieht. Manche Versicherer ließen sich sogar „schriftlich bestätigen, dass der Kunde auf einen eigenen Sachverständigen verzichtet“ oder böten an, den Schaden ganz ohne Gutachten abzuwickeln. Auf die Folgen, die dann bei einem späteren Verkauf des Fahrzeugs drohen, weise die Versicherung aber nicht hin. „Die Schadensposition der Wertminderung fällt so unter den Tisch“, warnt der Experte.

Bei einem Haftpflichtschaden darf die Versicherung den Geschädigten nicht zwingen, den Schaden in einer Partner-Werkstatt des Versicherers reparieren zu lassen. „Das hindert die Versicherer aber nicht, es zu versuchen“, bemängelt Trettin. Gerade bei Neuwagen kann das problematisch werden, da der Kunde die Kulanzbereitschaft des Händlers, möglicherweise sogar die Garantieansprüche verlieren kann. Die Versicherer werben zwar mit einer Werkstatt-Garantie, „aber die bezieht sich ausschließlich auf den Unfallschaden."

Wer bei einem selbstverschuldeten Unfall will, dass der Schaden am eigenen Auto erstattet wird, braucht eine Vollkaskoversicherung. Dazu gibt es oft Zusatzangebote – sie heißen „Schadenservice Plus“ oder „Schaden-Service-Paket“ und sollen schnelle Unterstützung bei Pannen und Unfällen bieten. Auch hier gibt es oft Werkstatt-Klauseln: Kunden, die ihr Auto nach einem Unfall in der Partner-Werkstatt reparieren lassen, erhalten einen Rabatt auf die Versicherungsprämie.

Doch auch hier könnte sich die Reparatur negativ auf die Garantieansprüche auswirken, warnt Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten. Er rät daher, abzuwägen, „ob sich der Rabatt wirklich lohnt.“ Das gilt auch für Schutzbriefe von Versicherungsgesellschaften, die gern vor Reisen abgeschlossen werden. Mitglieder eines Automobilclubs sollten prüfen, welche Leistungen bei ihrem Verein angeboten werden, denn „diese Angebote sind meist umfassender als die der Versicherer“, weiß Rudnik.

WER DARF EINEN MIETWAGEN NEHMEN?

Auch bei Kaskoschäden gibt es immer wieder Probleme bei der Abrechnung. Die Versicherung weigert sich, einen Mietwagen zu zahlen. Aber auch die Versicherten machen hier häufig Fehler. Sie haben die Pflicht, den Schaden zu mindern. Daher müssen sie günstige Mietwagenangebot auswählen.

Der Grundstein für die Probleme wird aber meist schon bei Vertragsabschluss gelegt. Viele Kunden achten zu wenig auf die Versicherungsbedingungen. Vor Vertragsabschluss soll man überlegen, ob bestimmte Leistungen, etwa ein Leihwagen, überhaupt notwendig sind, sagen Verbraucherschützer. „Denn wenn ich in der Garage noch zwei andere Autos habe, besteht im Versicherungsfall kein Anspruch auf einen Mietwagen“, warnt Rudnik. Im Gegenzug könne der Versicherte dann aber möglicherweise eine Nutzungsausfallentschädigung vom Versicherer verlangen. Aber auch die muss der Kunde aktiv einfordern.

Tina-Marlu Kramhöller

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