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Gesetze

© Kitty Kleist-Heinrich

Rechtstipps: Guter Rat ist nicht mehr teuer

Nicht nur Anwälte dürfen beraten, auch Handwerker, Banker und Schuldnerberater können ihren Kunden jetzt Rechtstipps geben.

Über 70 Jahre lang war das Beratungsmonopol der Anwaltschaft streng geregelt. Ganz gleich, ob beruflich oder privat, gegen Honorar oder als Freundschaftsdienst – wer rechtlich beriet, ohne dafür voll ausgebildet zu sein, handelte gesetzeswidrig. Das hat sich geändert: Seit dem 1. Juli ist das neue Rechtsdienstleistungsgesetz in Kraft, das diese Vorschriften lockert und es auch juristischen Laien erlaubt, rechtliche Fälle zu bearbeiten. Was hat das neue Gesetz bisher gebracht?

HILFSORGANISATIONEN

Der Paritätische Wohlfahrtsverband, Dachverband für fast 10 000 Organisationen, hat Helfer und Mitarbeiter in großem Stil geschult. „Vor allem in Altenheimen, in der Schuldner- und der Arbeitslosenberatung sind die juristischen Fortbildungen wichtig“, sagt Ulla Engler, Anwältin aus der Rechtsabteilung des Verbands. Zwar muss nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz nicht jeder, der bei der Beantragung einer Pflegeleistung oder einer Privatinsolvenz hilft, ein Jurist mit zwei bestandenen Staatsexamen sein. Trotzdem muss sichergestellt werden, dass ein solcher Volljurist die Berater schult und in Zweifelsfällen für Rückfragen erreichbar ist.

Die neue Rechtslage bringt für die karitativen Verbände wichtige Vorteile. Zum einen fällt die rechtliche Grauzone zwischen Sozial- und Rechtsberatung weg, zumal jetzt auch kostenfreier Rechtsbeistand erlaubt ist. Zum anderen können die Berater nun auch offiziell für die Betroffenen auftreten und handeln. „Das wird zum Beispiel interessant, wenn ein Bewohner eines Altenheims rechtzeitig gegen einen Bescheid seiner Krankenkasse Widerspruch einlegen muss“, erklärt Anwältin Engler. Denn das könnte künftig das Büro der Heimleitung übernehmen und zum Beispiel mit der Kasse über die rechtlichen Fragen der Kostenübernahme diskutieren. Eine wichtige Schranke bleibt aber auch nach neuem Recht: Kommt es zu einem Gerichtsverfahren, kann nur ein Anwalt den Betroffenen vertreten. Das Rechtsdienstleistungsgesetz regelt nur die außergerichtliche Beratung.


VEREINE

Nach ähnlichen Regeln wie die Hilfsorganisationen dürfen jetzt auch Vereine ihre Mitglieder juristisch unterstützen. Vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes galt das nur für bestimmte Interessenvereinigungen, darunter die Mietervereine, die Eigentümer-Schutzgemeinschaft Haus und Grund, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften.

Andere große Mitgliedervereine mussten sich auf die Rechtsberatung durch Hausjuristen oder externe Anwälte beschränken. Bestes Beispiel dafür ist der Automobilclub ADAC, der seinen Mitgliedern bei Bedarf die Erstberatung bei einem seiner Vertragsanwälte bezahlt. Dabei soll es auch in Zukunft bleiben. Der ADAC will aber versuchen, kleinere Fälle über seine zentrale Telefonhotline abzuwickeln. Wie beim Wohlfahrtsverband genügt es, dass in Zweifelsfällen, etwa in einem komplizierteren Bußgeldstreit, bei einem Juristen nachgefragt werden kann.

Aber nicht nur Vereinsriesen wie der ADAC können von der neuen Rechtslage profitieren. Für kleinere Sport-, Zucht- oder Selbsthilfevereine klärt das neue Gesetz eine andere wichtige Frage. Es schreibt fest, dass nicht jede rechtliche Hilfestellung eine Rechtsberatung beziehungsweise Rechtsdienstleistung ist. Geht es nicht um die juristische Prüfung eines individuellen Falls, sondern nur um allgemeine Hinweise, zum Beispiel auf einen Paragrafen oder ein Urteil, greift das Rechtsdienstleistungsgesetz gar nicht erst.

HANDWERK

Diese klarere Definition hilft auch im Handwerk weiter, vor allem in den Kfz-Werkstätten. Deren Inhaber bewegten sich bisher auf unsicherem Terrain, wenn sie nicht nur das Auto reparierten, sondern zum Beispiel Tipps zu den Ansprüchen gegenüber der gegnerischen Versicherung gaben.

In Rechnung stellen durften die Werkstätten der Kfz-Versicherung nur die Reparatur selbst. An die Schadenpauschale, die dem Halter für eventuelle Telefonate oder Post wegen des kaputten Autos zusteht, musste der Kunde selbst denken, genauso wie an die Entschädigung für den Nutzungsausfall, also die Dauer der Reparatur.

Jetzt können die Werkstätten mit einer Schadensregulierung werben, die alle Ansprüche einbezieht. Auch über die Höhe der Reparaturkosten dürfen sie mit der Versicherung streiten. Schluss ist erst, wenn es um kompliziertere Ansprüche geht, etwa das Schmerzensgeld. Ob darauf Anspruch besteht und in welcher Höhe, hängt von einer Rechtsprüfung im Einzelfall ab. Und die bleibt Sache des Anwalts.

Dass komplexe Rechtsfragen weiterhin ein Fall für den Anwalt sind, betont auch Thomas Maibaum, Justiziar bei der Bundesarchitektenkammer. Von der neuen Rechtsberatungsbefugnis der Architekten hält er nicht viel.


ARCHITEKTEN

Zwar ist jetzt auch in nichtjuristischen Berufen die Rechtsberatung erlaubt, soweit diese ein Teilaspekt der sonstigen Arbeit ist. „Das Problem für die Architekten ist aber, dass sie viele baurechtliche Fragestellungen gar nicht durchblicken können“, erklärt Maibaum. Das gelte zum Beispiel für komplizierte Schadenersatzfälle wegen Pfusch am Bau oder die Rechte eines einzelnen Eigentümers in einer Bauherrengemeinschaft.

Die Arbeitsgemeinschaft Baurecht im Deutschen Anwaltverein warnt bereits vor fehlerhaften Rechtsauskünften der Architekten. Eine Gefahr, die Maibaum für gering hält. „Die Architekten werden sich da, wo sie sich nicht auskennen, zurückhalten. Sie haben bei Fehlern ja ein großes Haftungsrisiko.“ Das gilt umso mehr, als noch unklar ist, ob die Berufshaftpflichtversicherung zahlt, wenn der Architekt seine Kompetenzen überschreitet. Wer als Bauherr Zweifel hat, ob er einen Anwalt hinzuziehen sollte, kann bei der Kammer nachfragen, rät Maibaum. „Diese Möglichkeit haben in den letzten Monaten auch die Architekten oft genutzt.“


ANWÄLTE UND STEUERBERATER

Zu den Berufen, für die die Juristerei ein wichtiger Teilaspekt der Arbeit ist, zählen auch die Steuerberater. Hier ist die enge Zusammenarbeit mit Anwälten gang und gäbe, erklärt Klaus Olbing, Fachanwalt für Steuerrecht. „Viele Fälle könnte ein Steuerberater ohne den Steuerrechtler gar nicht lösen – und umgekehrt.“ Das Rechtsdienstleistungsgesetz trägt dem Rechnung und erlaubt sogenannte Sternsozietäten, in denen sich Anwälte mit Steuerberatern oder auch Wirtschaftsprüfern zusammentun können.

Interessant ist das zum Beispiel, wenn es um erbrechtliche Probleme geht. „Sollen ein Betrieb oder Immobilien übertragen werden, lassen sich die besten Lösungen durch eine enge Absprache finden“, meint Olbing.


BANKEN

Aber nicht nur Steuerberater können jetzt stärker bei der Unternehmens- und Vermögensnachfolge mitwirken. Auch für die Banken ist die Juristerei ein Teilaspekt ihrer sonstigen Arbeit.

Sie können ihre Kunden beispielsweise zur Betriebsübergabe oder zur Gründung einer Stiftung beraten. Deren Verwaltung kann das Geldhaus natürlich auch übernehmen – und muss sich daher einen Vorwurf der Anwaltschaft gefallen lassen: Unabhängig sind die Bankberater nicht.

Eva Kehr

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