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Wirtschaft: Reine Verhandlungssache

Was bei Autos und Möbeln schon immer üblich war, gilt jetzt auch für den Anwalt: Über den Preis kann man sprechen

„Guten Tag, ich habe Ärger mit meinem Vermieter und würde mich gern über meine Rechte informieren. Was kostet das bei Ihnen?“ Der Anwalt, dem ich diese Frage stelle, schweigt lange. „Das weiß ich auch nicht. Ich muss mir zuerst Ihre Unterlagen anschauen“, sagt er nach einiger Zeit. „Aha“, sage ich, „dann schaue ich mal, was die Konkurrenz verlangt“. Der Kollege will 90 Euro für eine Beratungsstunde, ein anderer 190 Euro für den ganzen Fall. Schließlich sagt einer: „Das erste Gespräch biete ich Ihnen für 50 Euro.“ „Abgemacht“, sage ich.

Gespräche dieser Art wird es künftig häufiger geben zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten. Denn seit dem 1. Juli ist das Honorar für die außergerichtliche Beratung beim Anwalt frei verhandelbar. Bislang regelte eine Tabelle im Gesetz, welcher Fall wie viel kostet - abhängig vom Streitwert und von der Frage, wie kompliziert die Sache ist. Jetzt muss der Jurist selbst entscheiden, was er in Rechnung stellt. Einzige Auflage: Eine Erstberatung für Privatleute darf nicht mehr kosten als 190 Euro. Danach liegt die Höchstgrenze bei 250 Euro. Und: Erfolgsabhängige Honorare bleiben verboten.

Ob der Advocatus aber einen Stundensatz festsetzt oder eine Fallpauschale, bleibt ihm überlassen - und dem Kunden, der viele verschiedene Angebote vergleichen kann. Wenn sie denn vergleichbar sind. „Da herrscht jetzt am Anfang noch viel Unsicherheit auf beiden Seiten“, sagt Ulrich Schellenberg, Vorsitzender des Berliner Anwaltsvereins.

„Die meisten Anwälte werden wohl Stundensätze veranschlagen“, vermutet Julia von Seltmann, Geschäftsführerin der Bundesrechtsanwaltskammer. Die Kanzleien könnten mit Zeithonoraren besser kalkulieren. Für den Mandanten sei das aber nicht optimal, warnt die Anwältin: „Der Kunde weiß ja nicht: Wie lange dauert das? Und wie viel kostet mich die Geschichte insgesamt?" Anwalt Schellenberg rät Ratsuchenden darum, ein Pauschalhonorar zu vereinbaren. „Fragen Sie nach dem Stundensatz. Und fragen Sie: Wie viele Stunden brauchen Sie für diesen Fall? Dann schlagen Sie vor, die Summe als Festpreis zu verabreden. Dann haben Sie Kostensicherheit.“ Das ausgehandelte Honorar müsse dann unbedingt schriftlich festhalten werden. Auch wenn der Preis fixiert ist, sollte man nicht gleich das erste Angebot annehmen, rät Patrick von Braunmühl vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. „Holen Sie Angebote zum Vergleich ein“, sagt der Verbraucherschützer, „und trauen Sie sich, auch Nein zu sagen“.

Beim Preisvergleich aber ist Vorsicht geboten, sagt Julia von Seltmann. So müsse man den Anwalt deutlich darauf hinweisen, dass man zunächst einmal nur über den Preis sprechen möchte - auch wenn der Rechtsberater dafür in der Regel schon ein paar Details über den Fall wissen muss. „Wenn der Anwalt sich einmal eingearbeitet hat und den Eindruck bekommen hat, er habe das Mandat erhalten, dann kann er auch Geld für die geleistete Arbeit verlangen“, warnt die Kammervertreterin.

Unterm Strich aber ist die neue Honorarfreiheit ein Gewinn für den Verbraucher, glaubt Patrick von Braunmühl. „Da kommt jetzt preislich etwas in den Gang“, sagt der Verbraucherschützer. Die Konkurrenz unter den Anwälten sei groß. Und wie auf jedem anderen Markt würden jetzt auch die Advokaten mit attraktiven Preisen für sich werben.

Doch wie bei Obst und Gemüse gilt auch bei der Rechtsberatung: Das Billigste ist nicht gleich das Beste. So warnt von Braunmühl vor Anwälten, die Rechtsberatung zum Discountpreis anbieten: „Eine 25-Euro-Beratung kann nur oberflächlich sein.“ Für eine Standardantwort sei das in Ordnung. Wer hoch qualifizierten Rat wolle, müsse aber bereit sein, etwas mehr zu investieren. Das lohnt sich vor allem dann, wenn es bei dem Rechtsstreit um viel Geld geht.

Wer sich keinen guten Anwalt leisten kann, weil er zu wenig Geld verdient, der kann bei seinem Amtsgericht Beratungshilfe beantragen. Ein guter Anwalt verrät dies dem Mandanten – schon bei der Preisverhandlung.

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