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Wirtschaft: Rendite im Namen Allahs

Keine Zinsen, keine Rüstung, kein Schweinefleisch – wie gläubige Muslime bei internationalen Banken ihr Geld anlegen

„Diejenigen, die Zinsen verschlingen, sollen nicht anders dastehen als einer, der vom Satan erfasst und zum Wahnsinn getrieben wird“ (Koran, Sure 2, Vers 275)

Allah, so sagen strenggläubige Muslime auch in Deutschland, erlaubt zwar Handel und Gewinne. Verboten ist es jedoch, Zinsen zu kassieren oder zu zahlen. Das schlichte Sparbuch, aber auch Anleihen oder Hypotheken sind daher aus Sicht konservativer Muslime verboten. Selbst Versicherungen gelten als „Wette gegen den göttlichen Willen“.

Gleichzeitig aber leben 3,5 Millionen Muslime in Deutschland – mit einem geschätzten Vermögen von rund 20 Milliarden Euro und einer jährlichen Sparleistung von 1,5 Milliarden Euro. Ihre Sparquote sei doppelt so hoch wie die deutscher Haushalte, sagt Michael Saleh Gassner, Experte für das sogenannte „Islamic Banking“ in London.

Vor allem stark international orientierte Banken wie die Deutsche Bank, die Crédit Suisse, die Citigroup, die UBS oder die HSBC sind bereits ins Islamic Banking eingestiegen. Auch deutsche Versicherungen widmen sich den Bedürfnissen der Frommen. Die Allianz, die Zurich, die AIG und zuletzt die Hannover Rück engagieren sich auf dem islamischen Markt und offerieren so genannte Takaful-Policen, die dem Zinsverbot Rechnung tragen. Sie alle wittern ein gutes Geschäft: 2006 sind annähernd 300 Milliarden Euro in „islamisch korrekte“ Produkte geflossen. Der Markt wächst nach Erwartungen der Rating-Agentur Moody`s jährlich um etwa 15 Prozent.

Bereits seit 2000 hat etwa die Schweizer UBS den Fonds Islamic Fund Global Equities im Angebot, der sich am Dow Jones Islamic Market 100 Titans Index orientiert. Der Aktienindex darf nur Papiere enthalten, die als „scharia-konform“ akzeptiert werden. Die Scharia, eher religiös-juristischer Pflichtenkodex denn kodifiziertes Rechtssystem, verbietet Unternehmen, die im Zinsgeschäft aktiv sind – also Banken und Versicherungen – sowie alle Firmen aus den Branchen Rüstung, Pornografie, Alkohol, Zigaretten, Schweinefleisch oder Glücksspiel. Selbst Hotelketten oder Airlines, die Alkohol ausschenken, dürfen oft nicht in die Indizes aufgenommen werden. Auch gibt es Beschränkungen beim Verschuldungsgrad der Firmen.

Zudem müssen die Banken ein sogenanntes „Scharia-Board“ beschäftigen, ein Gremium islamischer Rechts- und Religionsgelehrter, die regelmäßig die Aktienauswahl prüfen und mittels einer „Fatwa“ (einem Rechtsurteil) den göttlichen Segen für das Investment verteilen. Nicht wenige Scharia-Gelehrte sind umstritten, da sie auch Fatwen erlassen, die wenig mit demokratischen Prinzipien vereinbar sind. So ist die Fatwa, die zum Mord an dem Schriftsteller Salman Rushdie aufforderte, immer noch gültig. Zudem: Die Scharia wird zwar von den Banken nur in Finanzfragen herangezogen, das Rechtssystem beinhaltet in seinem gesellschaftlichen Bereich jedoch auch drakonische Strafen für Fehlverhalten (etwa Steinigung) und ignoriert die Gleichheit aller Menschen.

Die Deutsche Bank hat mittlerweile 30 scharia-konforme Produkte im Angebot, die allerdings bisher größtenteils nur in arabischen Ländern vertrieben werden. Seit Dezember 2006 etwa gibt es fünf „Noor Islamic Funds“, deren Fokus auf globalen Aktien und Edelmetallen liegt. Demnächst sei auch die Vermarktung in Deutschland geplant, sagt Stefan Kirsch, Chefstratege im internationalen Private Wealth Management der Deutschen Bank in Zürich. Kirsch, der als ehemaliger Geschäftsführer der Deutsche- Bank-Tochter Dar al Isthithmar das Islamic Banking der Bank aus der Taufe gehoben hat, sieht hier „einen stark wachsenden Markt“ und glaubt daher, dass das Angebot in Deutschland schrittweise ausgeweitet wird.

Hierzulande können strenggläubige Muslime aus dem Islam-Angebot der Deutschen Bank mehrere Zertifikate kaufen, die sich unter anderem am „Croci Islamic Global Index“ beziehungsweise mehreren Sub-Indizes orientieren. Aktien stehen dabei im Vordergrund, zumal Dividenden, anders als Zinsen, erlaubt sind. Unternehmerische Beteiligungen seien für Muslime erstrebenswert, sagt Kirsch, da die Anleger an einem Risiko teilhaben müssten und Gewinne und Verluste gerecht geteilt würden.

Die Commerzbank hat ihren koran-konformen „Al Sukoor-Fonds“ vom Markt zurückgezogen. Nur vier Millionen Euro hatten Anleger 2006 eingezahlt – zu wenig, um den Fonds rentabel zu betreiben. „Die Muslime in Deutschland sind mehrheitlich Türken der zweiten oder dritten Generation, die ihre Glaubensgrundsätze nicht mehr so streng verfolgen“, sagt Commerzbank-Sprecher Peter Pietsch.

Das klamme Bundesland Sachsen-Anhalt gab bereits 2004 eine islamische Anleihe heraus und sammelte rund 100 Millionen Euro in Europa und im Mittleren Osten ein. Die Nutzungsrechte an Finanzämtern und staatlichen Gebäuden wurden steuerschonend für 30 Jahre an eine niederländische Stiftung verkauft; das ostdeutsche Bundesland erhielt dafür einmalig Geld. Die Stiftung verleast die Räumlichkeiten dann gegen jährliche Mietzahlungen an das Land zurück. Zur Finanzierung des Geschäfts emittierte die Stiftung Zertifikate, die als „Islamic Bonds“ arabischen Investoren angeboten wurden. Auch Magdeburg musste vor der Emission die Fatwa von Scharia-Gelehrten einholen.

Ein Blick auf die Wertentwicklung zeigt, dass scharia-konforme Investments nicht immer mit normalen Produkten Schritt halten können. So hat der Dow Jones Islamic Index, auf dem es mehrere Zertifikate gibt (etwa WKN UB2D9F der UBS), auf Jahressicht 12,4 Prozent geschafft, der Dow Jones 30 jedoch etwa 15 Prozent. Das Endlos-Zertifikat der Deutschen Bank auf den Croci Islamic Global Index (WKN DB0XFB) legte binnen Jahresfrist gut acht Prozent aufs Parkett, der meistbeachtete globale Index MSCI World dagegen 14,9 Prozent. Der UBS Islamic Fund Global Equities (WKN 934196) enttäuschte seit Mai 2006 mit nur gut einem Prozent Plus.

Veronika Csizi

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