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Wirtschaft: Riskante Genüsse

Als Zwitter aus Aktie und Anleihe sind Genussscheine attraktiv – für wagemutige Anleger

Der Prospekt liest sich gut: Die BAE Berliner Batterie GmbH hat ihre beiden 2004 aufgelegten Genussscheine mit einer Grundverzinsung von 6,5 beziehungsweise 7,5 Prozent in Gewinnjahren ausgestattet und nennt ein jährliches Ziel von acht bis zwölf Prozent der Nominaleinlage. Der 1993 von der Treuhand privatisierte Batteriehersteller wollte seine magere Eigenkapitalquote mit dem Verkauf des Wertpapiers aufpolieren – bislang allerdings ohne Erfolg. Geschäftsführer Werner Blaß: „Der Markt hat unsere Genussscheine leider nicht angenommen. Privatanleger haben zu viel Geld mit Aktien verloren, vermutlich halten sie sich deshalb bei Investitionen in derartige Anlageformen zurück.“

Die Berliner haben sich auf einen von Banken dominierten Markt gewagt, auf dem die Fondsgesellschaft HSBC Trinkaus Capital Management 190 Emissionen mit einem Wert von knapp 17 Milliarden Euro zählt. Mittlerweile nutzen immer mehr Mittelständler die Scheine als Alternative zum klassischen Kredit.

Hintergrund: Banken vergeben Darlehen nach wesentlich strengeren Kriterien als früher. Sie bereiten sich damit auf die ab 2006 geltenden Eigenkapitalregeln vor (Basel II). „Die Zahl der Genussscheine hat in den vergangenen beiden Jahren bei Mittelständlern stark zugenommen und ich gehe davon aus, dass sie weiter steigen wird“, sagt Oliver Eichmann, Fondsmanager des DWS Inter Genuss.

Rechtlich gesehen nehmen diese Papiere eine Zwitterstellung zwischen Aktie und Anleihe ein. Damit sind sie lukrativ für Anleger, trotz der Zurückhaltung bei den BAE-Scheinen. Liegt doch die Grundverzinsung meist über der eines herkömmlichen Rentenpapiers. Dennoch bieten Genussscheine nicht immer ungetrübten Genuss. So haben ihre Inhaber nicht nur an den Gewinnen teil, sondern auch an den Verlusten. Schreibt die Gesellschaft rote Zahlen, kann die Ausschüttung also entfallen und der Rückzahlungsbetrag für den Schein sinken. Fährt das Unternehmen wieder Gewinne ein, muss es wiederum zunächst das Genussrechts-Kapital auffüllen, bevor es ausschüttet.

Peter Lischke, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Berlin: „Der Anleger hat die Chancen und Risiken eines Aktionärs, allerdings ohne Mitwirkungsrechte. Er bekommt also keine Einladung zur Hauptversammlung.“ Überdies sind Genussscheine nicht durch das Einlagensicherungssystem der Banken abgedeckt wie etwa ein Sparbuch.

Der Kauf einzelner Scheine eignet sich damit nur für private Anleger, die sich zuvor genau damit beschäftigt haben. Lischke: „Es gibt keine gesetzlichen Vorschriften, wie ein Genussschein ausgestaltet sein muss. Die Bedingungen hinsichtlich Laufzeit, Verzinsung und Kündigungsmöglichkeit variieren von Anbieter zu Anbieter.“

Das A und O ist die Bonität des Emittenten. Muss die Firma nämlich Insolvenz anmelden, werden die Ansprüche aus Genussscheinen nur nachrangig bedient, sprich: nach den anderen Gläubigern. Im Extremfall kann der Anleger seine Einlage verlieren. Je solventer die Gesellschaft, desto geringer das Risiko. DWS-Fondsmanager Eichmann will nichts riskieren: „Wir konzentrieren uns auf rentenähnliche Scheine von Banken und Versicherungen. Die Emissionen der Mittelständler erfüllen häufig nicht unsere Anforderungen an Liquidität und Bonität.“

Besonders spekulativ sind Genussscheine vom staatlich unregulierten, grauen Kapitalmarkt. Während die Papiere der großen Banken an der Börse notieren, verkaufen kleinere Emittenten diese direkt – ohne Umweg über das Börsenparkett. Damit werden Investoren ihre Scheine vor Laufzeitende kaum los. Finanzexperte Lischke: „Der Anleger sollte die Finger lassen von Genussscheinen vom grauen Kapitalmarkt, deren Zinssatz oft erheblich über dem Marktzins liegt.“

So riskant oder konservativ der Schein gestaltet ist – von einem Nachteil dieses Finanzierungsinstruments bekommt der Privatanleger nichts mit. Firmen, die nach den internationalen Rechnungslegungsvorschriften US-GAAP und IAS bilanzieren, müssen die Genüsse nämlich zum Fremdkapital rechnen. Nur das Handelsgesetzbuch (HGB) zählt die Scheine zum Eigenkapital. Der Knackpunkt: Mittelständler wollen mit den Papieren gerade ihre häufig niedrige Eigenkapitalquote aufpolieren.

Der Landmaschinenhersteller Claas, der nach internationalen Regeln bilanziert, hat einen für Mittelständler neuen Ausweg aus dem Dilemma gefunden. Das Familienunternehmen aus Harsewinkel hat im vergangenen Oktober eine Anleihe über 80 Millionen Euro aufgelegt und in einer Mindeststückelung von 50000 Euro bei institutionellen Investoren platziert. Das Papier hat eine unbegrenzte Laufzeit, wird nachrangig bedient und an Verlusten beteiligt – damit zählt es zum Eigenkapital.

Die Anleihe ist in den ersten zehn Jahren fest mit 7,62 Prozent verzinst, danach variabel. Die Investmentbank Dresdner Kleinwort Wasserstein schätzt, dass derartige Papiere für bis zu 30 weitere deutsche Firmen in Frage kommen. Ab Februar soll die Claas-Anleihe an der Luxemburger Börse gelistet werden. Dann könnten auch Privatinvestoren einsteigen – aber nur die Betuchten.

Christina Anastassiou

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