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Wirtschaft: Scherben bringen Glück, kosten aber Geld

Das kaputte Fenster beim Nachbarn kann teuer werden: Wer anderen Schaden zufügt, muss zahlen – oder die Haftpflicht

Das kann jedem passieren. Bei einer Sommerparty stoßen Sie aus Versehen mit Ihrem Nachbarn zusammen und bekleckern dessen blütenweißes Hemd mit Rotwein. Ihr Sohn spielt draußen auf dem Hof Fußball, und der Steilpass landet nicht beim Mitspieler, sondern in der Fensterscheibe. Während einer Fahrradtour treten Sie kräftig in die Pedale, und bei voller Fahrt kollidieren Sie plötzlich mit einem Fußgänger. Und beim Blumengießen in der Wohnung Ihres Nachbarn treten Sie zu allem Überfluss auch noch vor die teure Bodenvase, die in tausend Scherben zerspringt.

Wer für Schäden haftet. In keiner Jahreszeit passiert so viel wie im Sommer, wenn feste gefeiert wird und die Kleinen draußen endlich mal nach Herzenslust herumtoben können. Kommt es dann zu Unfällen, kann die Sache teuer werden. Denn nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch muss man für Schäden, die man einem anderen zufügt, haften. Leichte Fahrlässigkeit reicht schon aus. Wenn Sie also beim Versuch, Teller, Weinglas und Zigarette gleichzeitig zu transportieren, die Gartenmöbel des Gastgebers ankokeln, müssen Sie den Schaden ersetzen.

Bei einem Brandloch im Polster mögen die Kosten noch übersichtlich sein. Was aber, wenn Menschen verletzt werden? Wenn Sie auf Inline-Skatern oder mit Ihrem Rennrad einen Passanten anfahren, müssen Sie für Ihre Unachtsamkeit womöglich ein Leben lang einstehen – Schmerzensgeld, Behandlungs- und Pflegekosten können Sie finanziell ruinieren. Kein Wunder, dass sich Verbraucherschützer und Versicherer in einem Punkt einig sind: „Jeder sollte eine Privathaftpflichtversicherung haben“, rät Gabriele Francke, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale Berlin (VZ Berlin), mit Blick auf die Haftpflicht-Risiken.

Wann die Versicherung zahlt. Die Versicherung springt ein, wenn Sie jemand anderem einen Schaden zufügen und diesen auch verschuldet haben. Nicht versichert sind Ansprüche von Angehörigen, die im selben Haushalt wohnen, sowie von Lebenspartnern, die im selben Vertrag versichert sind. Auch Glasschäden müssen extra versichert werden. Und wer etwas absichtlich beschädigt oder zerstört, kann ebenfalls nicht auf die Versicherung hoffen.

Hohe Summen versichern. Damit die Versicherung in allen anderen Fällen einen vernünftigen Schutz bietet, sollte die Versicherungssumme hoch genug sein. Sie sollte mindestens drei Millionen Euro pauschal für Sach- und Personenschäden betragen, empfiehlt die Stiftung Warentest. Denn bei Unfällen kann der Regress in Millionenhöhe gehen. Dann braucht man eine ordentliche Versicherung. Bei vielen Anbietern ist der Aufpreis, den man für eine Aufstockung der Versicherungssumme etwa auf fünf Millionen Euro zahlen muss, nicht hoch.

Enorme Preisunterschiede. Die Verbraucherschützer haben die Angebote von 64 Versicherungsgesellschaften untersucht. Dabei sind die Tester auf erhebliche Preisunterschiede gestoßen. Die günstigsten Normaltarife kosten rund 50 Euro im Jahr, die teuersten liegen bei über 150 Euro Jahresbeitrag – und sind nicht unbedingt besser, sagt die Stiftung Warentest. Einen Überblick finden Sie in Finanztest 6/2004, eine Auswahl der günstigsten Angebote für Singles, Familien und Hausbesitzer können Sie in unserer Tabelle nachlesen.

Geliehene Sachen scheiden aus. Obwohl die Privathaft ein absolutes Muss ist, hat der Versicherungsschutz Lücken. Sachen, die man sich geliehen oder gemietet hat, sind von der Versicherung nicht erfasst. Das geliehene Fahrrad, dessen Reifen nach einem Unfall eine Acht hat, wird von der Versicherung nicht ersetzt. Und auch der Schaden am geborgten Auto des Freundes, das man beim Einparken eingedellt hat, ist kein Fall für die Versicherung. „Freunde schneiden schlechter ab, weil die Versicherung nicht zahlt“, warnt der Berliner Rechtsanwalt Markus Milde. Zwar haben Freunde und Bekannte einen juristischen Schadenersatzanspruch gegen den Schädiger, aber „ob man diesen dann auch wirklich durchsetzt, ist zweifelhaft“, weiß Milde.

Vorsicht bei Gefälligkeiten. Freundschaftsdienste können für Ärger sorgen: Wer einem Bekannten beim Umzug hilft und den Fernseher fallen lässt, müsste nämlich genauso haften wie der Nachbar, der beim Blumengießen die Vase zertrümmert. Das ist kein Problem, so lange man eine Haftpflichtversicherung hat, die in diesen Fällen zahlt. Aber rund ein Drittel der Haushalte ist nicht versichert. Damit die uneigennützigen Helfer für ihre Gutmütigkeit nicht noch bestraft werden, greifen die Gerichte aber zu einem Kunstgriff. Zwar müssten die Helfer eigentlich haften, die Richter unterstellen aber bei reinen Gefälligkeitsdiensten einen stillschweigenden Haftungssausschluss. Dennoch: „Im Einzelfall kann es immer wieder Probleme geben“, weiß Anwalt Milde. Er rät dazu, das heikle Thema offen anzusprechen und einen Ausschluss der Haftung zu vereinbaren.

Eltern haften für ihre Kinder. Rechtliche Probleme treten auch häufig auf, wenn Kinder im Spiel sind. Paradox: In vielen Fällen zahlt die Haftpflichtversicherung nicht. Kinder unter sieben Jahren sind nicht schuldfähig, im Straßenverkehr liegt die Altersgrenze sogar bei zehn Jahren. Kickt ein Sechsjähriger einen Ball in das preisgekrönte Rosenbeet des Nachbarn oder fährt ein Neunjähriger mit seinem Fahrrad auf ein parkendes Auto, muss das Kind nicht haften – und auch die Versicherung nicht, weil kein Verschulden vorliegt. Es sei denn, die Eltern haben ihre Aufsichtspflicht verletzt. Denn dann ist nicht der Junge schuld, sondern Mutter oder Vater. Und damit wären die Rosen und das Auto vielleicht doch wieder Fälle für die Versicherung.

Tierhalter brauchen Spezialpolicen. Autofahrer, Segler, Motorboot-Fahrer oder Flieger brauchen spezielle Haftpflichtversicherungen, auch Tierhalter sollten eine Spezialversicherung abschließen. „Tiere gelten generell als gefährlich“, sagt Anwalt Milde. Daher haften deren Besitzer auch dann, wenn sie kein Verschulden trifft. Nur eines ist tröstlich: Da Hunde zu jeder Jahreszeit Gassi gehen müssen, ist das ausnahmsweise kein Sommerproblem.

Fragen zu Versicherungen beantwortet die Verbraucherzentrale Berlin unter der gebührenpflichtigen Telefonnummer 0190 88 77 11 donnerstags von 14 bis 17 Uhr, die Versicherungsberatung der Verbraucherzentrale Brandenburg erreichen Sie unter der ebenfalls kostenpflichtigen Telefonnummer 0900 17 75 770 montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr. Beide Verbraucherzentralen bieten auch persönliche Beratungen an.

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