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Strom: Der Zähler dreht durch

Viele Stromversorger heben zum neuen Jahr die Preise an – auch Vattenfall. Doch die Kunden können sich wehren.

Auch wenn Eon, RWE, Vattenfall und Co. ihre Wertschätzung manchmal ganz gut verbergen können – die Stromkonzerne waren wohl nie so glücklich über ihre Privatkunden wie im nun zu Ende gehenden Krisenjahr. Denn während die Industriekunden, die ungefähr 45 Prozent zum Umsatz beisteuern, 2009 elf Prozent weniger Strom kauften als im Vorjahr, erwiesen sich die Privathaushalte weiter als verlässliche Abnehmer. Sie nahmen fast ebenso viel Strom ab wie im Vorjahr. Das teilte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) vor einer Woche mit. Und was ist der Dank für die Treue der Kleinkunden? Preiserhöhungen auf breiter Front.

Die Preiserhöhungen. Für Millionen von Haushalten wird der Strom ab Freitag um durchschnittlich 70 Euro teurer. Mindestens 160 Versorger erhöhen zum Jahresbeginn ihre Grundversorgungstarife um durchschnittlich 6,3 Prozent, haben die Experten des Vergleichsportals Check 24 ausgerechnet. Immerhin 43 Stromversorger senken ihre Tarife, allerdings durchschnittlich nur um 2,8 Prozent. Auch in Berlin dreht der größte Versorger Vattenfall, der als Bewag-Erbe noch heute vier von fünf Stromkunden der Hauptstadt versorgt, an der Preisschraube: Er hebt die Tarife um 5,9 Prozent an.

Die Gründe. Vattenfall begründet den Schritt – wie viele Konkurrenten auch – mit der wachsenden Zahl der Windräder, Sonnendächer und Biomassekraftwerke im Land, deren Förderkosten per Umlage auf alle Stromkunden umgelegt werden. Weil der Gesetzgeber den Besitzern dieser Anlagen zur erneuerbaren Stromerzeugung eine Einspeisevergütung garantiert, müssen jetzt alle draufzahlen. Kritiker sagen, das Argument sei von den konventionellen Stromkonzernen nur vorgeschoben. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. „Wir haben unsere Preise zweieinhalb Jahre lang stabil gehalten. Damit sind wir eine große Ausnahme in Deutschland“, sagt Vattenfall-Sprecherin Barbara Meifert. Im Übrigen sei es auch eine politische Entscheidung gewesen, die Preise in der Wirtschaftskrise nicht anzuheben.

Die Reaktion der Kunden. Jetzt ist für Vattenfall die Krise also offenbar vorbei, 1,6 Millionen Berliner sollen nun mehr zahlen. Nach Angaben des Unternehmens habe sich der Zorn der Kunden aber in Grenzen gehalten: In den ersten Tagen, nachdem die Berliner Zentrale die Preissteigerung verkündete – das war am 18. November –, hätten sich zwar mehr Kunden bei den Hotlines gemeldet als üblich. Die meisten hätten sich aber lediglich nach dem Grund der Erhöhung erkundigt und nach anderen Vattenfall-Tarifen. Auch das Interesse an Ökostromtarifen habe zugenommen, sagt die Sprecherin. Drei Werktage später sei das Aufkommen der Anfragen wieder normal gewesen. „Am Ende des Jahres werden wir in Berlin mehr Kunden haben als Anfang 2009“, hält Meifert fest.

Der Wechsel. Noch ist es zu früh zu sagen, wie viele Kunden wegen dieser Preisrunde abspringen, da ein Wechsel mehrere Wochen dauert und ein verlassener Stromkonzern meist als letzter von der Kündigung erfährt. Der vom Stromkunden neu gewählte Versorger übernimmt die Ummeldeformalitäten. Als Vattenfall vor gut zwei Jahren die letzte Preiserhöhung durchzog, liefen hunderttausende Kunden weg – besonders viele zum niederländischen Konkurrenten Nuon. Der wurde zwar in diesem Jahr vom Vattenfall-Konzern geschluckt, das Berliner Nuon-Geschäft soll wegen Auflagen des Kartellamtes aber weiter unabhängig bleiben. Sie sollen sich in der Hauptstadt weiter Konkurrenz machen. Ob das funktioniert und ob es zu einem ehrlichen Wettbewerb kommt, bleibt zu beobachten.

Die Tarife. Anders als vor zwei Jahren raten Verbraucherschützer Kunden des Platzhirschen heute nicht mehr automatisch zur Kündigung. „Grundsätzlich sollte man seinem Stromversorger die Zähne zeigen und regelmäßig einen Wechsel prüfen“, sagt Gabriele Francke, Geschäftsführerin der Berliner Verbraucherzentrale. „Mitunter kann aber auch der Marktführer bessere Konditionen bieten“, sagt sie. Es komme darauf an, was der Kunde möchte: Rechnung schriftlich oder nur per E-Mail, Kundenberatung, monatliche Zahlungsweise? Zum Teil unterscheiden sich die Tarife auch im Kleingedruckten erheblich voneinander. „Tarife mit jährlicher Vorauskasse bieten das meiste Sparpotenzial“, erklärt Isabel Wendorff von Check 24. Allerdings raten Verbraucherschützer von solchen Tarifen ab. „Geht der neue Anbieter pleite, ist das Geld weg“, sagt sie. Aber auch durch einen Wechsel in einen Tarif mit monatlicher Abschlagszahlung ließen sich über 100 Euro pro Jahr einsparen.

Die Sparmöglichkeiten. Noch mehr sparen ließe sich, wenn man überhaupt generell weniger Strom verbrauchte. Mehr als 80 Prozent der Deutschen unterschätzen die Energieeinsparpotenziale im Haushalt. Das ergab eine aktuelle Umfrage des Instituts TNS Infratest. Das hatte im Auftrag der Messe Frankfurt im November mehr als 1000 Haushalte nach ihrem energieeffizienten Verhalten und ihrer Einstellung zum Thema Energie befragt. Nur rund die Hälfte der Bevölkerung (54 Prozent) kenne demnach ihren Jahresgesamtstromverbrauch, lautete das Ergebnis der repräsentativen Befragung.

Experten gehen davon aus, dass sich durch die intelligente Nutzung von Beleuchtung, Haushaltsgeräten und Heizung bis zu 50 Prozent der Energie einsparen ließe. In Anbetracht der Tatsache, dass Öl und Gas 2009 billiger geworden sind, Strom aber sechs Prozent teurer, sollten Verbraucher mehr Energie für Stromsparbemühungen aufwenden, meinen sie.

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