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Urheberrecht: Böser Brief vom Rechtsanwalt

Minderjährige verletzen im Internet oft das Urheberrecht. Illegal heruntergeladene Musik oder scheinbar kostenlose Downloads werden vor Gericht aber nicht als Bagatelldelikte angesehen - und Eltern haften für ihre Kinder.

Mario Alka (19) liebt das Internet – noch immer. Er hat sein Hobby zum Beruf gemacht und lässt sich derzeit zum Fachinformatiker ausbilden. Dabei hatte ihn seine Computerleidenschaft vor zwei Jahren an den Rand des Ruins getrieben.

Als 17-Jähriger bastelte Mario nichtsahnend an seiner Internetseite herum. Dass er keine urheberrechtlich geschützten Bilder auf seine Seite stellen darf, wusste der Jugendliche. Also bediente er sich auf einer Seite, die „free wallpapers“ anbot. 12 Bilder stellte er auf seine Seite – das böse Erwachen kam einige Wochen später. Eine Agentur hatte die Rechte an den Bildern. Eine Hamburger Anwältin mahnte den jungen Mann ab und stellte ihm mehrere Tausend Euro für Lizenzgebühren und Anwaltskosten in Rechnung. Der Fall ging vors Gericht. Mario wurde verurteilt, 8 000 Euro zu zahlen.

Manche Firmen machen nichts anderes, als im Netz nach Urheberrechtsverletzungen zu suchen

Mario ist kein Einzelfall. Und dass er erwischt wurde, ist auch kein Zufall. Firmen wie proMedia aus Hamburg machen nichts anderes, als das Internet nach Urheberrechtsverletzungen zu durchstöbern. „In diesem Jahr wurden schätzungsweise allein rund 200 000 Nutzer von Musiktauschbörsen rechtlich verfolgt“, sagt Katja Mrowka, Urheberrechtsexpertin beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Ähnlich viele Verfahren gebe es gegen Internetnutzer, die Stadtpläne, Fotos oder Songtexte auf ihre Seiten stellten, ohne Lizenzgebühren zu bezahlen. Besonders oft traf es in den vergangenen Monaten Nutzer des Internetauktionshauses Ebay, die ihre Angebote mit Originalbildern der Hersteller versahen.

Vor allem Kinder und Jugendliche sind betroffen, weil sie Musiktauschbörsen wie Kazaa oder eMule nutzen, um die aktuellsten Charthits auf ihre Rechner zu laden. Was viele nicht wissen: Während sie sich selbst Musik von fremden Rechner herunterladen, haben andere Nutzer Zugriff auf das eigene Musikarchiv. Sie sind also auch selbst Anbieter und verletzen damit das Urheberrecht. Die Musikbranche beauftragt Kanzleien und Subunternehmen, die IP-Adressen von Tauschbörsennutzern ermitteln.

Die IP-Adresse ist so etwas wie ein Fingerabdruck, den jeder Internetbenutzer beim Surfen im Netz hinterlässt. Sie verrät, von welchem Telefonanschluss sich der Nutzer eingewählt hat. Bei Gericht beantragen die Anwälte dann, dass Name und Anschrift des Telefonanschlussinhabers herausgegeben werden. An diese Adresse verschicken sie die Abmahnungen. Je nachdem, wie viele Lieder illegal genutzt wurden, fordern sie zwischen 200 und 15 000 Euro. Darin enthalten sind Lizenzgebühren und Anwaltskosten. „Einige Anwälte haben daraus ein Geschäftsmodell entwickelt“, sagt Mrowka.

Heruntergeladene Lieder werden nicht als Bagatelldelikt angesehen

Die Eltern sind meist völlig überrascht, weil sie nicht wissen, was ihre Kinder im Internet treiben. Verbraucherschützer empfehlen, die Abmahnungen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Auf Abmahnungen und Unterlassungsklagen nicht zu reagieren, kann rechtliche Nachteile haben. Hilfe gibt es bei Rechtsanwälten und Verbraucherschutzverbänden. Grundsätzlich haften Eltern für ihre Kinder – auch im Internet. „Ob Eltern tatsächlich für die Urheberrechtsverletzungen ihrer Kinder zahlen müssen, lässt sich aber nicht pauschal beantworten. Es gibt kein höchstrichterliches Urteil“, sagt Verbraucherschützerin Mrowka. In Fällen, in denen Eltern ihre Kinder vor Tauschbörsen gewarnt haben, würden Eltern häufiger freigesprochen. Einige Richter verträten hingegen die Ansicht, dass eine Belehrung nicht ausreicht. Eltern hätten die Pflicht, den PC so zu sichern, dass die Kinder nicht auf gefährliche Seiten zugreifen könnten.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) regte vor über einem Jahr an, eine Bagatellklausel einzuführen. Bei der ersten Abmahnung und kleineren Rechtsverletzungen sollen Rechtsanwälte höchstens 50 Euro Arbeitskosten berechnen dürfen. Passiert ist seitdem nichts. „Es gibt keinen konkreten Zeitplan“, sagt Ministeriumssprecher Ulrich Staudigl. Zudem bezweifeln Experten, dass die Klausel den Internetnutzern helfen würde. „Die Richter nehmen Urheberrechtsverletzungen sehr ernst. Ich glaube nicht, dass heruntergeladene Lieder von ihnen als Bagatelle angesehen würden“, sagt der Rostocker Rechtsanwalt Johannes Richard, der sich auf Urheberrechtsdelikte spezialisiert hat. Richard fordert weitergehende Schritte: „Der Minderjährigenschutz geht den Bach runter. Viele Familien werden so in den Ruin getrieben. Da müsste sich etwas Grundsätzliches ändern.“

Mario Alka ist mit einem blauen Auge davongekommen. Die Internet-Community sammelte für ihn, und er konnte die 8 000 Euro zahlen.

Johannes Pennekamp

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