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© dpa

Vaterschaftstests: 5000 Euro für ein Wattestäbchen

Das neue Gendiagnostikgesetz stellt heimliche Vaterschaftstests unter Strafe.

Kinderzahnbürsten, Haarbüschel und Plastikröhrchen:  Die Arbeit von Frank Pfannenschmid beginnt meist mit seltsamer Post. Pfannenschmid leitet ein Labor, das Vaterschaftstests durchführt – auch heimliche. Doch damit ist bald Schluss. Schon ab Juni sollen Bußgelder verhängt werden, 5000 Euro sollen Pfannenschmids Kunden künftig bezahlen müssen. Den Laboren selbst drohen sogar Strafen von bis zu 300 000 Euro. Dies legt das neue Gendiagnostikgesetz fest, das der Bundestag Mitte April verabschiedet hat. Es soll unter anderem den Missbrauch von Erbinformationen verhindern. Manche Labore haben reagiert und suchen nach Schlupflöchern im Ausland. Familienrechtler hingegen warnen: Wer an der Vaterschaft zweifelt, soll sich an die gesetzlichen Verfahren halten.

„Heimliche Tests sind keine reine Männersache“, sagt Pfannenschmid. Er hat auch weibliche Kunden: Zum Beispiel, wenn sich der leibliche Vater wehrt, die Vaterschaft anzuerkennen. Dennoch geht es bei der Mehrzahl der rund 2000 heimlichen Tests, die Pfannenschmid pro Jahr durchführt, um Kuckuckskinder. Schätzungen zufolge kommen in Deutschland jedes Jahr bis zu 70 000 Kinder zur Welt, die ihre Mutter einem Partner nur unterschiebt.

Bis vor wenigen Jahren war es für Väter äußerst schwierig, ihre Zweifel aus der Welt zu schaffen. Zwar konnten sie ihre Vaterschaft vor Gericht anfechten, dafür brauchten sie aber einen Anfangsverdacht, und der war schwierig zu begründen. Denn gegen den Willen der Mutter konnten sie keinen Vaterschaftstest durchführen, und heimliche Tests waren – und sind – vor Gericht nicht zugelassen. Das Bundesverfassungsgesetz hat diese Regelung im Februar 2007 bestätigt, den Gesetzgeber aber zugleich aufgefordert, die Rechte der Väter zu stärken. Sie sollten die Möglichkeit bekommen, ihre Vaterschaft zu überprüfen, ohne eine Anfechtungsklage starten zu müssen. Das ist seit März 2008 der Fall: Väter können nun einen Test auch gegen den Willen der Mutter durchsetzen.

Das löst aber längst nicht alle Probleme: Wer seine Zweifel legal aus dem Weg räumen will, muss sie seiner Partnerin erst mitteilen. Und das zerstört das Vertrauen und womöglich auch die Beziehung. Ganz egal, wie der Test am Ende ausfällt. Die heimlichen Vaterschaftstests bleiben also verführerisch: Ganz ohne Risiko kann der Vater feststellen, ob das Kind wirklich von ihm ist. Alles, was er dazu braucht, ist eine Speichel- oder Haarprobe des Kindes, zum Beispiel von der Zahnbürste.  Ist er der Vater, muss er nie wieder ein Wort über seine Zweifel verlieren. Ist er es nicht, kann er vor Gericht die Vaterschaft anfechten – und sicher sein, dass er gewinnt. „Unter praktischen Gesichtspunkten ist der heimliche Vaterschaftstest die friedlichste Lösung“, sagt Josef Linsler vom Interessenverband Unterhalt und Familienrecht.

Linsler ist überzeugt, dass es auch in Zukunft heimliche Tests geben wird und zwar in ausländischen Laboren: „Das ist absolut klar, wenn man die Situation der Betroffenen kennt.“ Linsler rechnet damit, dass vor allem England und die Niederlande infrage kommen: „Dafür bedarf es sehr liberaler Länder.“

Auch Pfannenschmid sucht derzeit nach einer Lösung, wie er die Strafgelder umgehen kann. Er will ebenfalls die laxeren Bestimmungen im Ausland nutzen: „Wenn wir es schaffen, in Österreich eine Tochterfirma aufzubauen, können wir von dort praktisch den ganzen deutschen Markt bedienen.“ Mit der verantwortlichen Wirtschaftskammer habe er schon Kontakt aufgenommen. Das Konstrukt müsse aber rechtlich einwandfrei sein. Bis es so weit ist, rechnet Pfannenschmid mit einem kurzfristigen Boom in seinem Labor, denn noch ist das neue Gesetz nicht in Kraft. Viele Väter würden die Schonfrist noch für Last-Minute-Tests nutzen.

Familienrechtler warnen dagegen vor heimlichen Tests: „Die Zweifel rechtfertigen nicht den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Kindes. Man muss nicht alles machen, was geht“, sagt Ingeborg Rakete-Dombek, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Es sei egal, ob der Test von einem ausländischen Labor durchgeführt werde, strafbar mache sich der Vater doch. „Wenn das zur Anzeige gebracht wird, droht ihm trotzdem das Bußgeld.“

Natürlich gilt auch bei den heimlichen Vaterschaftstest die alte Regel: Wo kein Kläger, da kein Richter. Wenn jemand einen heimlichen Vaterschaftstest in einem ausländischen Labor durchführen lässt und das Ergebnis für sich behält, droht zunächst keine Gefahr. Wenn niemand davon erfährt, kann auch niemand Anzeige stellen. Dennoch sollte man sich nicht zu sicher sein. Irgendwie müssen die Testergebnisser den Kunden ja erreichen – zum Beispiel per Post. Ein auf dem Schreibtisch vergessener Brief aus dem Testlabor kann das Geheimnis dann schnell verraten. Denn in den meisten Fällen teilen sich ja beide Partner die Wohnung.

Rakete-Dombek empfiehlt deshalb allen zweifelnden Vätern das ordnungsgemäße Verfahren vor Gericht. Ihrer Meinung nach ist kein Vater mehr auf die heimlichen Tests angewiesen. Der Vater müsse lediglich akzeptieren, seinen Zweifel öffentlich zu machen.

Linsler, dessen Verband gleichermaßen Unterhaltspflichtige wie -berechtigte vertritt, teilt diese Meinung nur bedingt. Grundsätzlich könne man eine Strafe akzeptieren, aber er könne schon verstehen, dass Väter alles tun, um endlich Gewissheit zu erlangen: „Wir müssen uns ans Gesetz halten“, sagt er. „Aber wir werden weiterhin dafür werben, dass zweifelnde Väter keine Kriminellen sind – auf diese Ebene darf man sie nicht abschieben.“

Joachim Telgenbüscher

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