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Wirtschaft: Warten auf den Startschuss Aufräumen am Jahresende

Die Chancen für eine Jahresendrallye an der Börse stehen gut – oder läuft das Rennen schon?

Der Dax ist am Mittwoch auf den höchsten Stand seit dreieinhalb Jahren gestiegen. Bei knapp 5200 Punkten hatte der Deutsche Aktienindex zuletzt im April 2002 notiert. Wie jedes Jahr steigt Mitte November die Spannung: Kommt es bis Silvester zu einer Jahresendrallye an der Börse? Und wenn ja, auf welche Titel und Branchen sollten Anleger noch setzen? Die Optimisten haben zumindest die Empirie auf ihrer Seite: Seit 1995 ist der Dax zwischen Mitte November und dem jeweiligen Jahresende acht Mal gestiegen – zum Teil um bis zu sechs Prozent. Für dieses Jahr fallen die Prognosen der Banken und Finanzexperten aber sehr unterschiedlich aus. Die Chancen für eine Jahresendrallye überwiegen, doch sollten Anleger die Risiken nicht unterschätzen.

DIE CHANCEN

„Im Aufschwung sind Aktien die bessere Wahl“, sagte Stefan Klomfass, Leiter Märkte und Strategien bei Helaba Trust, am Mittwoch. Die Konjunkturbelebung und steigende Unternehmensgewinne sprächen mit Blick auf das kommende Jahr zunächst für Dividendenpapiere. In drei Monaten sieht der Anlageexperte den Dax bis auf 5400 Punkte steigen. Danach sei allerdings mit einem Rückgang zu rechnen. Einen Sprung bis auf 5300 Punkte noch im alten Jahr hält Volker Borghoff, Aktienstratege bei HSBC Trinkaus & Burkhardt, für möglich. „Die Chancen für eine Jahresendrallye stehen 70 zu 30“, glaubt er. Angesichts der weiterhin niedrigen Zinsen sei viel Geld auf dem Markt, das angelegt werden müsse.

Dass die Zinsen – und damit die Renditen auf dem Rentenmarkt – dies- und jenseites des Antlantiks nicht dramatisch steigen werden, haben zuletzt sowohl die US-Notenbank als auch die Europäische Zentralbank (EZB) signalisiert. So gaben am Mittwoch Sitzungsprotokolle der US-Notenbank Hinweise darauf, dass die Fed an ein Ende des gegenwärtigen Zinserhöhungszyklus denkt. Und EZB-Präsident Jean-Claude Trichet vertrieb die Zinssorgen von den Aktienmärkten, als er andeutete, dass es im Euroraum nicht zu mehreren Zinsschritten kommen werde.

Für steigende Kurse am deutschen Aktienmarkt sprechen vor allem sehr guten Unternehmenszahlen. Nach dem hervorragenden dritten Quartal sei kaum mit vielen bösen Überraschungen zu rechnen, meint Volker Borghoff. Auch die Kollegen von der DZ Bank halten aus diesem Grund bis Mitte Januar 2006 „einen überdurchschnittlich starken Kursaufschwung für wahrscheinlich“. Binnen sechs Monaten seien 5500 Dax-Punkte möglich. Kursrückgänge sollten zu Nachkäufen genutzt werden. Doch was kaufen?

Bei den Aktien setzen die Analysten von Helaba Trust vor allem auf Standardwerte. „Es spricht einiges dafür, dass Blue Chips die Nase vorn haben werden“, sagt Stefan Rausch, Leiter der Unternehmensanalyse. Ein Pluspunkt der größeren Werte sei ihre günstige Bewertung. Das Verhältnis von Aktienkursen zu den für 2006 erwarteten Gewinnen liegt im Dax bei durchschnittlich 12. Das ist gemessen am historischen Mittel von knapp 15 niedrig und zeigt, dass der Dax noch preiswert ist. Anleger sollten dennoch genau hinsehen: Zu den Topfavoriten der Helaba für 2006 zählen unter anderem Daimler-Chrysler, BASF, Lufthansa und Henkel. Als „Flop-Kandidat 2006“ bezeichnen die Analysten unter anderem Continental und SAP. Generell gelten Finanztitel noch als Tipp. Sie sind zwar schon gut gelaufen, haben aber – verglichen zum Gesamtmarkt – noch überdurchschnittliches Potenzial. Und da sie ein gutes Drittel der großen Indizes ausmachen, spicht viel für ein Anziehen der Kurse auf breiter Front.

DIE RISIKEN

„Aber Vorsicht!“, warnt Ferdinand Haas vom Verbund unabhängiger Finanzmakler BCA. „Risiken sollten nur noch sehr gezielt und nicht mehr auf dem gesamten Aktienmarkt eingegangen werden.“ Der Grund: Die Aktienkurse und niedrigen Zinsen sähen besser aus als die globalen Rahmenbedingungen es eigentlich zuließen. Als größte Risiken nennt Haas die weltweiten Ungleichgewichte in den Außenhandelsbilanzen, die stark gewachsene Geldmenge mit entsprechenden Inflationsgefahren sowie die prekäre Situation auf dem US-Immobilienmarkt. „Wenn die Inflation steigt und die US-Verbraucher in Pessimismus verfallen, dann geht die Wette auf dem Aktienmarkt nicht auf“, fürchtet Haas.

Er empfiehlt vorsichtigen Anlegern deshalb, einen guten Teil ihres Depots „bombensicher anzulegen“ – in inflationsgeschützen Anleihen, Renten mit kurzer Laufzeit und einigen wenigen offenen Immobilienfonds. Erst danach solle man an Aktien denken. „Selbst aggressive Investoren empfehlen wir zurzeit nicht mehr als 75 Prozent Aktien im Depot.“ Deutsche Aktien, so Haas, seien dabei „in der Renditewüste“ noch am attraktivsten. Nicht zuletzt auch wegen einer für 2006 erwarteten Dividenrendite von 3,1 Prozent – dafür muss man sein Geld am Rentenmarkt sehr lange anlegen. Im langfristigen Mittel traut Haas deutschen Aktien dennoch nur noch eine jährlichen Wertzuwachs von weniger als acht Prozent zu. Für Anleger ein doppelter Grund zur Vorsicht. Scheint doch im Jahr 2005 das Kurspotenzial schon mehr als ausgreizt: Seit Januar ist der Dax um 22 Prozent gestiegen. Fondsmanager Markus Steinbeis von Activest: „Ich könnte mir vorstellen, dass die Marktteilnehmer im Dezember Gewinne mitnehmen.“ Die Aussicht auf eine Weihnachtsrallye dürfte in den Kursen schon längst enthalten sein. mit rtr

BESTÄNDE DURCHLEUCHTEN

Aktienbesitzer sollten zum Jahreswechsel ihre Bestände durchleuchten. Das empfiehlt das Deutsche Aktieninstitut (DAI). Dabei sollte man darauf achten, welche Papiere im laufenden Jahr Gewinne und welche Verluste eingebracht haben. Dies kann sich steuerlich bemerkbar machen. Verkauft ein Anleger verlustbringende Aktien, die er weniger als ein Jahr im Depot hat, kann er den Verlust steuerlich geltend machen . Reizvoll ist dies, wenn er im laufenden Steuerjahr Kursgewinne gemacht hat, die steuerpflichtig sind. Realisierte Verluste mindern den zu versteuernden Gewinn und können ihn unter die Freigrenze von 512 Euro pro Person und Jahr drücken, so dass gar keine Steuer mehr anfällt.

VERLUSTE ANGEBEN

Das DAI empfiehlt außerdem, Spekulationsverluste auch dann beim Fiskus anzugeben, wenn im laufenden Jahr keine Spekulationsgewinne erzielt wurden. Mit einem Verlustrücktrag könne sich der Anleger eventuell im Jahr zuvor gezahlte Spekulationssteuer zurückholen. Außerdem ist möglich, sich per Verlustvortrag ein Polster gegen Steuerzahlungen auf künftige Veräußerungsgewinne aufzubauen. Eine Verrechnung mit anderen Einkunftsarten wie Zinsen oder Dividenden ist allerdings nicht möglich. Tsp

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